Kurzbeschreibung

Die Niederlage der Hitler-Diktatur durch die Alliierten im Mai 1945 war total. Als die massiven Verbrechen des Regimes bekannt wurden, sagten sich nicht alle Westdeutschen vollständig von ihrer früheren Ideologie und ihren Überzeugungen los. Aber diese Männer und Frauen wussten auch, dass sie ihre programmatischen Ideen in der Sprache des Konservatismus und des Nationalismus und nicht des Nationalsozialismus formulieren mussten, um eine alliierte Lizenz zur Gründung einer politischen Partei zu erhalten. Auf dieser erneuerten Grundlage begann die SRP mit dem Aufbau einer Parteiorganisation in jenen Regionen Westdeutschlands, in denen viele Flüchtlinge angesiedelt worden waren und in denen die Einheimischen 1933 für die Nazis gestimmt hatten. Als mit der Gründung der Bundesrepublik die alliierten Lizenzen durch eine Verfassung ersetzt wurden, die die Meinungsfreiheit als Grundrecht verankerte, und die Parteien in freien Wahlen antraten, gewann die SRP in einigen lokalen Wahlkreisen bis zu 30 Prozent. Doch so moderat das Parteiprogramm auch formuliert war, es dauerte nicht lange, bis neonazistisches Gedankengut von Führern und Wählern der SRP auf Kundgebungen oder in Bierhallen geäußert wurde. 1952 waren diese Parolen, die für Schlagzeilen sorgten, so unverhohlen neonazistisch, dass die Staatsanwaltschaft beschloss, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um die Aktivitäten der SRP im Hinblick auf ein Verbot zu untersuchen. Am 23. Oktober 1952 bestätigte das Gericht, dass die SRP gegen das Grundgesetz verstoßen hatte, und verbot sie. Es war das erste Mal, dass die Republik sich gegen politische Parteien wehrte, die im Verdacht standen, die parlamentarische Demokratie in Bonn unterwandern zu wollen. Die nächste politische Bewegung, die verfolgt wurde, war die Kommunistische Partei (KPD), die im August 1956 vom selben Gericht als verfassungsfeindlich verboten wurde.

Das „Aktionsprogramm“ der Sozialistischen Reichspartei (SRP) (1949)

Quelle

Die SRP, ein Zusammenschluß freier Deutscher, die aus innerster Verantwortung die Wiederherstellung von Ehre, Recht und Ordnung in Deutschland fordern. Zu ihrem obersten freiwilligen Gesetz erheben sie die Treue zum Reich. Sie verpflichten sich vor der Geschichte ihres Volkes und vor seiner Zukunft, sich mit ganzer Kraft selbstlos für die Verwirklichung der Grundsätze der Gemeinschaft einzusetzen.

Die notwendige Sammlung aller wahrhaft deutschgesinnten Männer und Frauen wird nicht durch Zusammenschluß verschiedener Richtungen erstrebt, sondern durch kämpferisches Bekenntnis und Verpflichtung auf ein klares Programm zur Überwindung der deutschen Not. Dieses darf nicht fußen auf den überlebten Grundprinzipien einer vergangenen Zeit, sondern muß voll und ganz in Einklang stehen mit der im 20. Jahrhundert zum Durchbruch gekommenen neuen Lebensanschauung.

1. SRP will die Einigung aller Deutschen in einem einheitlichen Deutschen Reich.

Nur dadurch kann Deutschland auf die Dauer wieder lebensfähig und ein gesundes Glied der europäischen Völker- und Kulturgemeinschaft werden. Jeder Versuch, einen deutschen Teilstaat im Osten oder Westen zum Satelliten einer raumfremden Macht zu machen, muß als Vertiefung der verhängnisvollen Spaltung des Reiches angesehen und daher abgelehnt werden.

Der durch Geschichte und Kultur, Menschen- und Völkerrecht sich ergebende deutsche Anspruch auf die Gesamtheit des Reichsraumes ist unveräußerlich. Keine Regierung hat das Recht, irgendwie auf deutschen Boden zu verzichten. Dieser Grundsatz ist verfassungsmäßig festzulegen.

2. Die SRP fordert die Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands nach innen und außen.

Im Namen des Rechts und im Interesse der Befriedung Europas erwartet und verlangt sie die möglichst rasche Wiederherstellung der deutschen Souveränität und Einheit, also die Nichteinmischung auswärtiger Mächte in Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches, das sie nach wie vor völkerrechtlich als bestehend ansieht. Der Abzug der Besatzungstruppen und ein Friedensvertrag, der die deutschen Verpflichtungen endgültig festlegt und der Ehre und den Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes gerecht wird, darf nicht länger hinausgezögert werden.

3. Die SRP bekennt sich zum Gedanken der gesamteuropäischen Gemeinschaft und der politischen Eigenständigkeit.

Voraussetzung für eine europäische Ordnung ist die Befreiung unseres gesamten Kontinents zu voller Selbständigkeit neben den Weltmächten in West und Ost. Jeder Teilzusammenschluß in einseitiger Anlehnung an einen der beiden außereuropäischen Machtblöcke bedeutet Zerstörung Europas.

