Kurzbeschreibung

Der geheime Bericht der sowjetischen Militärführung in der DDR an die Regierung in Moskau über den Aufstand vom 17. Juni 1953 macht deutlich, dass die DDR-Regierung und die SED im Vorfeld schwere politische Fehler begangen und auf die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht angemessen reagiert haben. Während des Aufstandes ist die DDR-Führung weitgehend handlungsunfähig. Die Initiative liegt ganz bei den sowjetischen Militärs, die den Aufstand schließlich erfolgreich niederschlagen.

Der Bericht empfiehlt, weitgehende Konsequenzen aus den Ereignissen zu ziehen: Der von der Sowjetunion vorgegebene „Neue Kurs“ soll entschlossen verfolgt werden. Um das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Versorgungslage der Bevölkerung zu verbessern, wird auch eine Reduzierung bzw. Aufhebung der hohen Reparationsleistungen und Besatzungskostenzahlungen der DDR an die Sowjetunion erwogen. Im politischen Bereich tritt der Bericht für eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten von Staat und Partei sowie für eine Stärkung des ostdeutschen Parlaments ein. Walter Ulbricht soll aus der Regierung ausscheiden und sich auf seine Parteifunktionen konzentrieren. Die SED selbst soll auf allen Ebenen personell erneuert werden. Schließlich wird eine stärkere Regulierung des Grenzverkehrs in Berlin empfohlen.

Umgesetzt werden von den Empfehlungen in den kommenden Monaten vor allem die Wirtschaftsreformen. Dagegen behalten Ulbricht und die SED ihre politische Machtstellung.

Hinweis: Bitte bei der Verwendung dieses Textes für wissenschaftliche Zwecke berücksichtigen, dass es sich hierbei um die deutsche Übersetzung einer englischen Übersetzung des russischen Originals handelt.

Geheimer Bericht der sowjetischen Militärführung über die Ereignisse vom 17.-19. Juni 1953 (24. Juni 1953)

Quelle

Streng geheim

Kopie Nr. 1

An Genossen V.M. Molotow

An Genossen N.A. Bulganin

Über die Ereignisse vom 17.-19. Juni 1953 in Berlin und der DDR und bestimmte Schlüsse aus diesen Ereignissen.

Das folgende Memorandum ist ein vorläufiger Bericht über die Ereignisse des 17.-19. Juni in Ost-Berlin und der DDR, über die Gründe der Wirren und über verschiedene praktische Schlüsse, die aus den genannten Ereignissen gezogen werden können. Bis jetzt waren wir nicht in der Lage, zu einem tiefgreifenden Verständnis der zugrunde liegenden Probleme zu kommen, da die Nachforschungen über die verhafteten Beteiligten an den Unruhen noch im Anfangsstadium sind. Die Frage der Ereignisse des 17. Juni, die eine große internationale Provokation darstellen und die im voraus von drei westlichen Staaten und ihren Komplizen innerhalb des westdeutschen monopolistischen Kapitals vorbereitet wurden, ist in diesem Memorandum nicht eingehend untersucht worden, zum Teil aus einem Mangel an Fakten zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auch deshalb, da die genannten Angelegenheiten bereits in allgemeiner Form in der sowjetischen Presse weit verbreitet wurden.

In jedem Fall ist klar, dass der 17. Juni der sogenannte „Tag X“ war, d.h. der Tag offener Aggression gegen den demokratischen Sektor der DDR durch faschistische und andere Organisationen, die hauptsächlich unter der Führung des amerikanischen Geheimdienstes arbeiten.

