Kurzbeschreibung
Auch im kirchlich-religiösen Bereich hegte das NS-Regime einen
totalitären Herrschaftsanspruch. Entgegen Hitlers Beteuerungen, die
Rechte und Integrität der Kirchen zu wahren, verfolgte er deren
ideologische Gleichschaltung und vermutlich letztlich deren Abschaffung.
Da er aber zu schnelles und zu aggressives Vorgehen aus Sorge vor
populärem Widerstand vermeiden wollte, blieb die NS-Kirchenpolitik
weitgehend von Widersprüchen und Uneinheitlichkeit geprägt. Anfänglich
versuchte das NS-Regime, die Evangelische Kirche, der mehr als 60
Prozent der deutschen Bevölkerung angehörten, zum Werkzeug religiöser
Einheit und Einheitlichkeit zu machen. Tatsächlich hatte die Kirche eine
lange Tradition von Nationalismus, Militarismus, und Anti-Marxismus, und
viele Pastoren und Theologen unterstützten diese Aspekte der NSDAP.
Andere, wie zum Beispiel die Anhänger der „Glaubensbewegung Deutsche
Christen“, gingen in ihren Überzeugungen viel weiter und verfolgten die
Verschmelzung von Kirchen- und Rassendoktrin.
Mit Hitlers Unterstützung spielten die Deutschen Christen 1933 die
Hauptrolle in der Gleichschaltung des Evangeliums. Sie agierten
erfolgreich für die Abschaffung der föderalen Organisationsstruktur der
Kirche und für die Gründung einer neuen zentralisierten Deutschen
Evangelischen Kirche (DEK oder auch „Reichskirche“). Die Verfassung der
neuen DEK wurde am 11. Juli 1933 von Vertretern der Landeskirchen
angenommen und von Seiten des Regimes am 14. Juli anerkannt. Allerdings
zog die Regierung gleichzeitig die zunächst für den 27. September
festgelegten Kirchenwahlen auf den 23. Juli vor. Die Alternativen für
die Wahl bestanden in der pro-nationalsozialistischen „Glaubensbewegung
Deutsche Christen“ unter Ludwig Müller einerseits und in der Liste
„Evangelium und Kirche“ (unter Martin Niemöller u.a.) andererseits. Die
Reichspropagandaleitung der NSDAP wies schon am 14. Juli auf einen
„Wunsch des Führers“ hin, alle Gauleiter an, den Deutschen Christen für
die Kirchenwahlen jegliche Unterstützung zu gewähren. Daneben erfüllte
Hitler am 22. Juli, dem Vortag der Wahl, ein Ludwig Müller gegebenes
Versprechen und sprach sich im Radio für die Deutschen Christen aus (er
tat dies unmittelbar nach Ende einer Bayreuther Aufführung von Richard
Wagners Parsifal, einer von
christlichen Motiven durchsetzten Oper). Mit dieser öffentlichen
Wahlempfehlung Hitlers sowie der organisatorischen und
propagandistischen Hilfe der Partei waren die Wahlen praktisch
entschieden.
Im Bild: (links) ein Vertreter der Deutschen Christen, auf dessen
Schild zu lesen ist: „Wählt Liste Deutsche Christen“; (rechts) ein
Vertreter der Liste „Evangelium und Kirche“ und seine Botschaft: „Kirche
muß Kirche bleiben! Wählt Liste: Evangelium und Kirche“.