Kurzbeschreibung

Ein konservativer Anwalt fordert, das Asylrecht müsse den tatsächlich Verfolgten vorbehalten bleiben und dürfe nicht als Hintertür für Immigration aus wirtschaftlichen Gründen missbraucht werden. Er argumentiert, dem Asylmissbrauch könne durch verschiedene Verfahrens- und Verwaltungsänderungen Einhalt geboten werden, die keiner Verfassungsänderung bedürften. Der Zugang zum Asylverfahren müsse erschwert werden und „beachtliche“ (d.h. legitime) Asylanträge von „unbeachtlichen“ (illegitimen) auf schnellem Weg unterschieden werden.

Vorschläge zur Zügelung des Asylrechtsmissbrauchs (10. April 1989)

  • Helmut Riepl

Quelle

Arbeitssuchende sind nicht asylberechtigt

Wie der Mißbrauch eingedämmt werden kann

Die Zahl der Asylbewerber betrug im Jahr 1988 etwa 103 000; die Tendenz für das Jahr 1989 deutet eine Verdoppelung an. Die meisten Asylanträge – etwa 90 Prozent – bleiben erfolglos. Deshalb hat die Bundesregierung beschlossen, neben anderen Staatsangehörigen nun auch für die Jugoslawen eine Einreisevisumpflicht einzuführen. Man hofft, auf diese Weise den Asylmißbrauch einzudämmen. Dieser wird mit der Zahl der erfolglosen Asylanträge begründet. Andere – hauptsächlich aus dem Kreise der Hilfsorganisationen – wollen einen Asylmißbrauch überhaupt nicht wahrnehmen, weil die „Inanspruchnahme eines Grundrechts niemals Mißbrauch sein könne“. Die Wahrheit über den Asylmißbrauch liegt in der Mitte der gegensätzlichen Auffassungen.

So dürfen erfolglose Asylbewerber aus Armuts-, Bürgerkriegs- oder Krisenregionen hoffen, die Bundesrepublik Deutschland aus Gründen des Schutzes der Menschenwürde (Artikel 1 des Grundgesetzes) nicht sofort wieder verlassen zu müssen. Ihre Anwesenheit ist zu dulden. Das ist oftmals Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, das zwar die Asylberechtigung verneint, ausländerrechtliche Sanktionen jedoch nicht zuläßt. Auch ein solches Ergebnis kann noch als Erfolg eines Asylverfahrens aufgefaßt werden. Oft geht es auch um Ausländer, deren Asylantrag nicht von Anfang an aus tatsächlicher oder rechtlicher Sicht ganz ohne Erfolgsaussichten war. Auch hier kann nicht unbedingt behauptet werden, das Asylrecht des Grundgesetzes werde mißbraucht. Asylmißbrauch liegt aber vor, wenn dem Asylantrag offensichtlich keine Gefährdung in der Heimat zugrunde liegt und mit seiner Hilfe nur das allgemeine Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland unterlaufen werden soll.

So gesehen, gibt es heute tatsächlich einen massenhaften Asylmißbrauch. Mehr als die Hälfte der Asylantragsteller kommen aus Jugoslawien (Anerkennungsquote 1988 0,2 Prozent) und aus Polen (Anerkennungsquote 1988 2,6 Prozent). Dieser Personenkreis beantragt politisches Asyl nahezu ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Man erhält so ein vorläufiges Bleiberecht, das angesichts der Verhältnisse im Heimatland verlockend ist. Sowohl für Jugoslawen wie für Polen kommen nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags in aller Regel Duldungen nicht oder nicht mehr in Frage.

