Kurzbeschreibung

Der amerikanische Hochkommissar in Deutschland, John J. McCloy, zieht Ende 1950 eine positive Bilanz des Entnazifizierungsprozesses in der amerikanischen Zone. Er erinnert daran, dass es zunächst darum gegangen sei, die Nationalsozialisten von gesellschaftlichen Führungspositionen auszuschließen und durch Demokraten zu ersetzen. Da eine dauerhafte Diskriminierung von Millionen von Menschen im Interesse der Stabilität der deutschen Gesellschaft aber nicht erwünscht gewesen sei, habe man mit der zweiten Stufe der Entnazifizierung begonnen, in der sich alle erwachsenen Deutschen einem Verfahren vor einer deutschen Spruchkammer stellen mussten. McCloy räumt ein, dass diese Verfahren unter einer Reihe von Problemen litten, bewertet ihre Ergebnisse aber insgesamt positiv und sieht ihr Hauptziel, die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrem Verhalten im „Dritten Reich“ und die Reintegration der Minderbelasteten in die Gesellschaft, als erreicht an.

Der aktuelle Stand der Entnazifizierung (31. Dezember 1950)

Quelle

Der aktuelle Stand der Entnazifizierung

Die vier für die Besetzung und den friedlichen Wiederaufbau des besiegten Deutschlands verantwortlichen alliierten Mächte waren von Anfang an dazu entschlossen, Deutschland vom Nazismus zu säubern. Zu diesem Zweck wurde vereinbart, dass ehemalige Mitglieder der Nazi-Partei und Kollaborateure, „die mehr als nur namentliche Teilnehmer an deren Aktivitäten“ waren, von öffentlichen und anderen einflussreichen Posten ausgeschlossen werden und gesetzlichen Sanktionen unterliegen sollten. Um diese Absichten zu erreichen, verabschiedete der Alliierte Kontrollrat zwei grundsätzliche Erlasse: die Direktive Nr. 24 vom 12. Januar 1946 bezüglich „Entfernung von Nazis und Personen, die den Absichten der Alliierten feindlich gegenüberstehen aus ihren Ämtern und verantwortlichen Positionen“ und die Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 bezüglich „Die Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nazis und Militaristen und die Internierung, Kontrolle und Überwachung potenziell gefährlicher Deutscher“. Diese Direktiven blieben solange ohne rechtliche Auswirkungen, bis sie durch Zonengesetze oder anderweitige Erlasse implementiert würden.

Die Verantwortung für die Ausführung der Vereinbarungen und Direktiven zur Entnazifizierung wurde vom Militär und später von den alliierten zivilen Behörden in deren jeweiligen Zonen Deutschlands übernommen. In den amerikanischen, britischen und französischen Zonen unterschieden sich die Vorgehensweisen etwas voneinander, allgemein orientierten sie sich jedoch eng an dem Geist der vereinbarten Direktiven. In der sowjetischen Zone war der Gang der Entnazifizierung stark von dem Drang beeinflusst, die Bevölkerung zu Kommunisten zu machen. Viele ehemalige Nazis, obwohl ernsthaft belastet, wurden von der Anklage gegen sie freigesprochen und unter der Bedingung, dass sie sich in der aktiven Unterstützung für das kommunistische Regime engagieren, wieder in einflussreichen Positionen eingesetzt. Trotzdem haben die Sowjets nie aufgehört, ihre fortbestehende Entschlossenheit zu beteuern, den Nazismus aus dem deutschen System zu entfernen.

Die Zielvorstellung der Entnazifizierung war nicht das Erreichen eines Endzieles innerhalb einer bestimmten Zeit, nach der man sagen könnte: „Die Arbeit ist vollbracht; Deutschland ist jetzt entnazifiziert.“ Sie lag vielmehr darin, die neue deutsche Demokratie vor Nazi-Einfluss zu bewahren und es Anti-Nazis, Nicht-Nazis und freimütigen demokratischen Individuen zu ermöglichen, in das öffentliche Leben einzusteigen und diejenigen Nazi-Elemente zu ersetzen, die von 1933 bis 1945 alles Leben in Deutschland dominierten.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Nazi-Partei samt ihrer Verbände und verbundenen Organisationen von den Besatzungsmächten abgeschafft, gesetzlich verboten und die für deren Tätigkeit verantwortlichen Individuen von einflussreichen Positionen sowohl im öffentlichen als auch im Privatleben entfernt. Es war dann für Deutsche, die keine Nazis waren, möglich, in die vielen Bereiche der kommunalen, wirtschaftlichen und politischen Tätigkeiten zu gelangen, um das deutsche Leben auf demokratischen Grundsätzen wiederaufzubauen. Die ersten Schritte dieses Programms waren im Wesentlichen im Sommer 1946 erreicht.