Das Ansetzen des „Tages X“ auf den 17. Juni als Tag der Aggression der faschistischen Elemente ergibt sich scheinbar aus den folgenden Gründen: a) der Ankündigung des ZK des SED-Politbüros am 9. Juni diesen Jahres zum neuen politischen und wirtschaftlichen Kurs der DDR, dessen Ausführung jegliche Chancen einigermaßen bedeutsamer Unterstützung der faschistischen Aggression durch die Bevölkerung der DDR zunichte gemacht hätte; b) der amerikanischen Bemühungen, ein weiteres Anwachsen der Opposition gegen die aggressive Politik der USA in weiten Bereichen westeuropäischer Gesellschaftskreise abzuwehren und den Bemühungen, das Entstehen eines Konsensus in Westeuropa mit der Sowjetunion zu verhindern, sowie die gleichzeitige Bewegung zum Frieden hin auf der Grundlage der Anerkennung des vorherrschenden Einflusses der Sowjetunion in Ländern der Volksdemokratie einschließlich der DDR. Dies wird durch die gleichzeitige Aggression sowohl in der Tschechoslowakei als auch der DDR am Vorabend der Bermuda-Konferenz dreier westlicher Staaten deutlich; c) die Amerikaner und die Adenauer-Ollenhauer-Clique zogen die Unzufriedenheit der Arbeiter und anderen Werktätigen mit der Situation in der DDR in Betracht, die aus den Fehlern resultierte, die vom ZK der SED und der SKK [Sowjetischen Kontrollkommission] während ihrer Einführung der Politik des sogenannten „beschleunigten Aufbau des Sozialismus“ gemacht wurden. Adenauer hatte vor, diese Unzufriedenheit auszunutzen, um seine Position vor den anstehenden Bundestagswahlen im August/September dieses Jahres zu stärken; d) die Provokation des 17. Juni durch die Weststaaten und die Regierung Adenauers hatte ganz klar die Absicht, die Sowjetunion von ihrem gegenwärtigen Kurs in ihren Beziehungen zur DDR abzubringen.

Dieses Memorandum beinhaltet drei Hauptteile: I. Der Ablauf der Ereignisse in der DDR am 17.-19. Juni; II. Die wirtschaftlichen Probleme, vor welche die DDR vor dem Hintergrund der Ereignisse des 17.-19. Juni gestellt ist; III. Einige Schlüsse und Empfehlungen.

I. Der Ablauf der Ereignisse in der DDR am 17.-19. Juni.

1. Am Vorabend der Aggression.

Kurz nach dem SED-Parteitag (Juli 1952) und als Ergebnis des neuen Kurses zur „Beschleunigung des Aufbaus des Sozialismus“, der dort angenommen wurde, begannen in der DDR ernsthafte und ständig wachsende Unterbrechungen in der Versorgung mit Gütern zur Grundversorgung zu entstehen, insbesondere Fett, Fleisch und Zucker: im Winter 1952-53 gab es außerdem ernsthafte Versorgungseinbrüche bei Heizung und Elektrizität in den Städten. Dies führte zu dem Anstieg der Unzufriedenheit, hauptsächlich innerhalb der weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten. Im Dezember und Januar/Februar 1952 gab es einzelne Vorkommnisse kleiner und kurzlebiger Arbeiterstreiks innerhalb einiger Unternehmen; diese erregten jedoch nicht die Aufmerksamkeit des ZK der SED und der SKK-Organe. Im Januar-März 1953 wurden als Teil des neuen „Regimes der Sparsamkeit“ eine Zahl von Privilegien und Vorzugsbehandlungen, die von deutschen Arbeitern seit 1945 und in vielen Fällen auch davor genossen wurden, unter aktiver Beteiligung der SKK rückgängig gemacht (die Aufhebung der Bahnpässe, die Änderung der Krankheitstageregelung, die Abschaffung zusätzlicher Urlaubstage für Sanatoriumsaufenthalte, die Kürzungen in der Arbeitsunfähigkeitsversicherung für berufstätige Frauen, die zu Hausfrauen geworden waren, usw.). Weitere Preissenkungen für Konsumgüter geschahen seit dem Frühjahr 1952 nicht mehr. Im Gegenteil, die Preise der Lebensmittelmarken für Fleisch wurden um 10-15% erhöht unter dem Vorwand, die Qualität der Fleischprodukte sei gestiegen. All dies, sowie der Anstieg der Preise für Marmelade und künstlichen Honig (ein Produkt, das häufig von geringverdienenden Arbeitern konsumiert wird), erzeugte Unzufriedenheit unter den Arbeitern, die noch verstärkt wurde durch das Versäumnis der Partei und der Regierung, nach dem 2. SED-Parteitag Schritte zu unternehmen, um die Situation der großen Masse der Arbeiter zu verbessern, mit Ausnahme der Lohnerhöhungen für ITR im Juli 1952 sowie für Facharbeiter in den fünf Hauptzweigen der Industrie.

