Kurzbeschreibung

Nach Jahren des politischen Konflikts gelingt es der rot-grünen Regierung, eine Reform zu verabschieden, die gut qualifizierten Migranten die Zuwanderung ermöglicht, in einzelnen humanitären Fällen die Einreise ermöglicht und Kindern von Migranten gestattet, sich ihrer Familie anzuschließen, während sich gleichzeitig der Integrationsdruck erhöht und die Abschiebung von Straftätern erleichtert wird. Das Gesetz tritt nun zum 1. Januar 2005 in Kraft.

Zusammenfassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (Pressemitteilung, 2004)

Quelle

Zuwanderungsgesetz, ZuWG

1. Neue Strukturen

• Reduzierung der Zahl der Aufenthaltstitel auf zwei. Statt der Aufenthaltsbefugnis, der Aufenthaltsbewilligung, der befristeten und der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und der Aufenthaltsberechtigung sind nur noch zwei Aufenthaltstitel vorgesehen: eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis und eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Das neue Aufenthaltsrecht orientiert sich nicht mehr an Aufenthaltstiteln, sondern an den Aufenthaltszwecken (Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familiennachzug, Humanitäre Gründe).

• Zuordnung wichtiger Aufgaben zum neuen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das aus dem bisherigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hervorgehen wird:

– Entwicklung und Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler;

– Führung des Ausländerzentralregisters;

– Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr;

– Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung);

– Koordinierung der Information über die Arbeitsmigration zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und den deutschen Auslandsvertretungen.

2. Arbeitsmigration

• Für Hochqualifizierte wird die Gewährung eines Daueraufenthalts von Anfang an vorgesehen, sie können sofort eine Niederlassungserlaubnis (§ 19 AufenthG) erhalten. Mit- oder nachziehende Familienangehörige sind zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 29 AufenthG).

• Förderung der Ansiedlung Selbständiger. Selbständige erhalten im Regelfall eine Aufenthaltserlaubnis bei einer Investition von mindestens 1 Mio. Euro und der Schaffung von mindestens 10 Arbeitsplätzen (§ 21 AufenthG). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, erfolgt eine Einzelprüfung zum Bestehen eines übergeordneten wirtschaftlichen oder besonderen regionalen Interesses, zu den Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie zur Sicherung der Finanzierung.

• Möglichkeit für Studenten nach erfolgreichem Studienabschluss zur Arbeitsplatzsuche für bis zu einem Jahr in Deutschland zu bleiben (§ 16 Abs. 4 AufenthG).

• Bisheriges doppeltes Genehmigungsverfahren (Arbeit/Aufenthalt) wird durch ein internes Zustimmungsverfahren ersetzt. Die Arbeitsgenehmigung wird in einem Akt mit der Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde erteilt, sofern die Arbeitsverwaltung intern zugestimmt hat; § 39 Abs. 1 AufenthaltG (one-stop-government).

• Beibehaltung des Anwerbestopps für Nicht- und Geringqualifizierte mit Ausnahmemöglichkeit für einzelne Berufsgruppen durch Verordnung.

• Beibehaltung des Anwerbestopps auch für Qualifizierte mit Ausnahmemöglichkeit für verschiedene Berufsgruppen durch Verordnung. Darüber hinaus kann die Zulassung im begründeten Einzelfall erfolgen, wenn öffentliches Interesse an Beschäftigung besteht (§ 18 Abs. 4 AufenthG).

• Für Staatsangehörige der Beitrittsstaaten Zugang zum Arbeitsmarkt bei qualifizierten Beschäftigungen ohne Beschränkung auf Berufsgruppen (unter Beachtung des Vorrangprinzips, also nur soweit kein Deutscher oder Gleichberechtigte zur Verfügung stehen); Vorrang gegenüber Angehörigen aus Drittstaaten (§ 39 Abs. 6 AufenthG).

• Punkteverfahren gestrichen.

3. Humanitäre Zuwanderung

• Gewährung des Flüchtlingsstatus (GFK-Flüchtling) auch bei nichtstaatlicher Verfolgung in Anlehnung an die EU Qualifikationsrichtlinie (§ 60 Abs. 1 AufenthG)

• Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung erfolgt nach der Formel (§ 60 Abs. 1 AufenthG):

„Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn eine Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.“

• Statusverbesserung für subsidiär Geschützte, allerdings nicht für Personen die Menschenrechtsverletzungen oder ähnliche schwere Straftaten begangen haben (Versagungsgründe aus der EU Qualifikationsrichtlinie) und darüber hinaus, wenn wiederholt oder gröblich Mitwirkungspflichten verletzt werden (§ 25 Abs. 3 AufenthG).

• Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungshindernissen zur Vermeidung von Kettenduldungen, wenn die Ausreisepflicht nicht innerhalb von 18 Monaten vollzogen werden konnte (§ 25 Abs. 5 AufenthG). Kein Aufenthaltstitel, wenn ein Verschulden des Ausländers vorliegt (z.B. Identitätsverschleierung).

• Die Duldung wird als Instrument der „Feinsteuerung“ beibehalten (§ 60a AufenthG).

• Härtefallregelung unter Ausschluss subjektiver Rechte. Die oberste Landesbehörde darf auf Ersuchen einer von der Landesregierung eingerichteten Härtefallkommission anordnen, dass einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer abweichend von den sonstigen Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Einrichtung einer Härtefallkommission liegt im Ermessen der Länder (§ 23a AufenthG).

4. Kindernachzug

• Festhalten an der geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung der Familiennachzugsrichtlinie: Nachzugsanspruch bis 18. Lebensjahr bei Kindern von Asylberechtigten, GFK-Flüchtlingen sowie Einreise im Familienverbund, Beherrschung der deutschen Sprache oder „positiver Integrationsprognose“ – maßgebliche Altersgrenze im Übrigen: 16 Jahre, sowie restriktive Ermessensregelung, bei der aber Kindeswohl und familiäre Situation zu berücksichtigen sind (§ 32 AufenthG).

5. Integration

• Einführung des Anspruchsmodells für Neuzuwanderer, die sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten (§ 44 AufenthG).

• Aufenthaltsrechtliche Sanktionierung nicht ordnungsgemäßer Kursteilnahme bei Neuzuwanderern: Berücksichtigung der Verletzung der Teilnahmepflicht bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (§ 8 Abs. 3 AufenthG).

• Verpflichtung für Bestandausländer im Rahmen verfügbarer Kursplätze (§ 44a AufenthG) – bei Bezug von Arbeitslosengeld II und bei besonders Integrationsbedürftigen.

• Bei Verletzung dieser Teilnahmepflicht Leistungskürzungen für die Dauer der Nichtteilnahme als sozialrechtliche Sanktion (§ 44a Abs. 3 AufenthG).

• Integrationskurse für Unionsbürger im Rahmen verfügbarer Kursplätze (§ 11 Abs. 1 FreizügG/EU).

• Bund trägt Kosten der Integrationskurse (§ 43 Abs. 3 AufenthG).

• Die Kosten der Integrationskurse für Neuzuwanderer (einschließlich Aussiedler) sind mit ca. 188 Mio. Euro jährlich zu veranschlagen.

• Für die Kursteilnahme von jährlich etwa 50.000 bis 60.000 bereits in Deutschland lebenden Ausländern belaufen sich die Kosten auf ca. 76 Mio. Euro.

• Eigenbeiträge der Kursteilnehmer sind gestaffelt nach finanzieller Leistungsfähigkeit vorgesehen.

• Länder tragen Kosten der sozialpädagogischen Betreuung und der Kinderbetreuung.

• Ab 1. Januar 2005 ist die Integrationskursverordnung in Kraft.

6. Sicherheitsaspekte

• Einführung einer Abschiebungsanordnung (§ 58a AufenthG), die von den obersten Landesbehörden und bei besonderem Bundesinteresse durch den Bund aufgrund einer „tatsachengestützten Gefahrenprognose“ erlassen werden kann. Rechtsschutz nur in einer Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Falls der Vollzug der Abschiebung an Abschiebungshindernissen scheitert (Folter, Todesstrafe), sollen Meldeauflagen, Einschränkungen der Freizügigkeit und strafbewehrte Kommunikationsverbote erhöhte Sicherheit bringen (§ 54a AufenthG).

• Neuer zwingender Ausweisungsgrund bei Schleusern im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt ist (§ 53 Nr. 3 AufenthG).

• Regelausweisung wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass ein Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; zeitlich zurückliegende Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen sind relevant, soweit sie noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (§ 54 Nr. 5 AufenthG).

• Einführung einer Regelausweisung von Leitern verbotener Vereine (§ 54 Nr. 7 AufenthG).

• Einführung einer Ermessensausweisung für „geistige Brandstifter“ (Beispiel: „Hetzer“ in Moscheen) → § 55 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG.

• Einführung einer Regelanfrage über verfassungsfeindliche Erkenntnisse vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 73 Abs. 2 AufentG) als zeitlich unbefristetem Aufenthaltstitel und vor der Entscheidung über eine Einbürgerung.