Sobald die ehemaligen Nazis aus dem öffentlichen Leben und zu einem bestimmten Maß aus privaten Unternehmen entfernt worden waren, entstand eine paradoxe Situation. In gewissem Sinn war die Partei wiederhergestellt worden, indem eine große Gruppe von „Ex-Nazis“ geschaffen wurde, die in der amerikanischen Zone allein mehr als 3.500.000 Personen ausgemacht hätte. Sie wären markiert und kategorisiert und weitgehend von bürgerlichem Leben und beruflicher Tätigkeit ausgeschlossen worden. Diese große Gruppe, zusammen mit ihren Familien, Verwandten und Freunden, wäre zu einer Gruppe von „Bürgern zweiter Klasse“ innerhalb des Staates geworden und zu einem ständigen Ursprung von Unzufriedenheit und Unruhe.

Um diese Gefahr zu vermeiden, insoweit dies erreicht werden kann, ohne das Gespenst des wiederbelebten Nazismus zu wecken und in Anerkennung der Tatsache, dass nicht alle ehemaligen Mitglieder der Partei und ihrer Zweige in gleichem Maße schuldig an den Verbrechen des Nazismus waren, wurde in der amerikanischen Zone entschieden, mit der nächsten Phase des Programms fortzufahren. Die Militärregierung hatte sich der Aufgabe angenommen, festzustellen, wer im Rahmen der Direktive 24 ein Nazi gewesen war; nun sollte es in der Verantwortung der deutschen Behörden liegen, zu entscheiden, in welchem Ausmaß jede Person ein aktiver Nazi gewesen war und welchen Sanktionen er gesetzlich unterliegen sollte oder ob er entlastet werden sollte. Zu diesem Zweck wurde das deutsche „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“, das unter Federführung der Militärregierung entworfen wurde, im März 1946 von den verschiedenen Ländern der amerikanischen Zone verkündet. Obwohl nach den Bestimmungen des Gesetzes den Deutschen direkte Verantwortung übertragen wurde, überwachte die Militärregierung dessen Durchführung aktiv bis August 1948. Alle politischen Parteien, die zu diesem Zeitpunkt existierten, unterstützten das Gesetz.

Die allgemeinen Grundsätze dieses Gesetzes wurden folgendermaßen formuliert:

„(1) Zur Befreiung unseres Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus und zur Sicherung dauernder Grundlagen eines deutschen demokratischen Staatslebens im Frieden mit der Welt werden alle, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aktiv unterstützt oder sich durch Verstöße gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder durch eigensüchtige Ausnutzung der dadurch geschaffenen Zustände verantwortlich gemacht haben, von der Einflussnahme auf das öffentliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben ausgeschlossen und zur Wiedergutmachung verpflichtet.

(2) Wer verantwortlich ist, wird zur Rechenschaft gezogen. Zugleich wird jedem Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben.“

Jeder Erwachsene in der amerikanischen Zone war verpflichtet, sich zu melden und bestimmte Einzelheiten über seine oder ihre vergangenen Tätigkeiten anzugeben. Auf der Grundlage der Informationen, die solchermaßen angegeben wurden und aus anderen Quellen zugänglich waren, wurde jeder Gemeldete in eine der folgenden Kategorien eingeordnet:

I. Hauptschuldige; II. Belastete; III. Minderbelastete; IV. Mitläufer; und V. Entlastete.

Die Klassifizierung beruhte auf der Position und dem Rang der Person in der Parteihierarchie, individueller Belastung, die durch Dokumente oder direkte Beschuldigungen bezeugt wurde und auf den Ergebnissen von Ermittlungen der Gerichtsbeamten. Fast dreizehneinhalb Millionen Personen wurden in der amerikanischen Zone registriert und von diesen wurden fast vier Millionen für „anklagefähig“ befunden, d.h. sie unterlagen der Klassifizierung in die Kategorien I bis IV.

