Kurzbeschreibung

In die Regierungszeit Maria Theresias fiel der Erlass von Verwaltungsvorschriften, welche die Bedingungen der Bauern in den Ländern der österreichischen Monarchie verbesserten. Diese Anordnungen begrenzten die Feudalrenten, welche adlige Grundherren rechtmäßig von ihren Dorfuntertanen verlangen konnten. Sie untersagten zudem weitere Einhegungen von Bauerngrundstücken durch die Gutsbesitzer in ihre grundherrschaftlichen Domänen. Das vorliegende Patent, erlassen zu Beginn der unabhängigen Herrschaft Josephs II., versuchte die Verhältnisse der bäuerlichen Untertanen zu verbessern, indem die Verfahren systematisiert wurden, mit denen die von Adelsherren unterhaltenen Herrschaftsgerichte als niedere Gerichtsbarkeit über die Dorfuntertanen Recht sprachen. Wenngleich seine Bestimmungen nach heutigem Maßstab streng erscheinen, war die Intention wohlwollend gegenüber den Landgemeinden. Jedenfalls hatten die adligen Grundherren wenig Interesse daran, langwierige oder schwächende Strafen aufzuerlegen, die ihre Untertanen untauglich zur Erfüllung ihrer Arbeitspflichten gemacht hätten. Dennoch waren Missbräuche der Patrimonialgerichtsbarkeit weit verbreitet.

Das „Strafpatent“ Kaiser Josephs II. über die Patrimonialgerichtsbarkeit (1. September 1781)

Quelle

Um auf einer Seite die Erreich- und Erhaltung des gemeinen Wohls, und des Ruhestandes nöthige Abhängigkeit und schuldige Folgeleistung der Unterthanen gegen ihre rechtmässigen Obrigkeiten handzuhaben, auf der andern Seite aber auch die Unterthanen gegen alle Mißbräuche der obrigkeitlichen Gewalt zu schützen, wird verordnet:

§. 1. Jeder Unterthan soll den landesfürstlichen Befehlen sowohl, als den Anordnungen der Grundobrigkeit und ihren Beamten gehorchen und unterwürfig sein.

§. 2. Sollte dem Unterthan der Auftrag uns billig scheinen: so steht ihm nicht zu, sein eigener Richter zu sein, sondern bei Bekränkung sich nach der oberen Ordnung beschweren, und inzwischen alle Aufträge um so gewisser vollziehen, als ihm, wenn seine hierüber zu führende Beschwerde gegründet zu sein erkannt würde; eine hinlängliche Entschädigung und Genugthuung von der Grundobrigkeit, oder ihren Beamten verschaffet werden soll.

§. 3. Jener, der nicht Folge leistet, ist nach der Bestimmung der Obrigkeit zu bestrafen, es wäre dann, daß die Strafe bereits von höchsten Orten oder der Landesstelle wider ihn verhängt worden wäre.

§. 4. Jene Unterthanen, welche sich als Aufwiegler betragen, und mehrere Unterthanen, oder ganze Gemeinden aufhetzen, oder iene, deren Ungehorsam noch mit gewaltthätiger Widersetzung, Störung der allgemeinen Ruhe, oder Vergreifung an den obrigkeitlichen Beamten begleitet sein sollte, find sogleich handfest zu machen, und dem nächsten Halsgerichte, nebst einem schriftlichen Aufsatze ihres Verbrechens zur peinlichen Aburtheilung zu übergeben.

§. 5. Ehe ein Unterthan bestraft wird, ist ihm von der Grundobrigkeit oder ihrem Beamten sein Vergehen beim Amte in Beisein des Richters oder zweener Nachbarn vorzuhalten, und dessen Entschuldigung gelassen anzuhören. Ist seine Entschuldigung ungegründet, oder wird er ungeachtet seines Läugnens entweder durch die Sache selbst oder durch Zeigen des Faktums überwiesen: so ist von der Obrigkeit eine dem Vergehen angemessene Strafe zu bestimmen.

§. 6. Jede Obrigkeit ist verbunden, ein eigenes Verhör- und Strafprotokoll zu halten, worein alsogleich, und in Gegenwart des Richters, oder der oberwähnten Mitnachbarn das eigentliche Vergehen des Unterthans, mit der Bemerkung, ob er dessen geständig, oder durch die Sache selbst, oder aber durch Zeigen überwiesen worden sei, dann auch die auferlegte Strafe, samt dem Tag der Verhandlung getreulich einzutragen, ihm sonach das Protokoll selbst vorzulesen, und von den zum Verhör beigezogenen Männern mitzufertigen ist.

§. 7. Ist dem Unterthan — wenn er sich wegen der Strafe beschweren will — eine Abschrift des Strafsprotokolls unentgeltlich zu ertheilen; doch kann die Obrigkeit mit der Vollziehung der Strafe sogleich vorgehn.

§. 8. Die Strafen, weiche die Obrigkeiten oder Beamten ausmessen können, sind

a. Ein anständiger, und der Gesundheit nicht nachtheiliger Arrest, allenfalls bei Wasser und Brode,

b. Die Strafarbeit,

c. Die Verschärfung des Arrestes und Strafarbeit mit Anlegung der Fußeisen, dann

d. Die Abstiftung von Haus und Hofe.

Bei Verhängung derselben ist auf das hohe und gar niedere Alter, und überhaupt auf die Leibesbeschaffenheit des Schuldigen zu sehen; die schärferen Strafen sind nur gegen jene anzuwenden, wo lindere nicht gewirkt haben; die Verhängung des Arrestes und der Strafarbeiten ist zur Zeit der dringenden Feldarbeiten bis nach deren Vollbringung zu verschieben.

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§. 9. Wollte eine Obrigkeit ihren Unterthan über 8 Tage mit Arrest, oder Strafarbeit, oder mit der Abstiftung von Haus und Hofe bestrafen: so soll selbe zuvor die kreisämtliche Genehmhaltung einzuholen verbunden sein.

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§. 10. Die Obrigkeit hat das Strafprotokoll dem Kreisamte einzusenden, das es, wenn die Ursachen gegründet sind, binnen 8 Tagen längstens bestättiget, oder widrigens zuvor untersuchet.

§. 11. Für den Arrest hat der Unterthan kein Sitzgebühr zu bezahlen, kann auch nicht an Geld oder Geldswerth bestraft werden. Bei verursachtem Schaden aber muß solcher zuvor durch Schätzmänner untersucht, und dann die billige Entschädigung bestimmt werden.

§. 12. Dagegen werden auch die Obrigkeiten und Beamten angewiesen, den Unterthanen nichts ungebührliches zuzumuthen. Dieienigen, die dessen überführt werden, sind von dem Kreisamte zu bestrafen. Die hierüber gemachten Strafsprotokolle sind den Länderstellen alle Vierteliahre einzusenden.

Quelle: Joseph Kropatschek, Hg., Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph II. für die k.k. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer sistematischen Verbindung: enthält die Verordnungen und Gesetze vom Jahre 1780 bis 1784. Erster Band. Wien: Moesle, 1785, S. 48-53.