Quelle
Was zu verkaufen
Wir, Wilhelm der IX., von Gottes Gnaden Landgraf von und zu Hessen, Ordensmeister der Tapferkeits- und goldenen Löwenorden, Besitzer der Bergfestungen Spangenberg und Babenhausen, Erbauer einer neuen Bastille, Oberaufseher über die Pantalons und Hüte aller Katten, weitberühmter Schweinshändler (»The swinish Multitude.« Burke.) etc. etc. entbieten hiemit allen unsern Handelsfreunden und resp. Gönnern unsern Gruß und machen denselben bekannt, was maßen wir ein vollständiges und ausgesuchtes Assortiment von 12 000 Stück Menschenvieh erhalten haben; ergeht daher an alle, die dieser Ware bedürftig, die Bitte, uns gefälligst mit ihrem Zuspruche zu beehren. Wir haben darauf gesehen, nur lauter bildschöne, junge Leute, wie Milch und Blut, zusammenzutreiben, und hoffen, mit ihnen alle Nebenbuhler auszustechen und bei unsern Abnehmern die größte Ehre einzulegen. Sie sind vortrefflich dressiert, können hauen, schießen, stechen, rechts- und linksum machen und noch mehr dergleichen Künste. Ein zwölfjähriges Abrichten mit Stock und Prügel hat es endlich dahin gebracht, daß sie sich für ihren Herrn tot schießen lassen, ohne nur dabei zu mucksen oder eine Miene zu verziehen. Da wir die gegründeteste Hoffnung haben, daß bei der bevorstehenden Teilung des Deutschen Reiches einige benachbarte Landstriche, von denen unsre Revierjäger versichern, daß noch das schönste Wildbret dort herumschwärme, uns zufallen, so glauben wir – da wir nach dieser Akquisition keine Mühe scheuen werden, dasselbe einzufangen –, unsern Korrespondenten die Versicherung geben zu können, daß das Ausgehen dieser Ware so bald nicht zu befürchten steht. Wir werden uns jedoch nicht mit dem Handel en detail abgeben, sondern sie nur tonnenweis, und zwar die Tonne von 100 Stück zu 40 lb. Sterling ablassen; ein Preis, den man jetzt bei der großen Seltenheit der Ware nach dem Türken- und Franzosenkrieg gar nicht hoch finden wird. Doch bitte man, auf jede Tonne für Emballage 6 Groschen beizulegen. Dafür werden aber auch alle Verschimmelte zurückgenommen. Wir benutzen zugleich diese Gelegenheit, um beiläufig anzufragen, ob unsern Gönnern nicht mit Weibern gedient sei, die wir gern um ein Spottgeld ablassen würden, weil wir noch ganze Magazine voll davon im Vorrate haben. Sie könnten unseres Ermessens hohen Potentaten gar vortrefflich dazu dienen, bei etwanigem entstehenden Kriege die Gräben einer belagerten Stadt damit auszufüllen, doch überlassen wir das alles ihrem selbsteigenen Ermessen, erbitten uns aber alle Briefe postfrei.
Wir bleiben euch übrigens in Gnaden gewogen.
Gegeben zu Kassel, am 15ten Mai 1798
Quelle: Joseph Görres, „Was zu verkaufen“, Jakobinerschriften. Salzburg, 1953, S. 27–8; abgedruckt in Jost Hermand, Hrsg., Von deutscher Republik 177–-1795. Texte radikaler Demokraten. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1968, S. 56–57.