Spruchkammern wurden in allen städtischen und ländlichen Kreisen eingerichtet. Berufungskammern wurden für die Überprüfung von Entscheidungen eingerichtet. Jedem Gericht wurden Staatsanwälte und Assistenten zugeteilt. Das Personal der Spruchkammern musste mit deren Ort vertraut und als aktive Gegner des Nationalsozialismus bekannt sein. Es war die Aufgabe des Gerichts, die vom Staatsanwalt erbrachten Beweise und die vom Angeklagten und seinem Anwalt vorgebrachte Verteidigung zu bewerten, für oder gegen den Angeklagten zu entscheiden und die vom Gesetz für jede der fünf Kategorien vorgeschriebenen Strafen festzusetzen. Einige Strafen waren nach dem Gesetz verbindlich, andere lagen im Ermessen des Gerichts.

Kurz nachdem das Gesetz zur Anwendung kam, wurde es offensichtlich, dass die Anzahl der anzuklagenden Personen (d.h. die vom Staatsanwalt als dem Gesetz unterliegend befundenen) so immens hoch sein würde, dass die deutschen Gerichte nicht in der Lage sei würden, alle diese Fälle innerhalb einer angemessenen Zeit zu verhandeln. Dadurch dass es sowohl alle Mitglieder der Nazi-Partei als auch ihrer Zweige anklagefähig macht, betrifft das Gesetz über 27 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der amerikanischen Zone (3.669.239 Personen). Es wurde festgestellt, dass es unter ihnen eine große Zahl von Personen gab, die nicht aktiv daran beteiligt waren, die Nazi-Ideologie zu verbreiten. Als Konsequenz dessen kündigte der Militärgouverneur im August 1946 die Jugendamnestie an, die bestimmte, dass alle nach dem 1. Januar 1919 geborenen Personen nicht von einem Entnazifizierungsgericht angeklagt würden, solange sie nicht belastet und als Hauptschuldige oder Schuldige anklagefähig waren. Dieser Amnestie folgte im Dezember eine weitere Amnestie, bekannt als die Weihnachts-Amnestie, die bestimmte, dass Personen unterer Einkommensgruppen, die von 1943–45 weniger als 3.600 RM pro Jahr verdient haben und die am 1. Januar 1945 weniger als 20.000 RM an Besitz hatten und Personen, die zu mehr als fünfzig Prozent körperlich behindert sind, nicht angeklagt würden, solange sie nicht in die Kategorien Hauptschuldiger oder Schuldiger fielen. Bis zum 1. Juni 1948 waren 2.373.115 Personen unter die Bestimmungen dieser Amnestien gefallen. Zu diesem Zeitpunkt waren 865.808 Verfahren abgeschlossen worden, was nur noch eine Zahl von 31.707 übrig ließ, die sich noch einem formellen Verfahren stellen mussten. Seit diesem Datum wurden die Verfahren fortgesetzt, doch neue Meldungen, größtenteils Flüchtlinge und heimkehrende Kriegsgefangene, haben es unmöglich gemacht, das Programm abzuschließen. Bis zum 30. September 1950 wurden insgesamt 13.416.000 Personen registriert; 958.071 Verfahren sind abgehalten worden; und 2.777.444 wurden amnestiert, entweder vom Staatsanwalt oder nach dem Verfahren. Es blieben 1.740 Fälle, über die zu entscheiden war.

Das Befreiungsgesetz bestimmte ebenfalls, dass strafbare Handlungen von Nationalsozialisten oder Militaristen auch außerhalb seiner Vorschriften verfolgt werden können. Dies galt besonders für Kriegsverbrechen und Straftaten, die aus der nationalsozialistischen Tyrannei hervorgingen. So beschäftigten sich Alliierte und deutsche Gerichte unabhängig vom Befreiungsgesetz mit mehreren hundert Kriegsverbrechern, von denen viele führende Nazis waren, und bestraften sie. Andere hochrangige Nazis wurden ebenso 1946 vom Internationalen Militärgerichtshof angeklagt sowie von amerikanischen Gerichten, die Todesstrafen und langjährige Freiheitsstrafen über diejenigen verhängten, die schwerwiegender Verbrechen für schuldig befunden wurden.

