Kurzbeschreibung

Der totalitäre Herrschaftsanspruch des NS-Regimes schloss auch die Kirchen ein. Während Hitler 1933 versprach, die Rechte und Integrität der christlichen Kirchen zu wahren, zielte er tatsächlich auf deren ideologische Gleichschaltung und letztlich auf ihre Abschaffung hin. Dabei war er sich jedoch bewusst, dass ein zu aggressives Vorgehen den Widerstand der Kirchen und der Bevölkerung verursachen könnte. Somit entwickelte das NS-Regime bis zum Ende keine einheitliche oder definitive Kirchenpolitik. Schon 1932 hatte sich die sogenannte „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ als eine protestantische Splittergruppe etabliert, die sich nach dem Führerprinzip organisierte und Kirchen- und Rassendoktrin zu verschmelzen versuchte. Die Schaffung einer neuen Deutschen Evangelischen Kirche (DEK oder auch „Reichskirche“) am 23. Juli 1933 unter dem neuen Reichsbischof Ludwig Müller (1883-1945), in der die Deutschen Christen eine Mehrheit ausmachten, markierte einen ersten Schritt in Richtung absoluter staatlicher Kontrolle über die evangelische Kirche. Als jedoch die neue Kirchenleitung die Einführung des Arierparagraphen für Kirchenämter und die Abschaffung des Alten Testaments befürwortete, protestierte Pfarrer Martin Niemöller (1892-1984) durch die Gründung des Pfarrernotbundes. Die daraus hervorgehende sogenannte Bekennende Kirche verabschiedete auf der 2. Bekenntnissynode im Oktober 1934 in Berlin-Dahlem das folgende „kirchliche Notrecht“, das die Kompetenz und Legitimität der DEK und der Deutschen Christen bestritt und sich selbst zur einzig rechtmäßigen evangelischen Kirche erklärte. Die Bekennende Kirche blieb jedoch eine innerlich geteilte Minderheitsorganisation, deren institutionelle Basis durch Massenverhaftungen nach 1936 weitgehend zerschlagen wurde. Obwohl eine gänzliche Gleichschaltung der evangelischen Kirchen nicht erreicht wurde und zahlreiche Kirchenvertreter sich dem NS-Regime entgegen stellten, hatte sich die evangelische Kirche weitgehend der NS-Macht ergeben.

Die Bekennende Kirche: Auszug aus der Erklärung der Zweiten Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem (20. Oktober 1934)

Quelle

Wir stellen fest: Die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche ist zerschlagen. Ihre rechtmäßigen Organe bestehen nicht mehr. Die Männer, die sich der Kirchenleitung im Reich und in den Ländern bemächtigten, haben sich durch ihr Handeln von der christlichen Kirche geschieden.

Auf Grund des kirchlichen Notrechts der an Schriften und Bekenntnis gebundenen Kirchen, Gemeinden und Träger des geistlichen Amtes schafft die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche neue Organe der Leitung. Sie beruft zur Leitung und Vertretung der Deutschen Evangelischen Kirche als eines Bundes bekenntnisbestimmter Kirchen den Bruderrat der Deutschen Evangelischen Kirche und aus seiner Mitte den Rat der Deutschen Evangelischen Kirche zur Führung der Geschäfte. Beide Organe sind den Bekenntnissen entsprechend zusammengesetzt und gegliedert.

Wir fordern die christlichen Gemeinden, ihre Pfarrer und Ältesten auf, von der bisherigen Reichskirchenregierung und ihren Behörden keine Weisungen entgegenzunehmen und sich von der Zusammenarbeit mit denen zurückzuziehen, die diesem Kirchenregiment weiterhin gehorsam sein wollen. Wir fordern sie auf, sich an die Anordnungen der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche und der von ihr anerkannten Organe zu halten.

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Quelle: Aus der Botschaft der Dahlemer Bekenntnissynode III und IV, Kirchliches Jahrbuch 1933–1945. Gütersloh, 1948, S. 77. © Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.