Dies wurde von den durch das ZK der SED ergriffenen Maßnahmen begleitet, die Teil seiner verfehlten Politik der Liquidierung des kleinen und mittleren Bürgertums sowohl in der Stadt als auch auf dem Land waren und welche an einigen Orten die recht hässlichen Formen abgeschotteter Verwaltungsplanung und massenhafter Repressionen annahmen, die auch gegen Arbeiter gerichtet waren. Außerdem war der Entzug der Lebensmittelmarken für Fett, Fleisch und Zucker für das Kleinbürgertum angesichts des Fehlens dieser Produkte auf dem Verbrauchermarkt besonders schmerzhaft.

Funktionäre der SED und des Staatsapparats begannen unter dem Einfluss des Beschlusses des „Aufbaus des Sozialismus, ungeachtet jedweder Schwierigkeiten“, der aus dem 2. SED-Parteitag hervorgegangen war, den Kontakt mit der Masse der Bevölkerung zu verlieren und sich zunehmend auf Führungs- und Verwaltungsmethoden gegenüber Mitgliedern der SED zu stützen, indem sie die schädlichen Methoden als Anleitung benutzten, die innerhalb des Sekretariats des ZK der SED breite Anwendung finden. In etlichen Fällen verdrängten SED-Bezirks- und regionale Komitees die Regierungsorgane gänzlich, indem sie die Polizeiarbeit, Verhaftungen, die tägliche Verwaltung von Unternehmen, usw. unter ihre Befehlsgewalt brachten.

All diese und andere abträgliche Entwicklungen, die in der Resolution der sowjetischen Regierung vom 6. Juni erwähnt werden, waren die Hauptgründe für die Unruhen und Agitationen, die sich am 17.-19. Juni in der DDR ereignet haben.

Bereits lange vor dem 17. Juni gab es in bestimmten Gebieten der DDR sporadische Arbeiterstreiks in einigen Unternehmen, die sich gegen Erhöhungen der Produktionsnormen richteten, welche in Übereinstimmung mit Direktiven der Regierung und einzelner DDR-Ministerien ohne entsprechende begleitende organisatorische und technische Maßnahmen oder politische Arbeit unter den Arbeitern eingeführt wurden. Der Initiator und hauptsächliche Autor der Politik der Erhöhung der Produktionsnormen war [SED-Generalsekretär] Walter Ulbricht, der in etlichen öffentlichen Reden die Wichtigkeit dieser Maßnahmen recht aktiv betonte. Das ZK der SED schenkte diesen kurzlebigen Streiks keine Beachtung und verkündete erst unter starkem Druck durch die SKK nachlässig formulierte Direktiven über die Unzulässigkeit der Übersteigerung während der Kampagne zur Steigerung der Produktionsnormen; dies wurde jedoch von keinerlei organisatorischen Maßnahmen seitens des ZK der Partei begleitet, und die Ankündigung stieß größtenteils auf taube Ohren.

2. Ereignisse in Berlin am 16.-19. Juni

Am 14. Juni erhielten die Staatssicherheitsorgane der DDR und das SED-Stadtkomitee Berlin Informationen über Pläne zu Streiks gegen die Erhöhung der Produktionsnormen für Bauarbeiter in Berlin, insbesondere auf der Baustelle Stalinallee. Sie maßen dieser Information jedoch keinerlei Bedeutung bei und meldeten es nicht der Führung des ZK der SED und der SKK. Die Ereignisse, die folgten, kamen für die DDR-Führung vollkommen unerwartet.

Am Abend des 15. Juni verkündeten die Bauarbeiter in Berlin kategorische Forderungen nach Rücknahme der Erhöhung der Produktionsnormen, über die sie ohne vorausgehende Erklärungen durch ein Zurückhalten entsprechender Summen von ihrem Gehaltsscheck informiert wurden. Die Berliner Organisation der SED und der Magistrat Ost-Berlins reagierten in keiner Weise auf diese Forderungen.

