Kurzbeschreibung

In den 1790er Jahren leisteten das revolutionäre Frankreich und das habsburgische Österreich mit unterschiedlichen Zielsetzungen bahnbrechende Arbeit bei der Schaffung moderner, bürokratisierter politischer Polizeiorgane. Die österreichische Regierung fühlte sich bedroht sowohl durch die Antiabsolutisten französischer Prägung als auch durch potenzielle Aufstände unter ihren nichtdeutschen Untertanen, besonders den Ungarn. Dieser Textauszug stammt von einem der einflussreichsten Staatsminister der Zeit und veranschaulicht die Gemengelage der Bewegründe – einige davon langfristig, andere neu – die bei der Entstehung eines Geheimpolizeinetzwerks maßgeblich waren, für das Österreich unter Franz II./I. (1792–1835) berüchtigt wurde.

Vortrag vor Kaiser Leopold II. vom „Polizeiminister“ Johann Anton Graf von Pergen über die „wichtigsten Beschäftigungen der geheimen Polizei“ (2. März 1790)

  • Johann Anton Pergen

Quelle

Die wichtigsten Beschäftigungen der geheimen Polizei sind:

1. Mit Beihilfe des Anzeigewesens, welches zur öffentlichen Polizei gehört und zum Beweis (der Notwendigkeit) der Verbindung dieser zwei Polizeianstalten dient, alle für den Staat verdächtigen oder gefährlichen Personen zu entdecken, selbe entweder, wenn ihr Verbrechen erprobt, mit allerhöchster Genehmigung einzuziehen und die summarische Aussage aufzunehmen und Ew. Maj. zur Entscheidung, ob selbe dem Criminale glatt zu übergeben oder polizeimäßig in Geheim zu untersuchen seien, vorzulegen – oder aber, wenn ein bloß gegründeter Verdacht vorhanden und schädliche Unternehmungen nicht von ihnen zu besorgen, selbe durch Vertraute allenthalben beobachten zu lassen, somit ihrer allfälligen Entweichung vorzukommen;

2. den Zusammenhang der Gesandtschaften unter sich und derselben vertraulichen Umgang mit den Staatsbeamten zu beobachten und Ew. Maj. die von Tag zu Tag gemachten Bemerkungen ununterbrochen nach 8 oder 14 Tagen anzuzeigen;

3. alle bei dem Volk einschleichende Unzufriedenheit, üble Gesinnung oder wohl gar aufkeimende Meuterei zu entdecken, solche, wo möglich, in ihrer Geburt zu ersticken und Ew. Maj. anzuzeigen, zu welcher Entdeckung auch in den anderen Königreichen und Provinzen die zwischen den in dortigen Hauptstädten aufgestellten Polizey-Direktoren und der hiesigen Ober-Direktion eingeführte geheime Korrespondenz die füglichste Gelegenheit gibt und die von so größerem Nutzen ist, als selbe auch manchmal Anzeigen enthaltet, wie bei gegenwärtigen Zeitläuften deren viele vorkommen, welche in die auswärtigen Geschäfte und Militärverfügungen Einfluß haben;

4. hat die geheime Polizey, welche ununterbrochen von uns durch den Ober-Polizeydirektor Hofrat von Beer, als einen in allen Teilen dieses Geschäfts praktisch erfahrenen, redlichen und bescheidenen Mann geleitet wird, falls Ew. Maj. das Publikum zu einer oder anderen zu folgenden Verordnung vorbereiten wollen, dieses durch geheime Wege unvermerkt zu bewirken. Endlich aber ist

5. eine der wichtigsten Pflichten der geheimen Polizey, alle schädlichen Aufsätze auf Ihrer Maj. geheiligte Person und Familie so wie möglich zu entdecken und unaufhörlich darauf zu wachen. Es ist auch jedem Landeschef von Sr. Majestät unmittelbar a° 1786 die samt einem Vortrag hier neben kommende geheime Instrukzion zugeschickt und mit einem a. h. geheimen Handbillet und dem Auftrag begleitet worden, daß niemand, was er auch sage, außer den ihnen zugegebenen Polizei-Direktoren die Eröffnung hiervon zu machen sei. Weiter konnte man in den Provinzen nicht gehen. In der hiesigen Residenzstadt aber hat die Polizey verschiedene höchst wichtige Bearbeitungen zum Gegenstand, wovon ich Ew. Maj. nur mündlich die Aufklärung geben kann. Da es nun unter allen diesen Fällen so viele gibt, wo ich Ew. Maj. Willensmeynung und Befehl ihrer Dringlichkeit halber einzuholen mich bemüssigt sehe, so muß ich mir zum Voraus, solange ich als Staatsminister dieses weitläufige und häckliche Geschäft noch zu besorgen im Stande sein werde, Ew. Maj. allergnädigstes geheimes Gehör zu allen Zeiten, und an allen Orten, wie es mir auch von S. M. dem Kaiser Joseph allergnädigst ist gestattet worden, zu Beförderung Ew. Maj. höchsten Dienstes erbitten, und nur noch zum Schluß bemerken, daß, da die meisten sich als Spione anbietenden Personen allhier blos auf Geldschneidereien abzielen ohne wahre Dienste zu tun, die geheime Polizey auch durch derley Leute in ihren Bearbeitungen gehemmt und oftmals die besten Vorkehrungen ganz vereitelt werden, Ew. Maj. geruhen alle derley sich meldende Individuen an mich oder in meiner Abwesenheit an den Hofrat und Polizei-Direktor von Beer zu weisen, weil ansonsten der Dienst darunter leiden müßte und Ew. Maj. gewiß vielmal hintergangen werden würden, wie es S. M. Kaiser Joseph erst unlängst mit einem gewissen Lohner erging, worüber ich Ew. Maj. mündlich erörtern werde.

Quelle: August Fournier, „Kaiser Josef II. und der „geheime Dienst“. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Polizei“, in Historische Studien und Skizzen. 3. Reihe. Wien: F. Tempsky, Leipzig: G. Freytag, 1912, S. 5–7; Abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg., Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Hrsg. Rainer A. Müller. Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 248–52.