Kurzbeschreibung

Ein Journalist berichtet über die überwiegend positive Reaktion auf den vom Bund installierten „Exzellenzwettbewerb“, der versuchte, das universitäre Leistungsniveau durch die Bereitstellung von wettbewerbsfördernder Unterstützung für innovative Studienprogramme, vielversprechende Forschungscluster und führende Institutionen zu heben.

Ein Journalist diskutiert die Ergebnisse des „Exzellenzwettbewerbs“ unter Universitäten (19. Oktober 2006)

  • Christian Schwägerl

Quelle

Exzellenzwettbewerb

Die neue Forschungslandschaft

Proteinwissenschaftler aus München, Stammzellfachleute aus Dresden und Integrationsforscher aus Konstanz haben derzeit eines gemeinsam: Ungetrübt vom Machtkampf zwischen Politik und Wissenschaft jubeln sie, weil sie in der Endrunde des „Exzellenzwettbewerbs“ gewonnen haben. Doch gemessen an den Summen, die in anderen Staaten derzeit in die Wissenschaft geschaufelt werden, ist der Wettbewerb ein Tropfen auf den heißen Stein.

Rund 380 Millionen Euro jährlich stellen Bund und Länder für die prämierten Graduiertenschulen, Cluster und Zukunftsstrategien bereit. Beinahe so viel erhalten in den kommenden Jahren in Kalifornien, dessen Bevölkerung nur halb so groß ist wie die deutsche, dort allein die Stammzellforscher zusätzlich überwiesen. Die Stanford-Universität will mit Hilfe von Spenden ihr Budget um umgerechnet 3,4 Milliarden Euro vergrößern - gut die Hälfte des Geldes konnte in kürzester Zeit mobilisiert werden.

Oft beklagte Trennmauer ist vielerorts gefallen

Die Vergleichszahlen kann man aber auch positiv wenden: Mit vergleichsweise geringen Mitteln haben die Wissenschaftsminister und die Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Wissenschaftsrats eine gewaltige Wirkung erzielt und die Forschungslandschaft erneuert. Der Wettbewerb hat schon zum Ende der ersten Runde die überlebenswichtige Suche von Hochschulen nach ihren Stärken und ihrer Identität deutlich beschleunigt. Von einer bundesweit gleichen Qualität redet niemand mehr. Diese Lebenslüge scheint endgültig entsorgt zu sein.

Vielleicht am wichtigsten: Die oft beklagte Trennmauer zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung ist vielerorts gefallen. Kooperationsprojekte dieser Art gefielen den internationalen Gutachtern besonders gut. Am radikalsten geht der Gesamtsieger Karlsruhe vor, wo das Helmholtz-Energieforschungszentrum und die Technische Hochschule in Anlehnung an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einer Holding zum „KIT“ fusionieren.

2007: noch mehr Bewerber um noch mehr Geld

Auch der Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ hat die Zusammenarbeit zwischen der Christian-Albrechts-Universität und den örtlichen Leibniz-Instituten für Meeresforschung und Weltwirtschaft über die hinderlichen Institutionengrenzen hinweg beflügelt. Machen diese Vorbilder Schule, wird sich der Akademikeralltag an Universitäten bald zum Guten ändern. Wenn zahlreiche regionale oder thematische „Holdings“ entstehen, öffnen sich für sie die Türen der Elfenbeintürme viel weiter als bisher. Über die Vorstände der „Holdings“ bekämen die chronisch klammen Hochschulen einen ungekannten Einfluß auf die Fließrichtung aller staatlichen Forschungsmittel.

Der Wettbewerb, so sagt Forschungsministerin Schavan unisono mit DFG-Präsident Winnacker, wird in der zweiten Runde noch viel schärfer werden als in der ersten. 2007 geht es um 1,1 Milliarden Euro, und die Zahl der Bewerber wird größer sein, weil alle diesjährigen Verlierer sich zu den neuen Bewerbern gesellen können. Nachdem, von Berlin bis Bayern, in vielen Bundesländern die Hochschulausgaben gekürzt wurden, zeigen sich die Universitäten doppelt motiviert, etwas vom Preisgeld abzubekommen.

