Quelle
Während Johanns Lehrzeit ging allerdings eine Wandlung vor. Bis dahin war der Bau wirklich ein Gesamtwerk der Handwerker gewesen. Der Architekt kam eben erst auf, bisher hatte der Maurermeister oder der Zimmermeister das Ganze geleitet und sich mit dem Bauherrn verständigt. Jetzt erschien immer öfter der akademisch gebildete Architekt, der ein feiner Herr war und zum Handwerker Distanz hielt. Die neue Zeit kündigte sich auch darin an, daß die Fenster und Türen nicht mehr von Bautischlern in der Werkstatt mit Hilfe einiger Gehilfen angefertigt wurden, sie wurden vielmehr von einer großen Tischlerei mit Maschinenbetrieb bezogen, einer Fabrik, in der kreuz und quer Transmissionen liefen, auf deren Hof ein Sägewerk kreischend von den Stämmen die Furnierblätter abschälte, wo aus Auspuffrohren knallend der Dampf entwich, und die nicht mehr dem Handwerk, sondern schon ganz der Industrie angehörte. Auch die Stuckornamente wurden nicht mehr mit der Hand angetragen, die Gesimse nicht mehr freihändig gezogen. Die Formen wurden in Steinpappe gepreßt, kamen aus der Fabrik fertig auf den Bau und wurden vom Stukkateur mit Schrauben an der Decke und an der Wand befestigt. Die Muster waren in Lagern vorrätig und wurden vom Architekten nach Proben ausgesucht. Die Arbeit wurde allerenden unpersönlicher. Dadurch wurde zwar die Arbeitsfolge nicht grundsätzlich gestört, doch trat an die Stelle des Organischen etwas Automatisches. An die Stelle der lebendigen Überlieferung trat die Organisation, und so wurde die Arbeitsweise mechanisiert. Wo früher der Tischler den Gartenzaun aus selbstgehobelten Stäben gefügt hatte, da wurden nun gußeiserne Geländer angefahren. Der Handwerker hatte nichts zu tun, als die Teile zu montieren.
Quelle: Karl Scheffler, Der junge Tobias. Eine Jugend und ihre Umwelt (1927), neue durchgesehene und erweiterte Aufl. Wiesbaden, 1946, S. 190–91; abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hrsg., Deutsche Sozialgeschichte 1870–1914. Dokumente und Skizzen. München: C.H. Beck, 1982, S. 127.