Kurzbeschreibung

Angesichts der Zunahme von langfristiger Arbeitslosigkeit bei deutschen Arbeitern griff die konservative(re) Koalition von Christdemokraten und Liberalen zu weiteren Einschränkungen in der Einwanderungspolitik. Gefordert wurde die Integration der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer, aber es wurden auch neue Maßnahmen vorgeschlagen, um weitere Einwanderer fernzuhalten.

Die restriktive Einwanderungspolitik der Kohl-Regierung (6. Mai 1983)

  • Michael Bechtel
  • Birgit Mentzel-Buchner

Quelle

Die Situation der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 1983

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In seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 hat Bundeskanzler Helmut Kohl bekräftigt, daß die Ausländerpolitik seiner Regierung von den drei Leitlinien – Integration, Zuzugsbegrenzung, Förderung der Rückkehrbereitschaft – bestimmt wird. Der Bundeskanzler appellierte darüber hinaus an Deutsche wie an Ausländer, sich um noch mehr gegenseitiges Verständnis und noch mehr Toleranz zu bemühen.

Aus der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983:

„Für unsere Ausländerpolitik gelten die Grundsätze, die ich vor einigen Monaten, am 13. Oktober 1982, dargelegt habe:

– die Integration der seit langem bei uns lebenden ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien,
– die Begrenzung des weiteren Zuzugs und
– die Förderung der Rückkehrbereitschaft.

Die von mir angekündigte Kommission hat ihre Arbeitsergebnisse vorgelegt. Notwendige Entscheidungen werden nach eingehender Diskussion mit allen interessierten Kreisen getroffen. Die Bundesregierung wird dann den Entwurf eines neuen Ausländergesetzes vorlegen.

In der Bundesrepublik Deutschland leben jetzt über 4,6 Millionen Ausländer. Wir wissen, daß wir ihnen viel zu verdanken haben.

Aber man muß dann auch sagen, daß wir nicht bereit sind hinzunehmen, daß Ausländer ihre politischen Auseinandersetzungen mit kriminellen Mitteln auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland austragen. Wir werden sorgfältig untersuchen, ob politischer Extremismus und Kriminalität von Ausländern dadurch wirksamer bekämpft werden können, daß die Ausweisungsmöglichkeiten erweitert werden.

Um Verfolgten und Flüchtlingen aus aller Welt gemäß der freiheitlichen Tradition unseres Grundgesetzes Schutz bieten zu können, wird die Bundesregierung alles tun, um den Mißbrauch des Asylrechts zu verhindern.

Das Zusammenleben mit so vielen ausländischen Mitbürgern ist nicht ohne Probleme. Ich appelliere an uns alle, an die Deutschen und an die Ausländer, sich um noch mehr gegenseitiges Verständnis und noch mehr Toleranz zu bemühen“.

In ihrem geplanten Entwurf für ein neues Ausländergesetz will sich die Bundesregierung auf Empfehlungen der Kommission „Ausländerpolitik“ stützen, die Bundeskanzler Helmut Kohl nach seiner ersten Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 eingesetzt hat. Diese Kommission aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden sollte prüfen, „wie unter Wahrung der freiheitlichen Grundordnung die gesellschaftspolitischen Probleme abgebaut werden können, die durch und für die große Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer entstehen“.

Die Kommission „Ausländerpolitik“

Die Kommission, die zu Einzelpunkten teilweise unterschiedliche Empfehlungen abgab, legte ihren Bericht am 24. Februar 1983 vor. Er soll

– die regelungsbedürftigen Bereiche darstellen,
– Lösungsmöglichkeiten und, soweit erforderlich, Entscheidungsalternativen aufzeigen und
– durch Empfehlungen die auf politischer Ebene zu treffenden Entscheidungen vorbereiten.

Wichtigste und von allen Mitgliedern der Kommission mitgetragene Empfehlung: eine grundlegende Neufassung des Ausländergesetzes. Die wesentlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt und für den Nachzug von Ausländern sollen unmittelbar im Gesetz selbst geregelt werden – und nicht mehr wie bisher in Verwaltungsvorschriften. Damit sollen eine bundeseinheitliche Praxis sichergestellt und Rechtsunsicherheit abgebaut werden. Darüber hinaus wurden Änderungen bei den Ausweisungstatbeständen und bei der politischen Betätigung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen.

Grundsätzliche Einigung wurde unter anderem in folgenden Bereichen erzielt:

• Ziele der Ausländerpolitik bleiben

– die Integration der auf Dauer hier lebenden Ausländer,
– die Begrenzung des Ausländerzuzugs, insbesondere die uneingeschränkte Aufrechterhaltung des Anwerbestopps unabhängig von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung,
– Förderung der Rückkehrbereitschaft und, soweit möglich, Erhaltung der Rückkehrfähigkeit, aber grundsätzlich keine erzwungene Rückkehr.

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• Um den illegalen Aufenthalt und die illegale Beschäftigung zu unterbinden, sollen zusätzliche Kontrollmaßnahmen ergriffen werden. Weitere Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Einreise und, soweit es erforderlich wird, die Ausdehnung der allgemeinen Sichtvermerkspflicht auf weitere Staaten sollen geprüft beziehungsweise ergriffen werden.

• Die Aufenthaltserlaubnispflicht soll – vorbehaltlich der kontroversen Auffassungen zur Regelung des Kindernachzugs – auf Kinder unter sechzehn Jahren ausgedehnt werden. Es soll eine gesetzliche Pflicht zur Zurückbegleitung minderjähriger Kinder, die sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, begründet werden.

• Eine Aufenthaltserlaubnis soll nur verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt gesichert, eine ordnungsgemäße, nicht unzureichende Wohnung vorhanden ist und keine erheblichen Verstöße gegen die deutsche Rechtsordnung vorliegen.

• Gegen den Ausländer-Extremismus sollen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, wie zum Beispiel Verbot politischer Betätigung im Einzelfall, Reisebeschränkungen, Aufenthaltsbeendigung.

Keine Einigung gab es unter anderem in folgenden Bereichen:

• Regelung des Kindernachzugs zu Ausländern aus Nicht-EG-Staaten.

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• Ehegattennachzug zu Ausländern der zweiten Generation und der folgenden Generationen aus Nicht-EG-Staaten.

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• Abhängigkeit der Aufenthaltsverfestigung von Integrationsleistungen der Ausländer sowie Nachweis einer ordnungsgemäßen und nicht unzureichenden Wohnung bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und beim Familiennachzug.

• Erleichterung der Einbürgerung sowie Sanktionen, wenn die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung nicht in Anspruch genommen wird.

• Dauer der Versagung der Arbeitserlaubnis für Asylbewerber.
Ein Teil der Kommission will die Wartezeit für die Erteilung der Arbeitserlaubnis auf die gesamte Dauer des Anerkennungsverfahrens ausdehnen.

• Einräumung einer Wiederkehr-Option für Ausländer, die keine Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

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Quelle: „Die Situation der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 1983“, in: Michael Bechtel und Birgit Mentzel-Buchner, Ausländer. Themen für Lokaljournalisten. Bonn, 1983, S. 36 ff. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.