Wettbewerb macht neue Stärken sichtbar

Mancher sieht hinter dem Vorgehen der Politik, mit einer Hand zu nehmen und mit der anderen zu geben, Verlogenheit am Werk. Doch schon die nun prämierten Projekte lassen erahnen, daß manche Zukunftsidee und manches fächerübergreifende Projekt ohne den Wettbewerb nicht entstanden wäre. Daß sich an der Humboldt-Universität Mediziner, Psychologen, Philosophen, Mathematiker, Biologen, Linguisten und Rechtswissenschaftler zur „School of Mind and Brain“ zusammenfinden, um die Breitenwirkung der Hirnforschung zu untersuchen, wird weit jenseits der Drittmittelrankings Früchte tragen.

Zudem macht der Wettbewerb neue Stärken sichtbar. Dresden etwa ist auf einem guten Weg, sich zum deutschen Zentrum der Stammzellforschung und der Regenerativen Medizin zu mausern. Nachdem es dort schon ein DFG-Forschungszentrum für Stammzellforschung gibt, einen thematisch verwandten DFG-Sonderforschungsbereich und ein Max-Planck-Institut mit aktiver Stammzellforschung, kommen nun eine Graduiertenschule für „Biomedizin und Bioingenieurwesen“ sowie das Exzellenzcluster „Von Zellen über Gewebe zu Therapien“ hinzu.

Falscheste und gefährlichste Folgerung befördert

Besondere Aufmerksamkeit hat Dresden auch verdient, weil es der einzige Sieger aus Ostdeutschland ist. Die wichtigsten forschungspolitischen Schlachten werden in den kommenden Jahren dort sowie in den Nordstaaten geschlagen, wo zusammen nur 14 Prozent der Exzellenzmittel aus der ersten Runde landen: Mancher Finanzminister wartet nur auf Rechtfertigungen dafür, seine Wissenschaftsausgaben zu reduzieren, die maroden Haushalte sanieren zu können.

Daß „nicht exzellent“ zweitklassig heißt und Zweitklassiges kein Geld verdient, ist die falscheste und gefährlichste Folgerung, die der Wettbewerb aber indirekt befördert. Wenn es den Wissenschaftsvertretern nicht gelingt, den Haushältern zu erklären, daß es ohne Berge keine Gipfel gibt und der Aufstieg möglich ist, könnte es um die Zukunft des Nordens und Ostens schlimm bestellt sein. Vielleicht ist der Ärger, mit dem der Kieler Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Austermann auf die Ergebnisse reagiert hat, nicht nur Ausdruck von Provinzegoismen, sondern eine Ahnung von den Gefahren, die das Exzellenzmarketing birgt.

Wirkt das Geld eher demotivierend als motivierend?

An diesem Dienstag abend war in einer Berliner Diskussionsrunde bereits die Warnung vor einer „neuen Unterschicht“ von Universitäten zu hören. Forschungsministerin Schavan wies das zwar als blanken Unsinn zurück, sie muß aber noch darlegen, wie Bund und Länder den Schwächeren helfen, ihre Aufstiegchancen zu nützen. Diese Frage stellt sich besonders für die Fortsetzung des Exzellenzwettbewerbs über das Jahr 2011 hinaus. Fließt das Geld der nächsten zwanzig Jahre nach München und Karlsruhe, könnte der Wettbewerb in der Gesamtwirkung mehr demotivieren als motivieren.

Vorerst überwiegen die Vorteile: Besonders erfreulich für den Akademikeralltag ist das Instrument der Vollkosten nach angelsächsischem Vorbild, das nun endlich Einzug hält. Erfolgreiche Wissenschaftler, die effizient Drittmittel einwerben, hatten bisher das Problem, daß sie sich ihre Kosten für Personal, Verwaltung und Geräte von ihrer Hochschule besorgen mußten – und sich dabei oftmals unbeliebt machten, da sie anderen die Ressourcen wegnahmen. Im Exzellenzwettbewerb gibt es einen automatischen Vollkostenzuschlag von zwanzig Prozent – Schavan will dies auf die gesamte Forschungsförderung ausdehnen.

Quelle: Christian Schwägerl, „Exzellenzwettbewerb. Die neue Forschungslandschaft“, FAZ.NET, 19. Oktober 2006. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.