In ehrfürchtiger Achtung vor allen natürlich gewordenen Ordnungen muß eine zukunftsichernde Gestaltung des europäischen Zusammenlebens aufbauen auf der Möglichkeit und dem Recht eines jeden Volkes, sich seinem Wesen gemäß zu behaupten und zu entwickeln. Ohne vorherige Wiederherstellung der völligen Gleichberechtigung und staatlichen Souveränität Deutschlands besteht die Gefahr, daß dieses Recht dem deutschen Volke einseitig beschränkt und geschmälert wird. Statt die europäische Einigung zu fördern, würde ihr dadurch nur ein unüberwindliches Hindernis entgegengestellt werden.

4. Die SRP bejaht im Reichsgedanken die volksmäßig und geschichtlich bedingte Ordnungsform der Deutschen.

Eine starke verantwortliche Reichsregierung soll die Einheitlichkeit der gesamtdeutschen Entwicklung und der politischen Gestaltung sichern. Dabei hat sie sich ebenso sehr von zentralistischer Übersteigerung ihrer Befugnisse freizuhalten, wie föderalistischen Auflösungserscheinungen entgegenzuwirken. Die verwaltungsmäßige und kulturelle Eigenständigkeit der Länder und Landschaften ist durch die Verfassung zu gewährleisten.

5. Die SRP bekennt sich zu einem freiheitlichen Aufbau des inneren Staatslebens und zum Prinzip des Rechtsstaates.

Der Persönlichkeitsgedanke soll die Grundlage für die Wahl zu den politischen Körperschaften werden, um so die Parteimißwirtschaft zu beseitigen und das politische Leben zu entgiften. Jeder Versuch der Restauration geschichtlich überwundener politischer Formen wird abgelehnt.

Die Freiheit der politischen, weltanschaulichen und religiösen Überzeugung und Meinungsäußerung, sowie die Möglichkeit zu öffentlicher Kritik und zu politischer Opposition ist nicht nur verfassungsmäßig festzulegen, sondern durch absolute Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu sichern. Die Unabsetzbarkeit der Richter und wissenschaftlichen Hochschullehrer und ihre Unbeeinflußbarkeit durch die herrschenden politischen Parteien und Konfessionen muß grundsätzlich garantiert werden.

Alle Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, die Sonderrechte schaffen, widersprechen dem sozialistischen Grundsatz der gleichen Pflichten, des gleichen Rechts und der gleichen Freiheit für alle Deutschen und damit der europäischen Rechtsüberlieferung. Sie sind daher aufzuheben und bereits entstandene Schädigungen zu beseitigen. Das gilt besonders für die Entnazifizierung, d. h. für die Verfolgung, Schädigung und Verfemung wegen politischer Tätigkeit, die keinen Verstoß gegen die Strafgesetze darstellt.

6. Die SRP bekennt sich zu einem echten, aus dem Geist unserer Zeit erwachsenen Volkssozialismus aller Deutschen.

Sie versteht darunter vornehmlich den Grundsatz der sittlichen Bindung und Einordnung des einzelnen in die Gemeinschaft.

Der freiwillige Dienst am Gedanken des Reiches als Ausdruck dieser sozialistischen Gemeinschaft der Deutschen muß zum Höchstwert unseres gesamten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens erhoben werden.

In diesem Sinne ist für die SRP das Bekenntnis zum Reich, seiner Geschichte und ihren großen politischen Gestalten verbunden mit der Forderung nach dem Schutz aller, die pflichtgemäß für ihr Vaterland und die Gemeinschaft der Deutschen eintraten und eintreten, besonders mit der Forderung nach dem Schutz der Ehre des deutschen Soldaten. Deshalb darf sich der Staat auch nicht der Einlösung der übernommenen Verpflichtungen gegenüber allen Berechtigten ohne Rücksicht auf Stammeszugehörigkeit, Berufsgruppe und Dienststellung entziehen.

Die verhängnisvolle Aufspaltung des deutschen Volkes in Ost- und West-, Nord- und Süddeutsche, Einheimische und Vertriebene, Besitzende und Besitzlose, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Kirchengläubige und Freigeistige, Katholiken und Protestanten muß überwunden werden. Statt dessen fordert die deutsche Not gebieterisch die Willens- und Tatgemeinschaft aller Deutschen zur Steigerung unserer schöpferischen Kräfte und unserer Leistung für den Wiederaufbau und die Meisterung des gemeinsamen Schicksals. Die kapitalistische Klassenkampfpraxis und der marxistische Klassenkampfgedanke muß bekämpft und an ihre Stelle eine neue gerechte Lebensordnung verwirklicht werden, die nur eine sozialistische sein kann.

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Quelle: Ossip K. Flechtheim, Hrsg., Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, 2. Bd. Programmatik der deutschen Parteien. 1. Teil. Berlin, 1963. S. 489–91.