Unter den verschiedenen Direktiven, die die Länderregierungen erlassen haben, wurde und wird die Festnahme und Strafverfolgung von Personen, die individuell in die Akte der Tyrannei und des Terrors verwickelt waren, welche einen wesentlichen Bestandteil des Naziregimes bildeten, energisch angegangen. Das Ausmaß, in dem die deutschen Gemeinden ihre eigenen Mitglieder wegen der Teilnahme an diesen Taten angezeigt haben, ist ein Indikator für das von der deutschen Bevölkerung erreichte Maß der Entnazifizierung.

Das Befreiungsgesetz hat weitreichende Geltung und behandelt ein Problem, das ohne historischen Präzedenzfall ist. Es wurde von Personen entworfen und ausgeführt, die weder auf Präzedenzfälle noch auf Erfahrungen zurückgreifen konnten, da nie zuvor etwas Derartiges versucht worden war. Die Aufgabe wurde inmitten gärender Emotionen und während einer Phase der Instabilität und allgemeiner Not und Unruhe vollbracht.

Die statistische Tabelle auf der nächsten Seite nennt Zahlen für den Ablauf des Entnazifizierungsprogramms in der amerikanischen Zone von der Verkündung des Befreiungsgesetzes 1946 bis zum 30. September 1950. Seit diesem Datum hat sich nicht viel verändert, sodass die Zahlen mit geringfügiger Anpassung als korrekter Stand vom 31. Dezember 1950 angenommen werden können.

Dies war vielleicht das weitreichendste Rechtsverfahren, das die Welt je erlebt hat. In der U.S. Zone allein waren mehr als 13 Millionen Personen involviert, von denen mehr als dreizweidrittel Millionen für anklagefähig befunden wurden und von diesen wurden wiederum ungefähr 800.000 Personen für ihre Parteimitgliedschaft oder ihre Taten bestraft. All das war natürlich getrennt von der Bestrafung der Kriegsverbrecher, von denen viele hochrangige Nazis waren.

In der Tat sind von denjenigen hochrangigen Nazis, die den Alliierten in die Hände gefallen sind, alle entweder vor Gericht gestellt oder interniert worden. Von den 24 wichtigsten und herausragenden Nazi-Kabinettsministern und Naziführern, die zum „Reichsleiter“, dem höchsten Parteirang ernannt worden waren, wurden sechs exekutiert, sechs verbüßen noch bis zu lebenslängliche Haftstrafen und acht sind gestorben oder haben Selbstmord begangen. Das Schicksal einer Person ist ungewiss und drei sind auf freiem Fuß. Von den 42 Personen, die den zweithöchsten Rang bekleideten, den des „Gauleiters“ oder regionalen Parteioberhauptes, wurden acht exekutiert, zehn begangen Selbstmord oder starben; einer wurde von seinen eigenen Kameraden erschossen; elf sind noch in Haft oder interniert; während das Schicksal von vieren unbekannt ist. Die acht, von denen heute bekannt ist, dass sie sich in Freiheit befinden, haben entweder ihre Haftstrafen verbüßt oder sind flüchtig.

Der Verlauf der Entnazifizierung

in der US-Zone

Registrierte insgesamt

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13.416.101

Nicht anklagefähige Fälle

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9.746.862

Anklagefähige Fälle

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3.669.239

Monatlicher Durchschnitt neuer Meldungen während des Zeitraums

Vom 1. Oktober 1949 bis 30. September 1950

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13.800*

Durch staatsanwaltliche Kategorisierung amnestierte Fälle

2.456.731

Aus anderen Gründen staatsanwaltlich verworfene Fälle

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252.875

Klassifikationen der Gerichte:

Hauptschuldige

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1.698

Schuldige

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22.598

Belastete

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106.995

Mitläufer

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487.996

Entlastete

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18.571

Amnestierte

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320.713

Von den Gerichten noch abzuschließende Fälle

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1.062

Von Berufungsgerichten abzuschließende Fälle

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678

Insassen der Internierungslager

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73

Für öffentliche Ämter dauerhaft unzulässige Personen

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23.616

Einstellungsbeschränkte Personen

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125.510

Personen, deren Besitz konfisziert wurde

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27.587

Verhängte Geldstrafen

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572.993

Zu besonderer Arbeit verurteilt, jedoch nicht inhaftiert

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30.781

*heimkehrende Kriegsgefangene und aus dem Osten Zurückgekehrte.

