Quelle
Bielefeld-Schildesche, d. 27. 4. 48
An das Wohnungsamt der Stadt Bielefeld
Mit Verfügung des dortigen Amtes vom 26. 8. 46 Nr. 13361 – V 20/VIII – habe ich für meine Person die Zuzugsgenehmigung nach Bielefeld-Schildesche erhalten. Meine Frau und unsere 4 Kinder im Alter von 4–11 Jahren sowie die zu unserem Haushalt gehörende Pflegeschwester meiner Frau mußten bis auf den heutigen Tag auch weiterhin in einem Notquartier in Balderschwang-Hirschgrund, Kr. Sonthofen/Allgäu verbleiben.
Wie allgemein bekannt ist, besteht für mich als gebürtigen Ostpreußen keine Möglichkeit, in Bayern eine Beschäftigung zu finden. Auch meine Frau hat bei der bekannten Einstellung der Bayern gegen uns Norddeutsche laufend mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Außerdem liegt unser Notquartier, ein Hochalpengasthaus, derart abgelegen, daß unsere schulpflichtigen Kinder nunmehr schon seit 3 Jahren an keinem geregelten Schulunterricht teilnehmen können. Der nächste Ort mit Schule, Lebensmittelgeschäft usw. ist über 15 km entfernt. Schließlich bringen die dortigen Witterungsverhältnisse es mit sich, daß die Wege in den Übergangsjahreszeiten mitunter 6–8 Wochen vollkommen unpassierbar sind. Diese auf die Dauer untragbaren Zustände erfordern eine Umquartierung meiner Familie.
Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse und um dem auch im Wohnungsnotgesetz zur Anerkennung gebrachten Grundsatz Rechnung zu tragen, daß Familien wieder zusammengebracht werden müssen, hat sich mein Arbeitgeber, das Evangelische Hilfswerk Westfalen in Bielefeld bereiterklärt, meiner Familie und mir eine Werkswohnung zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte daher, den Zuzug meiner Familie nach Bielefeld zu genehmigen.
[Name]
Quelle: Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 250,2/SPD-OWL, Nr. 1059; abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945–1990. Texte und Dokumente zur Sozialgeschichte. München: C.H. Beck, 1993, S. 87–88.