Bei allen Mißbräuchen im öffentlichen wie im privaten Recht sind Vorteile nicht nachhaltig zu erzielen, wenn sich der Betroffene zur Wehr setzt. Anders ist es beim Asylmißbrauch. Selbst der mißbräuchlich gestellte Asylantrag führt zu einem vorläufigen Bleiberecht. Auch diese Asylbewerber müssen während des Anerkennungsverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß untergebracht, verpflegt, bekleidet und ärztlich versorgt werden. Die jährlichen Kosten für alle Asylbewerber werden derzeit mit etwa 3 Milliarden Mark angegeben. Ein nicht unerheblicher Prozentsatz von abgelehnten Asylbewerbern taucht in den Großstädten unter und lebt dort relativ unbehelligt. Der finanzielle und gesellschaftliche Schaden des Asylmißbrauchs ist eminent.

Die Vorschläge, Abhilfe zu schaffen, laufen immer wieder auf Beschleunigung der Asylverfahren beim Bundesamt und bei den Verwaltungsgerichten hinaus. Ohne erhebliche Personalverstärkungen geht das nicht. Auch daß abgelehnte Asylbewerber nicht konsequent abgeschoben würden, wird immer wieder kritisiert. Zunehmend erhebt sich die Forderung, das Asylgrundrecht mit einem Gesetzesvorbehalt zu versehen oder es völlig abzuschaffen und dafür nur noch eine sogenannte „institutionelle Garantie“ einzuführen, die eine gerichtliche Überprüfung nicht mehr zuließe. Eine Verbesserung verspricht man sich auch von einer Rechtsvereinheitlichung innerhalb der EG, ohne daß genau gesagt würde, wie diese herbeigeführt werden könnte. Es darf nicht übersehen werden, daß die für eine Änderung des Asylgrundrechtes erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat in naher Zukunft nicht erreichbar sind.

Der Öffentlichkeit bleibt verborgen, daß der Asylmißbrauch Gründe hat, die nicht zwingend aus dem Grundrecht selbst hervorgehen. Hier könnte einfach-gesetzlich, also ohne Verfassungsänderung, vieles erreicht werden. Das zeigt schon die jüngere Geschichte des Asylverfahrens. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluß vom 25. Februar 1981 einen Weg aufgezeigt, wie man im Asylverfahren Quantität durch Qualität ersetzen könnte, was den wirklich Verfolgten zugute käme. Zu einer Verfassungsbeschwerde hat das Gericht ausgeführt: „Da es der humanitären Zielsetzung des Asylrechts entspricht, dem Asylbewerber möglichst schnell Klarheit über seine Asylberechtigung zu verschaffen, wäre es grundsätzlich mit Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes vereinbar, für bestimmte Fallgruppen eindeutig aussichtsloser Asylanträge durch Gesetz die Zuständigkeit zur Prüfung und zur Entscheidung den Ausländerbehörden zu übertragen und diese zu ermächtigen, bei der Ablehnung eines derartigen Asylbegehrens sogleich aufenthaltsbeendende Anordnungen zu erlassen“.

Diesen Weg hat der Bundestag mit dem Asylverfahrensgesetz nicht beschritten, obwohl es vom Bundesrat gefordert wurde. Der Gesetzgeber ist auf diese Möglichkeit auch nicht mehr zurückgekommen. So existiert heute die „Einbahnstraße“ zum Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für jeden „Asylantrag“, selbst für den, der rechtsmißbräuchlich gestellt wurde. Das schafft über das vorläufige Bleiberecht die bekannten Probleme.

Der Asylantrag ist, weil nur das Bundesamt den ihm zugrunde liegenden Sachverhalt beurteilen und bewerten darf, zu einem Zauberwort geworden. Das Zauberwort „Asyl“ öffnet den Schlagbaum an der Grenze, selbst wenn der Ausländer die Bedeutung seines Begehrens nicht erfaßt. Der Antrag ist an die Ausländerbehörde weiterzuleiten. Die beengte Prüfungsmöglichkeit der Ausländerbehörde, ob ein Asylantrag vorliegt, bringt für die Praxis wenig, da „unsubstantiiertes Vorbringen“ und „unschlüssiges Vorbringen“ ineinander übergehen. Die Möglichkeit, offensichtlich mißbräuchliche Anträge nicht weiterzuleiten, entfällt nach geltendem Recht nicht zweifelsfrei. Auch ein pauschal geäußerter Wille, Schutz vor politischer Verfolgung zu suchen, wird als Asylantrag bewertet.