Es kann nicht geleugnet werden, dass einige Schuldige der Entdeckung und Bestrafung entkommen sind. Es war unmöglich, im Umgang mit einem Regime, dass so lange existierte und so weitreichend in seinen Verzweigungen war wie der Nationalsozialismus, alle diejenigen vor Gericht zu stellen, die der Teilnahme oder Kollaboration an den Untaten des Naziregimes schuldig waren. Aber es wurde eine ernsthafte Anstrengung unternommen, Schuld festzustellen und die Schuldigen zu bestrafen und gleichzeitig sicherzustellen, dass jeder einzelne Angeklagte einen fairen Prozess in Übereinstimmung mit dem Gesetz erhielt.

Am Ende des Jahres 1950 näherte sich der Prozess der Entnazifizierung in der Bundesrepublik seinem formalen Ende. Die deutschen Behörden hatten zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen eingeführt, die die Bestimmungen des Gesetzes dahingehend abänderten, dass nominelle Nazis von dessen Geltungsbereich ausgeschlossen wurden, während das Gesetz in Bezug auf aktive und kriminelle Elemente der Partei seine Gültigkeit behielt. Die einzelnen Länderparlamente berieten über Gesetzesentwürfe zur Beendigung der Entnazifizierungsmaßnahmen in den jeweiligen Ländern. Am 15. Dezember verabschiedete der Bundestag eine Resolution, die die Bundesregierung aufforderte, den Ländern die Annahme einer einheitlichen Gesetzgebung zu empfehlen, die die Auflösung des Entnazifizierungsprogramms regelte. Diese Empfehlung zog nicht die Aufhebung aller Entnazifizierungsentscheidungen in Erwägung, sondern sie schlug in die Länderverfassungen einzubauende Termine vor, die gleichzeitiges Handeln in der Beendigung des Prozesses sicherstellen sollten. Spezifische Kriterien wurden aufgestellt, um das Handeln der Länder zu leiten. Im Allgemeinen beinhalteten diese weitgehende Lockerungen der Beschränkungen, besonders auf die Kategorien III, IV und V bezogen. Die Empfehlung betont jedoch, dass die Strafverfolgung jedes von den Nazis begangenen Verbrechens fortzusetzen ist.

Diese Empfehlungen würden, so sie wirksam werden, die Beendigung praktisch aller Entnazifizierungsmaßnahmen bis zum 1. April 1951 mit sich bringen. Es wurde vorgeschlagen, dass die Bundesregerung und die Länder einen Plan ausarbeiten sollten, der die Nazi-Klassifizierungen III, IV und V bis zum 1. Januar 1951 abschafft; alle Wiedereinstellungsbeschränkungen mit der Ausnahme solcher, die die Kategorien I und II betreffen bis zum 31. März abschafft und alle Besitzbeschränkungen absenkt sowie das Wahlrecht für alle Klassifizierungen zum 1. April wiederherstellt. Insofern scheint es, dass die formale Entnazifizierung in den ersten Monaten des Jahres 1951 beendet sein wird.

Die abschließende Bewertung des Entnazifizierungsprogramms ist eine Aufgabe für den Historiker. Es ist sogar zu früh, um zu entscheiden, ob dessen Durchführung seitens der deutschen Behörden seit es an sie übergeben wurde als Erfolg bezeichnet werden kann oder aber als gescheitert verurteilt werden muss.

