Kurzbeschreibung

Strategische Luftangriffe waren von Beginn des Zweiten Weltkriegs an ein Schlüsselelement der militärischen Strategie auf beiden Seiten. Die Achsenmächte hatten von Anfang an ganze Städte zerstört, und obwohl sich die Alliierten in den ersten Jahren weitgehend auf militärische Ziele beschränkt hatten, kam es bei ihren Angriffen häufig zu erheblichen Kollateralschäden. Im Jahr 1942 genehmigte die britische Regierung jedoch die flächendeckende Bombardierung von Städten, einschließlich ziviler Gebiete, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Moral der Bevölkerung in diesen Gebieten zu brechen. Diese wahllosen Bombenangriffe waren verheerend, zerstörten 40-80 % der angegriffenen Städte und forderten Hunderttausende von Opfern: Allein bei der Bombardierung Hamburgs im Juli 1943 wurden über 42.000 Zivilisten getötet und 67.000 weitere verletzt. In den folgenden Auszügen schildern drei deutsche Frauen, welche die Angriffe auf Stuttgart, Berlin und andere Städte überlebten, ihre Erlebnisse im Detail. Der erste Bericht entstand im Rückblick, während die beiden anderen Zeugnisse während des Krieges verfasst wurden. Jede von ihnen beschreibt ähnliche Gefühle des Schreckens, der Angst und der Vorahnung angesichts der Ungewissheit, wann, wo und wie die Angriffe kommen würden, sowie die tiefe Sorge um den möglichen Verlust von Angehörigen. Sie schildern das Chaos und die allgemeine Panik, welche die Bevölkerung aufgrund der bevorstehenden oder laufenden Luftangriffe ergriff.

Zwar hatten viele Deutsche Zugang zu öffentlichen Luftschutzbunkern oder Luftschutzkellern in Mietshäusern, doch waren diese Orte nicht immer sicher, da sie nicht alle der Wucht von Bomben standhalten und die Menschen nicht immer vor den Gefahren von Brandbomben schützen konnten. Während diese Bunker der deutschen Zivilbevölkerung keine Sicherheitsgarantie bieten konnten, waren sie für „Nicht-Arier“, wie z. B. ausländische Arbeiter, unzugänglich, da sie aus den Bunkern ausgesperrt und sich selbst überlassen wurden. Auch Juden, die sich noch in Deutschland versteckt hielten, konnten es kaum riskieren, Luftschutzbunker aufzusuchen, da sie befürchten mussten, nach dem Angriff entdeckt und verhaftet zu werden.

Persönliche Erinnerungen an die alliierten Luftangriffe

Quelle

Hannelore S. (geb. 1927) schildert, wie einige Helfer, darunter auch ihr Vater und sie, nach einem Luftangriff auf Stuttgart im Spätsommer 1944 versuchten, zu Verschütteten zu gelangen:

