Kurzbeschreibung

Die Abschaffung der Leibeigenschaft von Dorfbewohnern mit Landbesitz spiegelte die durch die Aufklärung inspirierte Verurteilung persönlicher Freiheitsbeschränkungen wider. Allerdings brachte sie auch eine komplexe Neuaushandlung der (bisweilen starken, bisweilen zeitgebundenen und manchmal unsicheren) Grundbesitzrechte „befreiter“ Dorfbewohner mit sich sowie die Festlegung von Entschädigungen an ihre ehemaligen Grundherren für den Verlust der „Feudalrenten“ (besonders Arbeitsdienste).

In den dänisch regierten, jedoch weitgehend deutsch besiedelten nördlichen Herzogtümern Schleswig und Holstein stimmten die adligen Grundbesitzer 1797 der Abschaffung der Leibeigenschaft innerhalb von acht Jahren zu und folgten damit der Entwicklung innerhalb der dänischen Monarchie. Dies führte zu den Bestimmungen dieser Verordnung, welche die Emanzipation zu voller bürgerlicher Freiheit von rund 100.000 untertänigen Dorfbewohnern hauptsächlich in Holstein zur Folge hatte. Sie schrieb vor, dass die Grundherren zwar befreite Dorfbewohner von ihren zuvor bestellten Bauerngütern entfernen konnten, diese jedoch in die Hand neuer bäuerlicher Besitzer überführen mussten und es ihnen untersagt war, die Grundstücke in die eigenen Landgüter zu vereinnahmen.

Untertanen, welche die Bauerngüter behielten, die sie als Leibeigene bestellt hatten, handelten unter Vermittlung königlicher Justizbeamter Entschädigungen mit ihren Landbesitzern aus. Untertanen, welche von ihren ehemaligen Bauerngütern entfernt wurden oder sich zurückzogen, sollten von ihren früheren Herren eine Altersversorgung erhalten.

Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft für die Herzogtümer Schleswig und Holstein (19. Dezember 1804)

Quelle

Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft für die Herzogtümer Schleswig und Holstein

19. Dezember 1804

[] 1. Die Leibeigenschaft ist in Unsern Herzogthümern Schleswig und Holstein, von dem 1sten Januar 1805 an, gänzlich und auf immer abgeschaft, ohne irgend eine Ausnahme. []

3. Von dem 1sten Januar 1805 an verfügen die Freigelassenen, gleich andern freigebornen Landleuten, über ihre Person, so wie über ihr Vermögen, frei und ungehindert, sofern nicht Unsere Anordnungen allgemeine Einschränkungen vorschreiben.

4. Namentlich fällt von dem gedachten Tage an, die Einwilligung des Gutsbesitzers zur Heirath und zur Erlernung eines Handwerks gänzlich weg. []

7. Die leibeigenen Pächter, Hufener, Käthner, oder Landinsten, welche, bei Aufhebung der Leibeigenschaft, die bisher inne gehabten Stellen nicht durch Pacht- oder Ueberlassungs-Contracte behalten, genießen die jeden Orts für die Klasse, zu der jeder gehört, hergebrachten Altentheile, oder, wo diese nicht hergebracht sind, eine andre angemessene Abfindung, für sich und ihre Wittwen, unentgeldlich auf Lebenszeit.

8. Sollten dergleichen, jetzt oder früher, Freigelassene größere oder kleinere Pachtstellen übernehmen, oder übernommen haben, solche aber in der Folge rechtmäßig aufgeben oder verlieren, so ist der Gutsbesitzer gleichwohl schuldig, ihnen auf ihre und ihrer Wittwen Lebzeit freie Wohnung auf dem Gute zu geben.

9. Eben dies gilt in Ansehung aller, am 1sten Januarii 1805, oder früher, freigelassenen, nicht bereits durch Landstellen abgefundenen, oder überhaupt landlosen Insten.

10. Suchen jedoch die (§ 8. 9.) vorgedachten Freigelassenen ihren gewöhnlichen Unterhalt gegen Tagelohn oder auf andere Art außerhalb des Gutes, so müssen sie für ihre Wohnung, wenn sie solche behalten wollen, das jeden Orts gebräuchliche Miethgeld bezahlen. []

13. Die Zahl der auf jedem adelichen Gute jetzt befindlichen, mit Land versehenen Familienstellen darf nicht vermindert werden.

14. Zu den mit Land versehenen Familienstellen gehören nicht Häuser und Wohnungen, denen nur Kohlhöfe und Moorflaggen beigelegt sind.

15. Insonderheit müssen alle, am 31sten December 1804 von Leibeigenen, Freigelassenen oder andern Bauern bewohnte oder besessene, ganze, halbe, viertel Hufen, Bohlen, oder ähnliche Stellen, in dieser ihrer Eigenschaft erhalten werden. []

23. Die auf der Leibeigenschaft beruhenden, bisher geleisteten Hofdienste oder Hoftage hören auf mit Aufhebung der Leibeigenschaft.

24. Jedoch entrichtet der bisher Verpflichtete dem Gutsbesitzer dafür eine angemessene Vergütung an Geld oder Leistungen, bis zur Abschliessung eines neuen Contracts, wenn solche vor dem 1sten Mai 1805 zu Stande kömmt, oder, in deren Entstehung, doch bis zum 1sten Mai 1805, und bleibt dagegen bis dahin in dem ungestörten Besitz seiner Stelle. In Ermangelung einer gütlichen Vereinigung über die gedachte Vergütung müssen die Untergehörigen gleichwol die unumgänglich nothwendigen Dienste leisten, bis zur erfolgten commissarischen Entscheidung, die sobald, als möglich, und auf jeden Fall vor dem 1sten Mai 1805 eintreten soll. []

28. Streitigkeiten, welche über die mit Leibeigenen geschlossenen Contracte oder die den Freigelassenen gebührende Abfindung entstehen, oder sich sonst auf ehemalige Leibeigenschafts-Verhältnisse oder die Entschädigung der Pächter beziehen, sollen in den ersten 5 Jahren, ohne förmlichen Rechtsgang, durch Commissarien, welche Unsere Oberdicasterien ernennen, summarisch abgemacht werden.

29. In Entstehung einer gütlichen Auskunft haben die Commissarien an Unsere Oberdicasterien zu berichten, welche sodann die streitigen Fragen, ohne förmlichen Rechtsgang vor den Landgerichten, summarisch und ohne Gerichtsgebühren erledigen. []

Quelle: Schleswig-Holsteinische Anzeigen, 1. Stück vom 7. Januar 1805, S. 2–6; abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg., Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Hrsg. von Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 315–17.

Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft für die Herzogtümer Schleswig und Holstein (19. Dezember 1804), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3612> [04.11.2024].