Wie später bekannt wurde, waren Agenten aus West-Berlin und bisher unbekannte Verräter aus den DDR-Gewerkschaften aktiv an der Anstiftung der Arbeiterschichten beteiligt.

Am Morgen des 16. Juni schlugen 2000 von insgesamt 35-40 Tausend Bauarbeitern in Berlin im Stadtzentrum zu. Sie hatten ein Streikkomitee, das Verbindungen mit West-Berlin unterhielt. Die Bauarbeiter beschlossen, zum DDR-Regierungssitz zu marschieren, das sich in der Leipziger Straße, genau an der Grenze zwischen dem sowjetischen und dem westlichen Sektor Berlins befindet. Den Bauarbeitern schlossen sich auf dem Weg große Gruppen von West-Berliner Provokateuren an, die gegen die Regierung gerichtete Plakate trugen, auf denen der Rücktritt der DDR-Regierung gefordert wurde, die Fehler gemacht hätte, ebenso wie die Senkung der Preise in den Geschäften der KhO [Konsumhandels-Organisation] um 40%. Massen von Schaulustigen schlossen sich der Demonstration an, sodass etwa 5000 Menschen vor dem DDR-Regierungssitz versammelt waren.

Nachdem es von der Demonstration und den Forderungen der Arbeiter erfahren hatte, beschloss das ZK des SED-Politbüros in einer Sitzung, die zu jener Zeit stattfand, die Erhöhung der Produktivitätsnormen rückgängig zu machen und schickte das ZK Politbüro-Mitglied [Heinrich] Rau zu einem Treffen mit den Arbeitern. Es wurde Rau und anderen Regierungsmitgliedern jedoch von den Provokateuren nicht erlaubt, zu reden, sie übertönten sie mit Rufen, dass [DDR Premierminister Otto] Grotewohl oder [DDR-Präsident Wilhelm] Pieck zu den Arbeitern sprechen sollten. Die Ankündigung bezüglich der Rücknahme der Produktionsnormenerhöhung wurde über einen Lautsprecher gemacht. Als sie diese Ankündigung hörten, begannen die Bauarbeiter, sich zu zerstreuen, die West-Berliner Provokateure begannen jedoch, sie dazu aufzuhetzen, sich nicht einfach mit einer Rücknahme der Normenerhöhung zufriedenzugeben, sondern eine Absenkung der alten Normen zu fordern, ebenso wie eine Senkung der Preise in der KhO, den Rücktritt der DDR-Regierung und das Abhalten gesamtdeutscher Wahlen. Die Mehrheit der Bauarbeiter ließ sich durch diese Provokationen nicht beeinflussen und strömte nach kurzer Zeit vom Regierungssitz weg. Eine geringe Zahl von Bauarbeitern wurde von den West-Berliner Provokateuren in nahegelegene Kneipen und Gaststätten geführt, wo ihnen Wodka serviert wurde, während man sie zu weiteren Aktionen ermunterte.

Während des Tages am 16. Juni gab es einen merklichen Anstieg der Aktivität kleiner Gruppen von Provokateuren in verschiedenen Teilen Ost-Berlins, die antidemokratische Agitation unter der Bevölkerung betrieben. In zahlreichen Betrieben in Ost-Berlin und der DDR wurde ein Slogan von West-Berlin ausgeschickt, der zu einem sofortigen Streik in Solidarität mit den Bauarbeitern Berlins aufrief, ebenso wie ein Slogan, der zu einem Generalstreik am 17. Juni aufrief. Am Abend des 16. Juni wurde in West-Berlin eine Sonderausgabe der Abendzeitung „Der Abend“ mit Aufrufen zum Generalstreik in der Ostzone Deutschlands veröffentlicht. Gegen Ende des Tages am 16. Juni begannen sich in zahlreichen Unternehmen Solidaritätsstreiks auszubreiten.

