Quelle
Unsere Familien Chronik
Jtzig Behrend
Dieses ist die Geschichte Jitzschaks (Itzigs) Sohnes Jakaufs, genannt Jakob.
Jabok war ein Sohn Bärs, Bär ein Sohn Jakobs. Ich, Jtzig, bin der dritte Sohn meines Vaters Jakob in Rodenberg, geboren wurde ich in Grove Nr 65. Ich habe meinen Urgroßvater Jakob noch gekannt, derselbe ist 100 Jahre alt geworden. Sein Sohn hieß Bär. Dieser heiratete eine Frau namens Chaja aus Hildesheim und zeugte 4 Töchter und 2 Söhne, von welchen mein Vater der Aelteste war. […]
Unsere Hochzeit war am Sonntag und Montag Neum ondstage von Ijar = 1793. Am Mittwoch Sidra (11. Februar 1796) sind wir durch Gottes Hilfe in das Haus Nr. 88 in Grove ein getragen. Und Jizchak nahm die Rivka und führte sie in das Zelt Sarahs, seiner Mutter. […]
Den 13. Mai 1800 sind die jüdischen männlichen Personen von 15 bis 40 Jahren zur Musterung und Ausnahme zu Soldaten nach Gudensberg von dem Landgraf Wilhelm II bestellt worden, welches auch geschah, aber die Parnossin (Vorsteher) der Gemeinden haben das mit schwer Geld abgemacht, wovon unser Teil 100 Th. gekostet hat, welches wir hier in der Rentnerei bezahlt haben. Ta der Landgraf verreist war, und er Schwuaus zurückkam und in einigen Tagen wieder verreisen wollte, so hatte der Raf (Rabiner) den Parnossin gewiesen (als gesetzlich erlaubt) am Jomtef zu ihm zu fahren nach dem Weißenstein, und da haben sie auch die Gesere (verhängnisvolle Gefahr) mit viel Geld abgewandt.
Am 9ten Mai 1803 hatten wir sämtliche Schutzjuden hier und in Nenndorf mit den hiesigen Kaufleuten und mit Witheln, Aplern Sachen Termin, nämlich die Kaufleute hatten eine Schrift ans Amt übergeben (dahin lautend:) wir sollten nicht handeln, nicht hausiren, nicht viele Diener halten (Commis) dagegen haben wir eine Schrift durch Fürstenau in Rinteln übergeben, wovon sich die Kosten auf 13 Th. 21 Groschen beliefen. Dazu hat Feibisch O. N., Meyer und sein Bruder Gumpel, ich Itzig und sein Bruder Aron beigetragen. Uebrigens ist die Sache ruhig geblieben. Gotte gebe ferner Frieden uns und ganz Israel. […]
Am 15. Mai 1803 haben wir sämtliche Juden hier einen Ball auf dem Rathskeller gegeben mit Musik, da an diesem Tage unser Landgraf zum Kurfürsten gemacht war. Auch wurden des Morgens in der Schul (Synagoge) 7 Psalme gesungen, welche seiner Ehrwürden Rabbi Löb Berliner in Cassel aufgegeben. Und die Casseler Judenschaft haben sich denselben Tag […] wovon wir auch gedrucktes Buch erhalten haben. Der Ball hat uns, nämlich meinem Herrn Vater Itzig, Aron und Abraham 15 Thlr. gekostet. Seit dato ist der Leibzoll im ganzen Hessenlande abgeschafft worden. […]
Im Monat Juni 1803 sind die Franzosen in das Hannoversche Land gekommen mit einem Kommandeur namens Mertier um es einzunehmen, da England den Friedensschluß nicht gehalten. Die Hannoverschen Truppen wollten sich verteidigen, aber sie haben sich bedacht und b’scholaum zurückgezogen. Die Franzosen sind unbehelligt hereingekommen. Theile von dem Streif- und Freicorps haben geplündert und gebrandschatzt, welche man aber dabei ertappt hat, sind stark bestraft und erschossen worden. Wir hatten derzeit viele Güter unserer Freunde im Hause, welche befürchteten, sie könnten alle darum kommen. So von Nienburg, Stolzenau, Ohes, Baschehusen (Barsinghausen).
Im Monat Ellul sind die meisten Franzosen aus dem Hannoverschen Land durch Hessenland nach Vayern gezogen, und was noch dageblieben, hat sich nach Hameln auf ein Jahr verproviantiert.