„Mit einigen anderen kämpfte auch ich mich durch Rauch und Qualm in einem der beiden Nachbarhäuser zum Keller hinunter. Im anderen Nachbarhaus versuchte eine andere Gruppe dasselbe. Wirklich gelang es mir, bis in den ans brennende Nachbarhaus angrenzenden Keller vorzudringen. Die Zwischenwand zum anderen Keller war bereits eingeschlagen, und man konnte einen Menschen in der Öffnung sitzen sehen. Da ich die kleinste und schmalste war, ließ man mich vorankriechen und -turnen, denn natürlich waren auch in diesem Keller die Verwüstungen durch die Luftmine so stark, dass man nur mit Mühe vorankam. Herr L. war dicht hinter mir und hielt mich an der Kleidung fest. Vermutlich wurde auch er festgehalten, um die Verbindung nach draußen nicht verlorengehen zu lassen. Schutt rieselte von überallher herein, und durch den dichten Staub kämpften wir uns über eingefallene Luftschutzbetten, Stühle, Regale und Koffer näher zum Durchgang hin. Ich hörte schon aus dem Nachbarkeller ein kleines Kind wimmern. Endlich erreichte ich den in der Maueröffnung sitzenden Mann und wollte ihn eben auffordern, den Weg freizugeben, als er durch meine Berührung umkippte und mir vor die Füße fiel. Da sah ich, dass er tot war. Ein Backstein hatte ihn wohl im Genick getroffen und erschlagen. Mühsam nur konnten Herr L. und ich den Toten im Gewirr von Holz und Mauersteinen nach hinten schaffen, um den Weg wieder freizubekommen. Andere nahmen den Mann dann ab, und wir versuchten, wieder vorwärtszukommen. Da stürzte im Nachbarkeller etwas ein. Unter der aufquellenden Staubwolke konnte ich kurz das Gesicht und die sich bewegenden Händchen des etwa zweijährigen Kindes erkennen, dann war alles vom Staub eingehüllt, verschluckt! Und wir bekamen fast keine Luft mehr! Von hinten rief es nach uns, wir sollten sofort den Rückweg antreten... In der Zwischenzeit hatte das Feuer auf das Haus, von dem aus wir die Rettung versuchten, übergegriffen. Die Hitze machte uns immer mehr zu schaffen, doch mehr noch der Gedanke an die vielleicht noch lebenden Menschen dort unten! Herr L. zog mich mit sich, und wir machten uns auf den Weg nach oben in der Hoffnung, dass vielleicht vom anderen Nachbarhaus die Retter besser durchgekommen waren und Hilfe bringen konnten. Schmutzig und schwarz im Gesicht und an den Händen standen wir aber draußen der anderen Rettungsgruppe gegenüber. Keine Rettung möglich! Wir konnten nur hoffen, dass die Menschen da unten aus Mangel an Sauerstoff und wegen des Kohlenmonoxidgases eingeschlafen und gestorben waren, bevor die Flammen sie erreichten. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und muss ein schauerliches Bild geboten haben, denn meine Mutter war vom Schreck über mein Aussehen wie gelähmt ... sie glaubte, ich sei verletzt. Dass mein Vater mich stützte beim Nachhausegehen und mir ständig beruhigend zuredete, muss diesen Eindruck noch verstärkt haben. Ich selbst weiß davon nichts mehr, man hat es mir später erzählt. Als ich am nächsten Morgen an der Brandstelle vorbeikam, waren alle drei Häuser (es waren Reihenhäuser gewesen) nur noch ein rauchender Trümmerhaufen. Ich kann die Empfindungen kaum schildern, die mich befielen, als ich an einem der nächsten Tage zufällig Zeuge wurde, wie die zusammengeschrumpften und verkohlten Leichen der Bewohner des mittleren Hauses herausgetragen wurden. Alles kam mir – wieder einmal – so sinnlos vor, der ganze Krieg, alle Aufrufe zum Durchhalten, dieses letzte Kräfteaufgebot, um einen Sieg zu erringen, wenn kleine, unschuldige Kinder auf so schreckliche Weise ihr Leben verloren. Warum ließ Gott dies zu? Gab es überhaupt einen Gott?“

Aus dem Tagebuch der Schülerin Lilo G.:

„Diese Nacht war wieder ein her entsetzlicher Angriff, sie kommen jetzt alle Tage. Man merkt richtig, wie die Nerven langsam kaputt gehen … Wenn dann mit unvorstellbarem Krach die Bomben um dich krachen, so greift der Tod mit eisiger Hand nach deinem Herzen. Nur einen Gedanken hast du: ‚Wenn es doch aufhörte!‘ Aber es hört nicht auf, du meinst, im nächsten Augenblick müssten deine Nerven zerspringen, müsstest du aufschreien, aber du darfst es ja nicht, musst Haltung bewahren... Aber außerhalb des Kampfes um die notwendigste Haltung reicht es auch bei mir nicht mehr aus zu Fröhlichkeit und Freude, denn drohend ragt immer, wenn du dich freuen willst, das Gespenst des Todes, der Angst vor dir auf und lässt dich schaudern... Du wirst fragen, warum ich Angst hätte, wo ich doch fromm sei. Ja, antworte ich dir, ich bin fromm... aber mein Herz ist zu schwach, die menschliche Angst vor dem Letzten ist so unvorstellbar groß, dass im Augenblick des unmittelbaren Todes doch nichts übrig bleibt von Stärke und Ergebenheit in Gottes Willen, als ein zitterndes Menschenherz...“

Liselotte Orgel-Purper (geb. 1918, Bildberichterstatterin) in einem Brief an ihren Mann an der Front, zwei Monate nach ihrer Hochzeit am 25.11.1943:

„Und Berlin mit einem Frontgesicht. Du kennst es nicht wieder! Wir sind geschlagen, wieder einmal! schwerst geschlagen! Mutti geht in Gedanken unaufhörlich die Wohnung durch! Und was ging alles in Flammen auf! Auch Deine ganzen geliebten Briefe. Und – Deine so kostbaren Kriegstagebuchblätter!! Ach Kuddel! Dies und anderes lag zurecht, um auf der nächsten Fahrt hierher mitgenommen zu werden. Meine Geige! Meine 6 000 Archivbilder, sämtliche Kontakte von sieben Jahren! Meine Arbeit von diesem Jahr. Unsere Hochzeitsnegative, unsere Negative von der Hochzeitsreise, und die sollten Dein Weihnachtsgeschenk sein. Bildschön bereit! Alles hin! Alle Bücher, Bilder, Andenken, Briefe und Tausenderlei. Mein Radio, Grammophon und Platten, die schöne Lampe, ach alles, alles, woran mein Herz hing.“

Quelle: Margarete Dörr, Hg. „Wer die Zeit nicht mitgelebt hat…” Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach, Band 2: Kriegsalltag. Frankfurt am Main: Campus, 1998, S. 270-80.