Am Abend des 16. Juni wurde die Situation in Berlin schwieriger. Um 20.00 Uhr wurde eine außerordentliche Sitzung der aktivsten Mitglieder der Berliner SED-Organisationen abgehalten, auf der Ulbricht und Grotewohl in Anwesenheit des gesamten ZK des SED-Politbüros Reden zum neuen Kurs der Partei und der Regierung hielten. Die Stimmung der aktiven Parteimitglieder war nach Angaben von Mitgliedern des Politbüros gut. Die DDR-Führung sagte jedoch kein Wort zu den Streiks, die in der Stadt vor sich gingen und gab keinen Hinweis darauf, welchen Kurs die aktiven Parteimitglieder in der nahen Zukunft einschlagen sollten. Zu dieser Zeit begannen Mengen von West-Berlinern, die hauptsächlich aus Jugendlichen bestanden, sowohl in Straßenbahnwagen und anderen Transportmitteln als auch zu Fuß einzutreffen. Eine Menschenmenge von 4-5 Tausend bewegte sich in Richtung Friedrichstadtpalast, wo eine Sitzung der aktiven Parteimitglieder stattfand, wodurch die Gefahr entstand, dass die Mitglieder des ZK des SED-Politbüros zu Geiseln werden könnten. Gleichzeitig begann in der Stalinallee im Stadtzentrum eine Menge von West-Berlinern, die etwa 2 Tausend zählte, Steine auf das Denkmal Genosse Stalins zu werfen und zum Sturz der DDR-Regierung aufzurufen. Es gab ebenfalls Rufe einzelner Provokateure, die zum Töten von Russen aufriefen.

Die DDR-Polizei schritt in Befolgung ihrer Anweisungen nicht in diese Ereignisse ein. Die Maßnahmen, die wir ergriffen (die Entsendung von Polizeireservetruppen zum Friedrichstadtpalast), genügten, um die Menge zu zerstreuen, die sich in Richtung Friedrichstadtpalast bewegte, ebenso wie den Pöbel auf der Stalinallee. Anschließend begannen verschiedene Gruppen von Provokateuren und Banditen, hauptsächlich aus West-Berlin, an verschiedenen Orten im sowjetischen Sektor Berlins zu randalieren, Autos umzustoßen, Geschäfte und Wohnungen von SED-Aktivisten auf der Stalinallee zu plündern, den Straßenverkehr aufzuhalten und zu versuchen, in das Gaswerk und andere wichtige Stadtwerke einzubrechen. Diese Gewaltakte wurden von Gruppen verübt, die zusammen etwa 1.5-2 Tausend Menschen ausmachten.

Am späten Abend des 16. Juni trafen wir uns mit der Führung des ZK der SED (Grotewohl, Ulbricht, [Geheimpolizeichef Wilhelm] Zaisser, [SED-Politbüro-Mitglied Rudolf] Herrnstadt). Wir lenkten ihre Aufmerksamkeit auf die scheinbar ernste Natur der Unruhen, die sich in der Stadt abgespielt hatten und wiesen darauf hin, dass die Slogans, die zum Generalstreik aufriefen und von den Provokateuren am Ende des Tages verworfen wurden, eine positive Aufnahme in den Unternehmen in Ost-Berlin und einigen anderen Orten in der DDR fanden. Ebenfalls wiesen wir darauf hin, dass es notwendig sei, ganz entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um am 17. Juni Ordnung in der Stadt zu wahren, da man einen massiven Zustrom an Gruppen von Provokateuren von West-Berlin nach Ost-Berlin erwarten könne. Wie informierten unsere Freunde über unsere Entscheidung, sowjetische Streitkräfte nach Berlin zu entsenden. Unsere Freunde verkündeten, dass sie die Situation nicht für so ernst hielten, als dass sie solch außergewöhnliche Maßnahmen rechtfertigte und dass man ihrer Meinung nach am 17. Juni keine ernsthaften Unruhen in der Stadt erwarten solle, obwohl sie die Möglichkeit eines leichten Anstiegs der Unruhen im Vergleich zum 16. Juni nicht ausschlossen. Sie bewerteten die Situation in der DDR recht optimistisch. Wie wiesen gegenüber der DDR-Führung darauf hin, dass es notwendig sei, in höchstem Maße vorbereitet zu sein und schlugen vor, Abteilungen der Kasernierten Volkspolizei in Potsdam und Oranienburg herbeizurufen, was sie am Morgen des 17. Juni taten.

