Quelle
Hurra, Germania!
Hurra, du stolzes, schönes Weib,
Hurra, Germania!
Wie
kühn mit vorgebeugtem Leib,
Am Rheine stehst du da!
Im
vollen Brand der Juliglut,
Wie ziehst du risch dein
Schwert!
Wie trittst du zornig frohgemut,
Zum Schutz vor
deinen Herd!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra, Germania!
Du dachtest nicht an Kampf und Streit:
In Fried’ und
Freud’ und Ruh’,
Auf deinen Feldern, weit und breit,
Die
Ernte schnittest du,
Bei Sichelklang im Ährenkranz,
Die
Garben fuhrst du ein:
Da plötzlich, horch, ein andrer
Tanz!
Das Kriegshorn überm Rhein!
Hurra, hurra,
hurra!
Hurra, Germania!
Da warfst die Sichel du ins Korn,
Den Ährenkranz
dazu;
Da fuhrst du auf in hellem Zorn,
Tief atmend auf
im Nu;
Schlugst jauchzend in die Hände dann:
Willst
du’s, so mag es sein!
Auf, meine Kinder, alle Mann!
Zum
Rhein! zum Rhein! zum Rhein!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra,
Germania!
Da rauscht das Haff, da rauscht der Belt,
Da rauscht das
deutsche Meer;
Da rückt die Oder dreist ins Feld,
Die
Elbe greift zur Wehr.
Neckar und Weser stürmen an,
Sogar
die Flut des Mains!
Vergessen ist der alte Span:
Das
deutsche Volk ist eins!
Hurra, hurra, hurra!
Hurra,
Germania!
Schwaben und Preußen Hand in Hand;
Der Nord, der Süd ein
Heer!
Was ist des Deutschen Vaterland –
Wir fragen’s
heut nicht mehr!
Ein Geist, ein Arm, ein einz’ger
Leib,
Ein Wille sind wir heut!
Hurra, Germania, stolzes
Weib!
Hurra, du große Zeit!
Hurra, hurra,
hurra!
Hurra, Germania!
Mag kommen nun, was kommen mag:
Fest steht
Germania!
Dies ist All-Deutschlands Ehrentag:
Nun weh
dir, Gallia!
Weh, daß ein Räuber dir das Schwert,
Frech
in die Hand gedrückt!
Fluch ihm! Und nun für Heim und
Herd,
Das deutsche Schwert gezückt!
Hurra, hurra,
hurra!
Hurra, Germania!
Für Heim und Herd, für Weib und Kind,
Für jedes teure
Gut,
Dem wir bestellt zu Hütern sind,
Vor fremdem
Frevelmut!
Für deutsches Recht, für deutsches Wort,
Für
deutsche Sitt’ und Art –
Für jeden heil’gen deutschen
Hort,
Hurra! zur Kriegesfahrt!
Hurra, hurra,
hurra!
Hurra, Germania!
Auf, Deutschland, auf, und Gott mit dir!
Ins Feld! der
Würfel klirrt!
Wohl schnürt’s die Brust uns, denken
wir,
Des Bluts, das fließen wird!
Dennoch das Auge kühn
empor!
Denn siegen wirst du ja:
Groß, herrlich, frei,
wie nie zuvor!
Hurra, Germania!
Hurra,
Viktoria!
Hurra, Germania!
Quelle: Ferdinand Freiligrath, „Hurra, Germania!“ (25. Juli 1870), in Freiligraths Werke, herausgegeben von Paul Zaunert, neubearbeitet und erweitert Aufl., 2 Bde. Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1912, Bd. 2, S. 146–48.