7. Unionsbürger

• Zur Verwirklichung der Freizügigkeit in der Europäischen Union wird die Aufenthaltserlaubnis für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger abgeschafft. Zukünftig besteht nur noch – wie für Deutsche – eine Meldepflicht bei den Meldebehörden. Unionsbürger erhalten eine Bescheinigung über ihr Aufenthaltsrechts (§ 5 FreizügG/EU).

8. Europäische Harmonisierung

• Die EU-Richtlinien zur Gewährung von vorübergehenden Schutz und zur Anerkennung von Rückführungsentscheidungen anderer Mitgliedsstaaten und die Richtlinie zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens werden umgesetzt.

9. Asylverfahren

• Die aufenthaltsrechtliche Stellung von Inhabern des sog. „kleinen Asyls“ wird der von Asylberechtigten angeglichen (§ 25 AufenthG). Beide Gruppen erhalten zunächst einen befristeten Aufenthaltstitel, der nach drei Jahren zu einer Verfestigung führen kann, wenn die Voraussetzungen weiterhin bestehen. Inhaber des sog. „kleinen Asyls“ erhalten – wie bislang nur die Asylberechtigten – ungehinderten Arbeitsmarktzugang.

• Vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an Asylberechtigte und Inhaber des sog. „kleinen Asyls“ wird überprüft, ob sich die Verhältnisse im Herkunftsland geändert haben (§ 26 Abs. 3 AufenthG).

• Die Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider und das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten werden abgeschafft. Dies führt zur Beschleunigung der Verfahren und zu einer Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis.

• Antragsteller, die zwar bei den Grenzbehörden oder bei Ausländerbehörden ein Asylgesuch stellen, danach aber untertauchen und keinen förmlichen Asylantrag stellen und damit den Beginn ihres Asylverfahrens verzögern, werden künftig in das Asylfolgeverfahren verwiesen (§ 23 Abs. 2 AsylVfG).

• Sog. „kleines Asyl“ ist künftig regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Ausländer ohne Verfolgungshintergrund aus seinem Herkunftsland ausreist und erst durch selbst geschaffene (subjektive) Nachfluchtgründe eine Verfolgung im Herkunftsland auslöst (§ 28 Abs. 2 AsylVfG).

• Für unerlaubt eingereiste Ausländer, die keinen Asylantrag stellen und unmittelbar nach der Feststellung der unerlaubten Einreise nicht in Abschiebungshaft genommen und aus der Haft abgeschoben oder zurückgeschoben werden können, werden vor der Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Länder verteilt (§ 15a AufenthG).

10. Spätaussiedler

• Einführung des Nachweises von Sprachkenntnissen bei Familienangehörigen von Spätaussiedlern als Voraussetzung für die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid (Grundkenntnisse), § 9 Abs. 1 BVFG.

• Ab 1. Januar 2005 ist die Integrationskursverordnung in Kraft.

11. Inkrafttreten und Zeitplan

• Nach dem parteiübergreifenden Beschluss des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 2004 und der am 9. Juli 2004 erfolgten Zustimmung durch den Bundesrat ist das Zuwanderungsgesetz am 30. Juli 2004 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 5. August 2004 im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 1950) verkündet worden.

• Bereits am Tag nach der Verkündung werden die Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen in Kraft treten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Regelungen zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes, zur Ausgestaltung und Durchführung der Integrationskurse sowie zur Aufnahme von Beschäftigungen im Rahmen des gesetzlichen Anwerbestopps. Die Bundesregierung wird nun umgehend die erforderlichen Verordnungsentwürfe ausgestalten und in das Verfahren geben, das für einige Verordnungen die Zustimmung des Bundesrates vorsieht, um sicherzustellen, dass die Verordnungen am 1. Januar 2005 zum Vollzug des Zuwanderungsgesetz rechtzeitig anwendbar sind.

• Weitere Teile des Zuwanderungsgesetzes treten am 1. September 2004 in Kraft. Dies betrifft insbesondere Aufgabenzuweisungen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Integrationsbereich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird künftig vor allem in diesem Bereich als Kompetenzzentrum fungieren. Hier werden die erforderlichen Umstellungsmaßnahmen nun zügig anlaufen.

• Darüber hinaus entfallen ab dem 1. September 2004 die Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Asylverfahren sowie das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten. Dies führt zur Beschleunigung der Verfahren und zu einer Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis.

• Die Hauptinhalte des Zuwanderungsgesetzes, und damit insbesondere die Regelungen auf deren Basis ausländerrechtliche Entscheidungen getroffen werden, werden zum 1. Januar 2005 in Kraft treten.

Quelle: „Zuwanderungsgesetz, ZuWG“ (Pressemitteilung, 2004) www.aufenthaltstitel.de/stichwort/zuwg.html.