Derzeit habe ich Bruder Feibisch und Kaufmanu Scher hier viel alt und neu Eisen gekauft, als Räder, Winden, Ketten, Schmiedegeschirr (einen für 3000 Th.) von den Franzosen, die diese Sachen aus dem Zeughaus in Hannover genommen. Hiervon ist mehrenteils von und für 1400 Th. und für mich und Feibisch für 400 Th. und im Februar 1806 hier in einer Auktion für 600 Th. verkauft und dato war noch circa für 400 Th. netto vorräthig, welche circa 110 Th. auf Spesen zu rechnen ist.
Von Decbr. bis Februar waren viele Preußen, Russen, Engländer, Schweden im Hannoverschen Lande, sind aber alle unverrichteter Sache wieder in die Heimat gezogen.
[…]
Rosch haschaha 1805 bin ich 39 Jahre alt geworden zum guten und war in meiner Lebenszeit kein theurerer Kornpreis wie dieses Jahr: Gerste 1 Thaler 6 gr. Roggen 1 Th. 24 gr. Hafer 24 gr. Bohnen 1 Th. 15 gr. […]
Januar 1808 hat Kaiser Bonaparte seinen Bruder Hyronimus zum König von Westfalen eingesetzt mit der Bedingung, daß er die Hälfte der Domäne im Lande behalte. Hierzu gehört das Fürstentum, Minden, Ravensberg, Osnabrück, Paderborn, Hildesheim, Cassel, Göttingen, der Harz, Eichsseld, Goslar, Halberstadt, Magdeburg nebst angehörigen Ländern. Wie nun der König das Land angenommen, gingen die Parnossin als Deputierte nach Cassel, um ihm zu huldigen, mit großem Aufwand, jeder nach seinem Stand. Er hat allerlei neue Verordnungen herausgegeben, worunter auch, daß er die Juden von ihren Fesseln befreit hat und hat sie so gut wie die Goyim für Bürger erklärt. Jeder kann wohnen und handeln und handwerken was sie wollen. Am 1. März ist der König von allen gehuldigt worden.
Den 27. Januar 1808 sollen laut königlichem Dekrete all die Gelder, so die Juden mehr wie Christen ausgeben aufhören. Hier haben wir sonst Schutzgeld geben müssen, jetzt nicht mehr, sondern jeder nimmt sich ein Patent auf das, was er treiben will.
Eine Branntweinschenke kostet jährlich 1 Thlr., ein Holzhandel 2 Thlr., ein Ellenhandel 4 Thlr., eine Schlächterei 3 Thlr., ein Kornhandel 5 Thlr., ein Großweinhandel 4 Thlr. Sonsten haben müssen für ein Ort (Flüssigkeitsmaß) einen Heller mehr Assiß geben wie der Goj, auch die Zunge von einem geschlachteten Vieh an den Rab abgeben, und von jedem geschlachteten Rind 1 Th. an die Renterei ohne den Fleischheller. Auch ist kein Leibzoll mehr.
(Welcher Wechsel des Schicksals der bisher der Willkür preisgegebenen Juden! Da ist es nicht zu verwundern, daß sie Napoleon als ihren Messias betrachteten. Bei seinem Ehrgeiz und seiner Eroberungssucht war er doch ein großer Mann, der den seit 18 Jahrhunderten angesammelten Mist des Augiasstalles von seinem Unrat reinigte).
Der König von Westfalen, Hyronimus, lebte in Cassel in üppiger Pracht und Schwelgerei. Sein Motto war: „Immer lustig“. […]
Den 6. August ist der König von Westfalen mit einer Suite (Gefolge) von verschiedenen Herren und Damen 60 Personen und wohl 300 Mann Soldaten, welche in Fußgarde und Gardecorps Kavallerie bestand, nach Nenndorf gekommen. Die Soldaten sind in Groß und Klein Nenndorf, Groß Rodenberg einquartirt gewesen, für welche wir sämmtliche Jehudim hier mit Feibisch Nenndorf die Lieferung gehabt an Fleisch und Brot und Stroh und Futter, wie auch Spezerei und Geflügel. Letzteres ist von einem Controlleur namens Messier befohlen und bescheinigt und von einem Marschall de Logie ausgezahlt worden. N. B. Mit einem starken Abzug. Der Verständige merkt was (fügt unser Chroniker hinzu). (Der Abzug ist gewiß in die Taschen des Marschalls spaziert.)