Es stimmt, dass bei der Anwendung des Gesetzes einige Schwächen offensichtlich geworden sind. Es wird beispielsweise heute generell eingestanden, dass es klüger gewesen wäre, die bestrafenden Aspekte des Programms schneller und effektiver auf die tatsächlichen Aktivisten anzuwenden und die breite Masse der unbedeutenderen Nazis nachsichtiger zu behandeln. Tatsächlich wurde bald erkannt, dass die Bandbreite der Verfahren zu ausgedehnt war. Das natürliche Verlangen der Deutschen bestand darin, das Stigma von den Unschuldigen sowie den nominellen Ex-Nazis so schnell wie möglich zu entfernen. Dies verzögerte notwendigerweise die Verfahren der schwerer Beschuldigten, während die Gerichte sich gleichzeitig in einer Masse unbedeutender Fälle festfuhren. Angesichts dieser Erkenntnis wurden Anstrengungen unternommen, um die Bearbeitung der geringfügigen Fälle zu beschleunigen. Die 1946 erlassenen Amnestien halfen dabei. Ein „Schnellverfahren“, das 1948 eingeführt wurde, um die vielen Fälle der als Mitläufer klassifizierten Personen abzuarbeiten, erlaubte es dem Staatsanwalt, auf der Grundlage schriftlicher Beweise zu entscheiden, ob der Angeklagte ein Mitläufer war oder nicht und falls dem so war, eine Geldstrafe anzusetzen und den Angeklagten ohne öffentliches Verfahren davon zu benachrichtigen. War der Angeklagte damit nicht zufriedengestellt, konnte er gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Dies machte es möglich, die geringeren Fälle schneller abzuhandeln, mit dem Ziel, den aufwendigeren und schwierigeren Fällen der Hauptschuldigen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Trotz dieser Maßnahmen wurde das Verfahren vieler hochrangiger Nazis so lange verzögert, dass sie von der unvermeidbaren Veränderung der Befindlichkeit unter der Bevölkerung profitierten. Es stimmt tatsächlich, dass zu dem Zeitpunkt, als die schwerwiegenderen Fälle zur Verhandlung kamen, die Deutschen der ganzen Sache zu müde waren, als dass es sie noch interessierte, ob ihnen Gerechtigkeit geschah oder nicht.

Ein weiterer Punkt, an dem sich Kritiker oft aufhalten, ist die angebliche Tendenz der Entnazifizierungsgerichte „große Nazis“ zu entlasten, während sie einigen kleineren Verbrechern strenge Strafen oder Ausschlüsse auferlegten. Zweifelsohne gab es einige Fälle solcher Diskriminierung. Diese Kritik repräsentiert jedoch nur einen Teil der Wahrheit.

Der erwähnte „große Nazi“ war in manchen Fällen ein einflussreicher Mann, vermutlich ein überzeugter Nazi, der der Partei große Spenden gab und seine Angestellten zum Parteieintritt drängte. Er könnte jedoch ein gütiger Arbeitgeber gewesen sein und jemand, der niemals einen anderen verfolgte. Als er nun vor seinesgleichen und seinen Nachbarn stand, die zum Gericht gehörten, hatten diese Leute keine Beschwerden gegen ihn. Sie beurteilten ihn nicht nach seinen ideologischen Überzeugungen, sondern nach seinem alltäglichen Handeln, das aus ihrer Sicht für ihn sprach. Der „kleine Nazi“ auf der anderen Seite, der ein Schuster, ein Postbote oder ein kleiner Vorarbeiter gewesen sein mag und der schwere Strafen erhielt und oft von den Kritikern angeführt wird, kann ein fanatischer Nazi gewesen sein. Er könnte seine Nachbarn bei der Gestapo denunziert haben, zu den „Gangstern“ der Gemeinde gehört , die Verhaftung seiner Nachbarn, ihre Internierung in Konzentrationslagern oder die Zerstörung ihres Besitzes verursacht haben. Wenn ein solcher „kleiner Nazi“ vor einem Gericht stand, dass sich aus seinen Nachbarn zusammensetzte, wurde ihm eine schwerere Strafe zuteil. Es war von diesen Bauern, Handwerkern und alltäglichen Leuten zu viel erwartet, zu schlussfolgern, dass ohne den gütigen „großen Nazi“ mit seinen großen Parteispenden die Gangster und die Gestapo nicht hatten gedeihen können.

Die heutige Kritik an dem Gesetz basiert jedoch auf dem rückblickenden Wissen. Jedenfalls muss dieser Nachteil des Gesetzes, wenn es ein solcher war, den Vorteilen gegenübergestellt werden, die daraus entstanden sind, dass es die lokale Bevölkerung überall in der Zone dazu gezwungen hat, aktiv zu überprüfen, was während der Nazizeit geschehen ist.

