Quelle
Nur das Kapital vermag die gewaltige Dampfmaschine zu beschaffen und zu betreiben, um welche herum sich der übrige Theil der Anlage, allerdings auch Kapital beanspruchend, aber nicht davon untrennbar, herumgruppirt. […] Der kleine Weber […] würde dem Ueberdruck des Kapitals entzogen sein, wenn wir ihm das auf seinen Webstuhl entfallende Maass elementarer Betriebskraft geben könnten. Aehnliches könnte mit Erfolg wohl auf dem Gebiete der Spinnerei versucht werden, obwohl diese schon weit mehr als die Weberei der Maschine gegenüber unterlegen ist. […] Andere Gebiete […] sind die Schreinerei, die Schlosserei, die Gürtlerei, die Klempnerei, die Bürstenbinderei, die Pumpenmacherei u.s.w. Was diesen Gewerben fehlt, ist theils die Kraft, theils die Arbeitsmaschine. Aber die letztere würde der einzelne Handwerker sich auch jetzt schon beschaffen können, da sie zu wirklich billigem Preise zu erhalten ist; ihm fehlt nur immer die Betriebskraft. Der Schreiner, dem man für eine Kreissäge, eine Bandsäge, eine Holzhobelmaschine, eine Zinkenfräse die Betriebskraft billig lieferte, würde mit diesen Maschinen in seinem Heim eben so gut arbeiten können, als er es jetzt in der Möbelfabrik thut, die ihn an sich gezogen hat. Er würde dabei, indem er seine Maschinengruppe aufs mannigfaltigste zu verwerthen hätte, seine Geschicklichkeit erhalten oder wiedergewinnen, welche ihm als Fabrikarbeiter abhanden kommt. Aehnlich würde sich der Vorgang bei den anderen erwähnten Gewerben gestalten. Was also das Maschinenwesen zu thun hat, um einem wesentlichen Theile des Uebels zu begegnen, ist, billige kleinere Betriebskräfte, oder mit anderen Worten: kleine, mit geringen Kosten betreibbare Kraftmaschinen zu beschaffen. Geben wir dem Kleinmeister Elementarkraft zu ebenso billigem Preise, wie dem Kapital die grosse mächtige Dampfmaschine zu Gebote steht, und wir erhalten diese wichtige Gesellschaftsklasse, wir stärken sie, wo sie glücklicherweise noch besteht, wir bringen sie wieder auf, wo sie bereits im Verschwinden ist. […]
Das Gefühl, dass die Kleintheilung der Elementarkraft etwas Angemessen sei, macht sich an verschiedenen Stellen und in mehreren Formen geltend. Die eine ist die der Kraftvermiethung, welche in grossen Städten mit Erfolg versucht worden ist. Sie hat indessen das Gefolge der Anhäufung der Arbeiter in einem Gebäude, der freiwilligen Einpferchung der Familien- und der Werkleute in ungesunde Räume, und bringt deshalb alte Uebel in neuer Form. Jedenfalls steht sie weit zurück hinter dem Verfahren, den Kleingewerken kleine einzelne Kraftmaschinen darzubieten. Es lassen sich bereits mehrere vorzügliche Muster dieser Gattung aufzählen. Vor allem die Gaskraftmaschinen, dann die Heissluftmaschinen, die kleinen Wassersäulenmaschinen und, im Stadium eines vielversprechenden Versuches, die Petroleumgasmaschinen. […] Sie sind deshalb zu den wichtigsten aller neueren Maschinen zu rechnen; in ihnen liegen Keime zu einer völligen Umgestaltung eines Theiles der Industrie.
[…] Die Luft- und Gasmaschinen sind fast überall zu verwenden und befinden sich ausserdem auf dem Wege stetiger Vervollkommnung. Diese kleinen Motoren sind die wahren Kraftmaschinen des Volkes. […]
Quelle: F. Reuleaux, Theoretische Kinematik. Grundzüge einer Theorie des Maschinenwesens. Braunschweig, 1875, S. 525–29; abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hrsg., Deutsche Sozialgeschichte 1870–1914. Dokumente und Skizzen. München: C.H. Beck, 1982, S. 126–27.