Kurzbeschreibung

Montgelas stellte die Proklamierung dieser Verfassung (die hinsichtlich einiger Klauseln diejenige des Königreichs Westfalen widerspiegelt) sicher, um einer engeren Eingliederung Bayerns in die von Frankreich beherrschten Strukturen des besetzten Deutschland zuvorzukommen. Aber er verfolgte zugleich andere wichtige Ziele. Die Verfassung sollte zur institutionellen Integration des bayerischen Territorialstaates (der kürzlich vergrößert worden war und dadurch auch sozial und kulturell vielfältiger wurde) beitragen und die Ausführung von Montgelas’ gemäßigt liberalem Reformprogramm erleichtern, gegen das die Krone und andere konservative Kräfte wirksamen Widerstand organisierten. Die Repräsentativorgane der Verfassung glichen die vom König ernannten Notabeln mit Angehörigen der gebildeten und besitzenden Klassen aus, die von den wohlhabendsten Steuerzahlern in ihren Reihen ausgewählt wurden. Diese Verfassung wich einer liberaleren Konstitution, die 1818 verkündet wurde.

„Konstitution des Königreichs Bayern”, erlassen von König Maximilian I., mitunterzeichnet von den Ministern Montgelas, Hompesch und Morawitzky (25. Mai 1808)

  • später König Max Joseph I. Max IV Joseph (Kurfürst)

Quelle



Von der Ueberzeugung geleitet, daß der Staat, so lange er ein bloßes Aggregat verschiedenartiger Bestandtheile bleibt, weder zur Erreichung der vollen Gesamtkraft, die in seinen Mitteln liegt, gelangen, noch den einzelnen Gliedern desselben alle Vortheile der bürgerlichen Vereinigung, in dem Maaße, wie es diese bezwecket, gewähren kann, haben Wir bereits durch mehrere Verordnungen die Verschiedenheit der Verwaltungsformen in Unserm Reiche, so weit es vor der Hand möglich war, zu heben, für die direkten Auflagen sowohl, als für die indirekten ein gleichförmigeres Sistem zu gründen, und die wichtigsten öffentlichen Anstalten dem Gemeinsamen ihrer Bestimmung durch Einrichtungen, die zugleich ihre besondern sichern, entsprechender zu machen gesucht. Ferner haben Wir, um Unsern gesamten Staaten den Vortheil angemessener gleicher bürgerlicher und peinlicher Geseze zu verschaffen, auch die hiezu nöthigen Vorarbeiten angeordnet, die zum Theil schon wirklich vollendet sind. Da aber diese einzelnen Ausbildungen besonderer Theile der Staats-Einrichtung nur unvollkommen zum Zwecke führen, und Lücken zurück lassen, deren Ausfüllung ein wesentliches Bedürfniß der nothwendigen Einheit des Ganzen ist; so haben Wir beschlossen, sämtlichen Bestandtheilen der Gesezgebung und Verwaltung Unsers Reichs, mit Rücksicht auf die äussern und innern Verhältnisse desselben, durch organische Geseze einen vollständigen Zusammenhang zu geben, und hiezu den Grund durch gegenwärtige Konstitutions-Urkunde zu legen, die zur Absicht hat, durch entsprechende Anordnungen und Bestimmungen den gerechten, im allgemeinen Staatszwecke gegründeten Foderungen des Staats an seine einzelnen Glieder, so wie der einzelnen Glieder an den Staat, die Gewährleistung ihrer Erfüllung, dem Ganzen feste Haltung und Verbindung, und jedem Theile der Staatsgewalt die ihm angemessene Wirkungskraft nach den Bedürfnissen des Gesamt-Wohls zu verschaffen.

Wir bestimmen und verordnen demnach, wie folgt:

Erster Titel. Hauptbestimmungen..

§ I. Das Königreich Baiern bildet einen Theil der rheinischen Föderation.


§ II. Alle besondern Verfassungen, Privilegien, Erbämter und Landschaftliche Korporationen der einzelnen Provinzen sind aufgehoben. Das ganze Königreich wird durch eine Nationalrepräsentation vertreten, nach gleichen Gesezen gerichtet und nach gleichen Grundsäzen verwaltet; dem zu Folge soll ein und dasselbe Steuersistem für das ganze Königreich seyn. Die Grundsteuer kann den fünften Theil der Einkünfte nicht übersteigen.

§ III. Die Leibeigenschaft wird da, wo sie noch besteht, aufgehoben. []

§ V. Der Adel behält seine Titel und, wie jeder Guts-Eigenthümer, seine gutsherrlichen Rechte nach den gesezlichen Bestimmungen; übrigens aber wird er in Rücksicht auf die Staatslasten, wie sie dermal bestehen oder noch eingeführt werden mögen, den übrigen Staatsbürgern ganz gleich behandelt. Er bildet auch keinen besondern Theil der Nationalrepräsentation, sondern nimmt mit den übrigen ganz freien Landeigenthümern einen verhältnißmässigen Antheil daran. Eben so wenig wird ihm ein ausschließliches Recht auf Staatsämter, Staatswürden, Staatspfründen zugestanden. Die gesamten Statuten der noch bestehenden Korporationen müssen nach diesen Grundsäzen abgeändert, oder seiner Zeit eingerichtet werden. []

§ VII. Der Staat gewährt allen Staats-Bürgern Sicherheit der Personen und des Eigenthums – vollkommene Gewissensfreiheit – Preßfreiheit nach dem Zensur-Edikt vom 13. Junius 1803, und den wegen der politischen Zeitschriften am 6. September 1799 und 17. Februar 1806 erlassenen Verordnungen.