Am 16. Juni schickten wir während des Tages ein warnendes Telegramm an unsere regionalen Vertreter, in dem wir sie über die Unruhen in Berlin unterrichteten und empfahlen, dass sie dringende Vorsichtsmaßnahmen und vorbereitende Schritte ergreifen, um Unruhen in den Regionen der DDR zu bewältigen. Wir rieten den Freunden (Ulbricht), die Regionen ebenfalls hiervor über SED-ZK-Kanäle zu warnen, doch ihnen fiel nichts besseres ein, als die leitenden Sekretäre der Regionalkomitees am 17. Juni „zur Instruktion“ nach Berlin zu bestellen und als Ergebnis dessen wurden die Regionen während der Unruhen am 17. Juni praktisch ohne hochrangige Parteiführer zurückgelassen.

Ungefähr um 7 Uhr morgens am 17. Juni setzten in Ost-Berlin und vielen Städten im Westen und Süden der DDR gleichzeitig Massenstreiks ein, die zu Demonstrationen wurden, welche sich in etlichen Städten (Berlin, Magdeburg, Herlitz, u.a.) in Aufstände verwandelten.

Den Provokateuren gelang es nicht, einen Generalstreik in Berlin auszurufen. Nach vorläufigen Zahlen streikten am 17. Juni allerdings 80 Tausend von insgesamt 200 Tausend Arbeitern. Außerdem beteiligten sich die größten Unternehmen an den Streiks: die Stalin Elektromaschinenfabrik, die „Bergman-Borzig [sic]“ –Fabrik, die sowjetischen Unternehmen „Siemens-Planya“, Kabelfabriken, und andere.

Nachdem sie die Arbeit niedergelegt hatten, bewegten sich viele Arbeiter in Marschkolonnen in Richtung Stadtzentrum zum Strausberger Platz, wo am Tag zuvor die Provokateure eine allgemeine Stadtversammlung einberufen hatten. Um 7:30 Uhr waren ungefähr 10 Tausend Menschen auf diesem Platz versammelt, die in getrennten Marschkolonnen zum DDR-Regierungssitz weitergingen und Banner mit den Aufschriften trugen: „Nieder mit der Regierung,“ „Wir fordern eine Senkung der Normen,“ „Wir fordern eine Senkung der KhO-Preise um 40%,“ „Wir fordern freie Wahlen.“

Um 9 Uhr morgens hatte sich eine Menge von 30 Tausend Menschen vor dem DDR-Regierungssitz versammelt, ein bedeutender Teil von ihnen bestand aus Einwohnern West-Berlins, welche die Hauptorganisatoren der Provokationen waren.

Den Aufständischen gelang es, die Linie der standhaften Polizisten zu durchbrechen, die zu diesem Zeitpunkt keine Waffen gebrauchten, und nachdem sie Steine nach ihnen geworfen hatten, brachen sie in den Regierungssitz ein, wo ein Pogrom verübt wurde. Die Polizeisicherheitskräfte des Regierungssitzes wurden verstärkt und zählten zum Zeitpunkt des Angriffs 500 Mann. Der Regierungssitz wurde erst mit Eintreffen der sowjetischen Streitkräfte wiedereingenommen, im Zusammenspiel mit denen übrigens die deutsche Polizei, nachdem sie teilweise von der Menge geschlagen wurde, sich aktiv an der Wiederherstellung der Ordnung beteiligte.

Gleichzeitig kamen in der Gegend des Alexanderplatzes große Kolonnen von Demonstranten aus den Gebieten Pankow, Weißensee und Köpenick zusammen.

Die Demonstrantenmassen belagerten unter aktiver Beteiligung der Provokateure das Gebäude des SED-ZK, das Berliner Polizeipräsidium, den Haupttelegrafen, die Verwaltung der städtischen Gewerkschaft und andere Gebäude. Auf dem Alexanderplatz und im Gebiet Pankow errichteten die Demonstranten Barrikaden und Blockaden. Bei zahlreichen DDR-Regierungsgebäuden wurden Fensterscheiben eingeschlagen.