Der Mißbrauch des Asylrechts ist nur einzudämmen, wenn der Zugang zum Asylverfahren erschwert wird. Anzustreben ist demnach eine gesetzliche Trennung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Asylanträgen, auch bei erstmaliger Stellung des Antrags. Ist er unbeachtlich, sollte das in die ausschließliche Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörden fallen. Dabei ist unter einem unbeachtlichen Asylantrag der Antrag zu verstehen, bei dem offensichtlich ist, daß er unter keinem Gesichtspunkt zur Asylgewährung führen kann. Beim offensichtlich unschlüssigen Asylantrag trägt das eigene Vorbringen des Ausländers, als wahr unterstellt, den geltend gemachten Asylanspruch offensichtlich nicht. Der offensichtlich unbegründete Asylantrag ist zwar schlüssig, bei ihm trifft aber die asylrelevante Behauptung des Ausländers offensichtlich nicht zu; die behauptete politische Verfolgung im Heimatland ist offensichtlich nicht zu erwarten.

Die Entscheidung der Ausländerbehörde über den unbeachtlichen Asylantrag sollte Vorfrage im Zusammenhang mit der Verfügung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sein. Dabei wäre zu beachten, daß auch ein beachtlicher Asylantrag sich im Verfahren des Bundesamts nach dessen fundierten Kenntnissen über das Heimatland und angesichts der besonderen Erfahrung bei der Bewertung von Asylvorbringen als offensichtlich unbegründet erweisen kann. Bei der anzustrebenden Kompetenzerweiterung für die Ausländerbehörden soll es also nur um die Vorschaltung eines „Offensichtlichkeitsfilters“ gehen.

Die Ausländerbehörde entscheidet abschließend, wenn ohne weitere Ermittlungen der voraussichtliche Mißerfolg eines Asylantrags zweifelsfrei feststeht. Gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme der Ausländerbehörde gibt es in jedem Fall den normalen gerichtlichen Rechtsschutz. Hält das Gericht den Asylantrag (auch im Eilverfahren) für beachtlich, ist dieser unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten. Auch die aus der Menschenwürde unmittelbar herleitbaren Hindernisse für eine Abschiebung finden Berücksichtigung. Ein solches gerichtliches Eilverfahren wäre in maximal zwei Monaten, vom Erlaß der aufenthaltsbeendenden Maßnahme an gerechnet, zu beenden. Dies kann das schwerfälligere Verfahren über das Bundesamt, auch wenn dort der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, nicht leisten. Gerade eine solche Verfahrensbeschleunigung würde der Abschreckung vor Asylmißbrauch dienen. Daß dieser Weg vom Bundesverfassungsgericht gewiesen wurde, müßte die politische Diskussion erleichtern.

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Falls jetzt nicht die anrollende Lawine der mißbräuchlichen Bewerber um Asyl wirksam gebremst wird, steht Schlimmes bevor. So sieht der Augsburger Bischof Stimpfle eine Völkerwanderung auf die Europäische Gemeinschaft zukommen, „wie sie die Welt noch nicht erlebt hat“. Bei einem Gottesdienst sagte er, in den nächsten 30 Jahren seien etwa 120 Millionen Araber, Afrikaner und Asiaten in den Wirtschafts- und Kulturraum der Europäischen Gemeinschaft einzugliedern. Schon heute bewege sich eine „Woge von verzweifelten Arbeitssuchenden“ aus der Dritten Welt auf die wohlhabenden Länder zu.

Quelle: Helmut Riepl, „Arbeitssuchende sind nicht asylberechtigt“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. April 1989.