Kritiker des Entnazifizierungsprogramms weisen ebenfalls auf die Präsenz ehemaliger Nazis in wichtigen Positionen und im öffentlichen Leben allgemein hin. Es stimmt, dass es viele ehemalige Nazis in öffentlichen Ämtern gibt. Viele sind Lehrer, Postboten, Polizisten. Einige wenige bekleiden höhere Ämter, sogar in den Regierungen der Länder und des Bundes. Viele Geschäftsmänner in wichtigen Positionen waren einmal Mitglieder der Nazi-Partei. Millionen ehemaliger Nazis sind wiedereingestellt, die meisten von ihnen in ihren früheren Berufen. Dies sind jedoch, mit wenigen Ausnahmen, Personen, die von den Entnazifizierungsgerichten als lediglich nominelle Parteimitglieder eingestuft wurden, die nicht persönlich in die kriminellen Machenschaften der Partei verwickelt waren oder Personen, deren Verwicklung in solche Machenschaften auf dem Rechtsweg abgebüßt wurde.

Wenn entlastete Nazis mit aktiver Vergangenheit bei der Entlastung zu gut davongekommen zu sein schienen und wieder in verantwortlichen Berufen eingesetzt waren, wurden Maßnahmen ergriffen. Ein solcher Fall war derjenige der wiedereingesetzten Lehrer in Württemberg-Baden (US-Zone), die während des Naziregimes hohe Positionen innegehabt hatten. Als die Situation dieses Jahr bekannt wurde, hielten US-Beamte den Bildungsminister dazu an, sie noch einmal zu überprüfen und Entlassungen einzuleiten, wo die Tatsachen es rechtfertigten. Im Laufe des November unterstrich der US-Hochkommissar den amerikanischen Standpunkt, indem er vor den Ministerpräsidenten der US-Zone erklärte, dass es enthusiastischen Propagandisten der Nazidoktrin nicht erlaubt werden dürfe, die junge Generation des demokratischen Deutschland zu unterrichten. Obwohl alle ehemaligen Nazifunktionäre, die als Lehrer wiedereingestellt wurden, vom Ministerpräsidenten Württemberg-Badens begnadigt worden waren, drängte der Hochkommissar im letzten Jahresviertel weiter auf ihre Amtsenthebung. Es bleibt außerdem das Vorrecht der Alliierten Hohen Kommission, in Fällen der Einsetzung in hohe Ämter von Personen, die gefährlich für die alliierten Ziele in Deutschland sind, zu intervenieren.

Tatsächlich war es eine der grundlegenden Absichten des Entnazifizierungsgesetzes, so bald wie möglich die Wiedereingliederung der großen Masse nomineller und kleiner Nazis in die deutsche Gesellschaft zu ermöglichen. Es wäre undenkbar und unvertretbar gewesen, zu versuchen, fast 8 Millionen ehemalige Mitglieder der Nazi Partei selbst – zusammen mit ihren Angehörigen vermutlich etwa 30 Millionen Menschen – aus der Gemeinschaft auszugrenzen oder sie als Ausgestoßene zu belassen. Mit sehr wenigen Ausnahmen wurden die ehemaligen Nazis, die jetzt Positionen von irgendwelcher Bedeutung innehaben, „entnazifiziert“. Mit anderen Worten, sie wurden durch Rechtsverfahren dafür qualifiziert, ihre jetzigen Ämter zu bekleiden. Dass es besser wäre, wenn gewisse Individuen dem öffentlichen Leben fern blieben, kann nicht bestritten werden. Viele Deutsche würden sie lieber nicht in den Positionen sehen, die sie jetzt innehaben. Teile der demokratischen deutschen Presse haben sich unmissverständlich gegen bestimmte Ernennungen in öffentlichen Ämtern ausgesprochen. Sobald solche Personen jedoch rechtmäßig ernannt worden sind und ohne rechtliche Grundlage für ihre Entfernung, kann und sollte generell nichts getan werden als auf das demokratische System zu vertrauen, das in Deutschland geschaffen worden ist, um sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Keine Demokratie ist perfekt; einer neuen mögen vielleicht mehr als ihre normale Zahl an Problemen erlaubt sein. Sich von außen in sie einzumischen wird in vielen Fällen mehr Schaden anrichten als Gutes tun. In allen Fällen muss die Intervention bedächtig abgewogen werden, da sie der offensichtlichen Gefahr gegenübersteht, das System im Vertrauen der Menschen, denen es dient zu untergraben.