Bei des Königs Ankunft haben ihn 16 hiesige Jungfrauen in weißer Kleidung mit grüner Besetzung ein Gedicht auf ein Tafte- oder Sammtkissen präsentirt, welche er hier gegen jeder mit ein paar goldene Ohringe und Halsschmuck beschenken, welche von Aron Escamp aus Hamburg in Nenndorf gekauft sind.
Uebrigens hat sich der König milde (leutselig) betragen gegen alle Menschen, hauptsächlich hat er 3 Chessanen und Kalles (Braut und Bräutigam) von die Gojim von Kopf bis Fuß mit Festkleidung bekleidet und dazu noch jedem Paar 300 Th. bar Geld als Mitgift gegeben, welche sich auch bei seinem Hiersein haben zusammen espulieren lassen müssen am Sonntag, hierbei war großer freier Ball für jeden, großes Feuerwerk, große Illumunation Pfehklettern, Wettrennen, Kanonenschießen, Freilotterie von allerlei Schaures (Waren), welche wir teils geliefert haben. Die Bräute und Bräutigam haben von mir und Gumpel (Großvater des Dichters Julius Rodenberg) circa für 300 Th. Waare erhalten. […]
Mai 1809 ist Napoleon mit einer Armee nach Oesterreich gezogen und hat es erobert.
September 1809 ist zwischen Beiden Frieden geschlossen, Napoleon verlangte nun des österreichischen Kaisers Tochter zur Frau, was ihm auch zugestanden wurde (oder vielmehr werden mußte).
(Napoleon, der Sohn eines Korsikaners, wollte durch diese Heirat in ein altes legitimes Fürstenhaus seinem Thron mehr Glanz verleihen. Er ließ sich daher von seiner ersten Gattin Josephine, Tochter eines Kaufmanns, scheiden. Welche Herzlosigkeit! Mit Recht sagte dann auch seine Mutter Lätizia von ihm, er habe eine Kanonenkugel, wo andere Menschen ein Herz hätten.) […]
Das Jahr 1810 war eine stille geschäftslose Zeit und ich war daher viel zu Hause und auf das wenige Hausgeschäft angewiesen. Um nun auf andere Weise etwas zu verdienen, verschaffte ich mir das Amt der Steuernhebung der Gemeinde Grove Mühlenstr. und Rodenberger Thor. Die Gebühr für die monatliche Erhebung thut 37 gr. und für die Extraerhebung wird 2—3 gr. p. c. vergütet.
Januar 1812 zogen hier wieder viele Franzosen, Holländer durch nach Danzig zu. Dieser Durchmarsch war bis Ende März, dero Zeit hatten wir jeden Tag Einquartierung bei 4—6 7—5—2—3 von allen Völkern und Sprachen, Schweizer, Koraten, Holländer, Franzosen, Italiener, Deutsche.
Januar 1813 ist diese Armee von Rußland retour gekommen, wie Schafe ohne Hirt, mechulle mit die Pulle. […]
Im Juli 1813 ist der Präsident des jüdischen Consistoriums, nämlich Israel Jacobsohn, mit Kutschen und Reitpferden nebst Bedienung nach Nenndorf gekommen. An einem Schabbos besuchte er die Schul meines Bruders Faibisch, da fungierte er selbst als Chasen und lernte auch, dann hielt er eine erbauliche Predigt. Den anderen Schabbes wollte er in Rodenberg die Schul besuchen, wurde durch schlechtes Wetter verhindert, da kam er Donnerstag vor seiner Abreise nach hier, hielt in Schul eine schöne Rede und sprach ein Dankgebet für seine von Gott in Nenndorf erlangte Gesundheit. […]
Wir meine Brüder Feibisch und Ahron und ich Itzig sandten ihm als den Präsidenten des israelitischen Consistoriums eine deutsche Schrift, in welcher wir ihm unsere Verehrung ausdrückten und unser Lehrer Herr Sußmann Cohn eine solche in hebräischer Sprache. Diese Adresse wurde ihm denn auf einem grün und gold gestickten Kissen überreicht und zwar von drei in weiß gekleideten jungen Mädchen, nämlich meine Tochter Marianne, meine Nichte Pesche (Betti), Tochter meines Bruders Feibisch und Nichte Caroline, Tochter meines Bruders Ahron, Caroline hielt eine angemessene Anrede. Unter ihnen