§ VIII. Ein jeder Staatsbürger, der das ein- und zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, ist schuldig, vor der Verwaltung seines Kreises einen Eid abzulegen, daß er der Konstitution und den Gesezen gehorchen – dem Könige treu seyn wolle. Niemand kann ohne ausdrückliche Erlaubniß des Monarchen auswandern, in das Ausland reisen oder in fremde Dienste übergehen, noch von einer auswärtigen Macht Gehälter oder Ehrenzeichen annehmen, bei Verlust aller bürgerlichen Rechte. Alle jene, welche ausser den durch Herkommen oder Verträge bestimmten Fällen, eine fremde Gerichtsbarkeit über sich erkennen, verfallen in dieselbe Strafe, und können nach Umständen mit einer noch schärfern belegt werden.

Zweiter Titel. Von dem königlichen Hause.

§ I. Die Krone ist erblich in dem Manns-Stamme des regierenden Hauses, nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch-linealischen Erbfolge. []

§ X. Es sollen vier Kron-Ämter des Reichs errichtet werden. Ein Kron-Oberst-Hofmeister – ein Kron-Oberst-Kämmerer – ein Kron-Oberst-Marschall – ein Kron-Oberst-Postmeister, die den Sizungen des geheimen Raths beiwohnen.

Alle wirklich dirigirenden geheimen Staats-Minister genießen alle mit der Kronämter-Würde verbundenen Ehren und Vorzüge. []


§ XI. Die am 20. Oktober 1804 wegen Unveräusserlichkeit der Staatsgüter erlassene Pragmatik wird bestätigt; jedoch soll es dem König frei stehen, zur Belohnung grosser und bestimmter, dem Staate geleisteter Dienste, vorzüglich die künftig heimfallenden Lehen oder neu erworbene Staats-Domainen dazu zu verwenden, die sodann die Eigenschaft von Mann-Lehen der Krone annehmen, und worüber keine Anwartschaft ertheilt werden kann.
[]

Dritter Titel. Von der Verwaltung des Reichs.

[]

§ III. [] Die Stellen bei der allgemeinen Versammlung werden von dem König auf Lebenszeit vergeben: sie werden aus denjenigen vierhundert Land-Eigenthümern, Kaufleuten oder Fabrikanten des Bezirks, welche die höchste Grundsteuer bezahlen, nach dem Verhältniß von 1 zu 1000 Einwohnern gewählt, und versammeln sich, so oft die Wahl eines Repräsentanten vorfällt, oder es der Monarch befiehlt. []

§ VII. Alle Verwaltungs-Beamte, von dem wirklichen Rathe an, unterliegen den Bestimmungen der Haupt-Verordnungen vom 1. Jäner 1805, und 8. Junius 1807; jedoch werden alle künftig Anzustellende nur dann als wirkliche Staats-Beamte angesehen, wenn sie ein Amt, welches dieses Recht mit sich bringt, sechs Jahre lang ununterbrochen verwaltet haben. []

Vierter Titel. Von der National-Repräsentation.

§ I. In einem jedem Kreise werden aus denjenigen zwei hundert Land-Eigenthümern, Kaufleuten oder Fabrikanten, welche die höchste Grundsteuer bezahlen, von den Wahlmännern sieben Mitglieder gewählt, welche zusammen die Reichs-Versammlung bilden. []

Fünfter Titel. Von der Justiz.

[]

§ VII. Es soll für das ganze Reich ein eigenes bürgerliches und peinliches Gesezbuch eingeführt werden. [] Sechster Titel. Von dem Militärstande. []


§ V. Die Bürger-Miliz wird bestättigt. Zur Erhaltung der Ruhe in Kriegs-Zeiten wird eine National-Garde, und zur Handhabung der Polizei eine Gensd’armerie errichtet werden. []

Völker Unsers Reichs! Die Befestigung eurer gemeinschaftlichen Wohlfahrt ist Unser Ziel. Je wichtiger euch dasselbe erscheint, und je durchdrungener ihr von der Erkenntniß seyd, daß kein besonderes Wohl sich anders, als in der engsten Verbindung mit dem allgemeinen dauerhaft erhalten kann, desto sicherer wird dieses Ziel erreicht, und Unsere Regenten-Sorge belohnt werden. []


Quelle: Königlich-Baierisches Regierungsblatt vom 25. Mai 1808. Sp. 985-1000.

Abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789-1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995. S. 119-23.