Es gab Beispiele für die Rückkehr ehemaliger Nazis in ihre Ämter, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde. Aber das Gegenteil ist ebenso wahr, wie durch den Fall eines ehemaligen Beamten eines Bundesministeriums illustriert wird. Die Nazivergangenheit dieses Beamten wurde öffentlich gemacht und in Einzelheiten in einem Pamphlet aufgedeckt, das vom Deutschen Gewerkschaftsbund verbreitet wurde, in dem es um die Rückkehr von Ex-Nazis in ihre Ämter ging. Der Beamte trat von seinem Posten zurück, um eine einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung dieses Pamphlets zu erwirken, sein Ersuchen wurde jedoch vom Gericht abgelehnt. In diesem Fall zwang die deutsche Meinung einen ehemaligen Nazi aus dem Amt, eine Handlung, die weitaus heilsamer ist, als der Verweis solcher Personen durch das Beharren der Besatzungsbehörden. Letztlich wird der Nazismus nur dann aus Deutschland fernbleiben, wenn das deutsche Volk ihn ablehnt und auch weiterhin untersagt, wenn die Besatzungsmächte fort sind.

Die alliierte Politik in dieser Phase besteht darin, Vertrauen in die Bundesrepublik Deutschland zu setzen. Die Bundesregierung hat bereits vermehrte Vollmachten angenommen und wird in Kürze mit weiteren Vorrechten ausgestattet werden. Deutschland soll schließlich in eine volle und gleichberechtigte Partnerschaft mit den Nationen der demokratischen Gemeinschaft aufgenommen werden. Es muss erwartet werden, dass diejenigen Leitfiguren, die mit dieser neuen Verantwortung und Macht beauftragt sind, sie für konstruktive und friedliche Ziele einsetzen. Ihnen wird auch die Verantwortung anvertraut werden, sicherzustellen, dass die bösartigen Elemente der Nazi-Ära nicht wieder hervortreten und diese Vollmachten zum Schaden Deutschlands und Europas ausüben.

Das gesamte Problem der Entnazifizierung, so wie es jetzt, am Vorabend der Wiederaufnahme Deutschlands des Status einer freien Nation steht, kann einfach ausgedrückt werden. De Besatzungsmächte haben die wesentliche chirurgische Operation durchgeführt, um das Böse des Naziregimes aus dem deutschen Körper zu entfernen. Nun muss der Patient seine eigenen Heilungskräfte ins Spiel bringen.

Das Büro des US-Hochkommissars führt jedoch ein weitreichendes Programm aus, das tatsächlich eine Ausweitung der Entnazifizierungspolitik in einem positiven Bereich ist. Dies ist das Programm, das den Deutschen hilft, eine beständige Demokratie aufzubauen. In diesem Zusammenhang sollten die Schwierigkeiten, denen ehemalige deutsche Entnazifizierungsbeamte bei der Arbeitssuche begegnen, zur Kenntnis genommen werden. Es ist eine Situation, die zweifellos der Korrektur durch eine verantwortungsbewusste und aufgeklärte öffentliche Meinung bedarf.

Der Erfolg oder Misserfolg dieser Anstrengungen liegt schließlich bei den Deutschen selbst. Die Genesung eines Volkes muss von innen heraus kommen. Es gibt heute in Deutschland Männer und Frauen von wirklicher Größe, Fähigkeit und Mut, die ihre Kräfte dieser Aufgabe widmen. Solche Leute gibt es innerhalb und außerhalb der Regierung, in allen Gesellschaftsschichten. Es gibt eine freie und demokratische Presse. Es gibt sich erweiternde Kontakte mit der freien Welt außerhalb. Es gibt eine sich vertiefende Überzeugung unter den Deutschen überall, dass die Interessen Deutschlands nicht durch ein Wiederaufleben eines engstirnigen und chauvinistischen Nationalismus am besten vertreten werden, sondern durch Deutschlands enge Verbindung mit einer freien und integrierten europäischen Gemeinschaft.

Quelle: John J. McCloy, „Present Status of Denazification“, in Office of the U.S. High Commissioner for Germany, 5th Quarterly Report on Germany. October 1–December 31, 1950, S. 46–55.

Übersetzung: Insa Kummer