befand sich auch mein Neffe Behrend, Sohn Ahrons, der eben Barmizwoh geworden, der seine Drosche vortrug. Unser Präsident war über alles dieses sehr gerührt, kurz darauf wurden die 4 Kinder auch von ihm beschenkt und zwar bekam Behrend eine silberne Medaille, Caroline ein hübsches Nähkissen, Marianne eine Reihe gelbe Perlen, Betti dito. Uebrigens hat er sich gegen Arme und Reiche freundlich und liebreich benommen. Den Armen hat er ansehnliche Geldgeschenke gemacht. Der Aufenthalt in Nenndorf hat ihn recht befriedigt und gab er am Tage seiner Abreise ein Tractament vielen Kurgästen, wozu auch einige Herrschaften von hier geladen waren. Das Essen hatte Zahn geliefert, an Wein und Musik hat es nicht gefehlt. Es hat ihm über 100 Th. gekostet, er hat während seiner Kurzeit sich von Gottschalk speisen lassen (koscher). […]
Ende Oktober wurde auch das Land Hannover nach früherem Fuße wiederhergestellt unter von Bremen und unter von Decken. Auch der Kurfürst von Hessen kehrte nach Cassel zurück, da war großer Jubel und Feste. Auch wir Juden brachten das Hanaussen-Teschuo Gebet mit Musik nach der Synagoge zum Wochen-Abschmitt Thelaudaus. Den folgenden Tag. Sonntag, feierten die Christen den Tag seiner Rückkehr, die National-Garde zog mit Musik zur Kirche, abends war Illumination und Ball.
Als nun der König von Westfalen, Hyronimus, welcher von 1807—1813 regierte, von den Alliirten vertrieben worden und unser Kurfürst in sein Land zurückgekehrt war, hatten die bisherigen Ortseinnehmer viele unangenehme Streitigkeiten mit ihren Gemeinden wegen der Kriegscontrübutionen, welche, wie die Commumen sie jetzt beschuldigten, zuviel auferlegt haben sollten und für sich behalten. Mich aber traf Gottlob solche Beschuldigung nicht. Keiner auch hatte mir in dieser Beziehung etwas gesagt. Haudu laschem ki tanw (Danket dem Ewigen, denn er ist gütig, und ewig dauert seine Güte). […]
Am 16. Dezember 1813 erschien eine Proklamation des Kurfürsten, durch welche er seine Unterthanen aufforderte, sich freiwillig zur Fahne zu begeben, da er 24000 Mann zu stellen habe. Viele thaten es auch, denn sie dachten, daß sie auch zum Dienst gezwungen werden könnten. Auch ging ein Gerücht, es würde eine Aushebung von 18-50 Jahren stattfinden. Aus Rodenberg stellten sich nun freiwillig zum Jäger-Corps mein Sohn Bernhard, die Söhne des Oberförsters Kleinstöber, des Pastoren Kinder und Friedenrichter Deichmann und mehrere. Sie wurden von Kilian nach Rinteln gebracht und hatten freie Fahrt. Mein Sohn Bernhard bekam von mir an barem Gelde 30 Th: eine Büchse 13 Th. eine Jagdtasche 5 Th. eine Brieftasche 1 Th. außerdem bekam er einen Tuch-Ueberrock und Hose, 3 Hemden 3 Paar Str. eine silberne Taschenuhr, ein Geschenk von seiner Tante Jette.
Von Trier hatten wir Brief desgl. von der Festung Cheonsville, welche von den Hessen belagert wurde, sie hatten mit den Franzosen tüchtig zu kämpfen. […]
Den 14. August 1814 kam mein Sohn Bernhard aus seiner Garnison Treysa bei Ziegenhain auf Urlaub nach Hause, mußte aber schon am 22. August wieder fort, wie auch die anderen Jäger und Landwehrmänner. Zum Reisegeld 2 Louisdor, und von seinem Onkel Feibisch erhiet er einen Dukaten, auf welchem die 10 Gebote und andere schöne Sprüche standen. Am 26. hatte ich Brief von ihm aus Bettenhausen bei Kassel, wo sein Quartier war, nachem war solches wieder in Treysa, kam dann am 15. November auf Urlaub nach Hause. Ende Dezember machte ich eine Vorstellung durch den Bürgermeister direkt an den Kurfürsten wegen seines Abschieds, Kosten 31 Groschen.
Am 3. Januar 1815 wurde mir auch sein Abschied durch den Kriegsminister zugeschickt, kostet 2 Taler. Hierauf schickte mein Sohn seine Montierungsröcke zn seinen Kapitän in Ziegenhain. Anfang März schrieb ihm sein Kapitän, er müsse wegen seines Abschieds noch einmal kommen, um mit ihm abzurechnen. Diese Reise kostete 12 Taler.
Seitdem Bernhard bei dem Oberförster gelernt bis heute, hat mir sein Soldatenstand 120 Taler gekostet, ohne Kleidung und Taschengeld.
Den 11. Februar 1815 ging derselbe nach Hamburg, um sich dort eine Stellung zu suchen. Mitgenommen hat er einen neuen Koffer mit Sonntags- und Alltagszeug, eine silberne Uhr und an bar 8 Louisdor. Nachdem er 14 Tage dort war, bekam er eine Stelle bei Haymann Engel in der Schlachtestraße, der ein Engors-Geschäft in Engl.-Manufakturwaren besitzt. Im ersten Jahr erhält er als Lohn 90 Taler und Kost und Logis und ist damit zufrieden. Im Januar 1816 hat sein Herr den Lohn auf 150 Taler gesetzt und endlich auf 200 Taler. 1817 ging er zu einem anderen Kaufmann, namens A. E. Cohn, da bekam er 300 Taler. 1819 kehrte er in die Heimat zurück, brachte ca. 400 Taler mit, nebst vollständiger Kleidung und eine goldene Repetieruhr, 12 Louisdor wert. […]
Am 14. März 1815 am 2. Adar ist mein hochverehrter Vater nach kurzem Krankenlager infolge eingetretener Altersschwäche in seinem 82. Lebensjahr sanft entschlafen.
An seinem Sterbebett waren zugegen mein Bruder Feibisch und Ahron, Benhein und ich, wie sämtliche Mitglieder der hiesigen Gemeinde. Er hatte letztere zum Abschied eingeladen, er ließ dann denselben einen Mischebeirach machen, bat alle Anwesenden um Verzeihung, so er ihnen etwas zu Leide getan hätte, gelobte 2½ Th. für die Armenbüchse und vermachte sein noch übriges Vermögen an barem Gelde den Armen. Am 3. dieses Monats Adar [scheni], das ist der 15. März 1815, fand sein ehrenvolles Begräbnis statt. Bornheim hat ihm eine Trauerrede im Sterbehause gehalten und Lehrer Sußmann eine solche am Grab. 1816 am 3. Adar ist ihm ein Leichenstein gesetzt in Gegenwart der ganzen Gemeinde. Bei dieser Gelegenheit hielt Rabbi Sußmann eine Trauerrede.
Mein sel. Vater war ein streng rechtschaffener redlich gesinnter Charakter, als Gemeindemitglied hat er die Lasten der Gemeinde über seine Vermögensverhältnisse gleich den Reichen getragen, obgleich er nicht reich an irdischen Gütern war, so war er mit seinem Teil zufrieden, und wenn wir Kinder ihm Vorwürfe machten, daß er über seine Verhältnisse ginge, so beruhigte er uns, daß es gut sei, Ihr werdet alles wieder bekommen. Gott wird für euch streiten, ihr aber schweigt! Ihr werdet weiter kommen und es wird euch zu Teil werden hier in der Gemeinde, die da größer werden wird, in Ehren zu wohnen. Gott hat das auch in Erfüllung gehen lassen. Die meisten seiner Kinder hatten zwei eigene Häuser, ausgenommen sein Sohn David, der infolge der Kriegsereignisse seinen bisherigen Wohnsitz hat verlassen müsen und nach Hameln übersiedelt ist. Auch hat er es erlebt, uns alle unter die Chuppe zu führen.
Quelle: „Unsere Familien-Chronik geführt vom seligen Großpapa Jtzig Behrend in jüdisch-deutscher Schrift, ins Deutsche übersetzt Juni 1893 von Dr. Magnus Cohn, Hannover“, in Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur, herausgegeben vom Verbande der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland. Zwölfter Band. Berlin: Verlag von M. Poppelauer, 1909, S. 113–34.