An der Zonengrenze am Potsdamer Platz kam es zum Schusswechsel zwischen den Aufständischen und der Volkspolizei und 7 Polizisten wurden entwaffnet.

Die Provokateure betrieben ebenfalls einen Pogrom in dem Buchladen „Internationales Buch“ und im zentralen Kaufhaus „KhO“ am Alexanderplatz, steckten das bereits halb leere Kaufhaus Kolumbushaus am Potsdamer Platz in Brand, plünderten das „Defa“-Kino und zahlreiche öffentliche Gebäude. In anderen Stadtteilen kam es ebenfalls zu Plünderungen.

Die Mengen der Aufständischen bewegten sich durch die Stadt, riefen feindselige Slogans und sangen faschistische Lieder. Zahlreiche Gruppen von Provokateuren drangen zu den Stadtwerken durch, um Arbeiter zum Streik aufzurufen. In der Hauptsache versuchten sie, das Hauptelektrizitätswerk der Stadt, Klingenberg, abzuschalten, ebenso wie ein weiteres großes Elektrizitätswerk, Rummelsburg, und ein Gaswerk. Die Arbeiter dieser Werke bewiesen jedoch ein hohes Maß an Geistesgegenwärtigkeit und Organisation, da sie ihre Streikpostenkette um die Werksgebäude herum aufgebaut hatten und so die Provokateure nicht durchließen.

Abordnungen der Volkspolizei versuchten überall, den Banditen und Krawallmachern Widerstand entgegenzusetzen. Aufgrund ihrer geringen Zahl und ungeeigneten Waffen wurden sie jedoch in großem Ausmaß überrannt und auseinander getrieben.

Die Zahl der in Berlin zur Verfügung stehenden Polizisten (insgesamt 4.940 Mann ohne Grenzpolizei) war vollkommen unzureichend, um mehr oder weniger ernste Unruhen niederzuschlagen. Eine entsprechende Situation herrschte in anderen großen Städten der DDR vor.

Im Laufe des Tages wurde Verstärkung von insgesamt zweitausend Mann aus Potsdam, Frankfurt/Oder und anderen Bevölkerungszentren der Republik nach Berlin gebracht. Zusätzlich wurden bestimmte Einheiten der deutschen Kasernierten Volkspolizei, insgesamt 2.200 Mann, einberufen. Von all diesen wurden 3.660 entlang der Grenze zu West-Berlin stationiert, deren Überquerung sowohl für Fahrzeuge als auch für Fußgänger auf Anordnung der sowjetischen Militärbefehlshaber verboten war.

Während unsere Streitkräfte keine aktiven Schritte unternahmen, um die Unruhen zu beenden, gelang den Demonstranten der Widerstand gegen die Volkspolizei und die Kasernierte Volkspolizei, wodurch die Gefahr der Übernahme von Regierungsgebäuden und anderen wichtigen Orten durch die Aufständischen entstand. Angesichts dessen evakuierten wir gegen 10:30 Uhr die Mitglieder des ZK des SED-Politbüros und mehrere Mitglieder der DDR-Regierung in die Gebäude des Obersten Kommissars der UdSSR in Deutschland, die sich in Karlshorst befinden.

Angesichts der Unruhen, die sich in Berlin abgespielt hatten, zeigte sich das Stadtkomitee der SED am Morgen des 17. Juni verwirrt. Das Stadtkomitee bewies praktisch keine Führung gegenüber den regionalen Komitees. Um 10 Uhr morgens machten sich die Mitglieder des SED-Stadtkomiteesekretariats, einschließlich des leitenden Sekretärs Endretsky auf den Weg zu den wichtigsten Stadtwerken, um dortige Streiks zu verhindern. Die Mitarbeiter des Zentralen Sowjets des SNM, der regionalen Parteikomitees und 200 Mitglieder der städtischen Parteischule wurden ebenfalls zu den Stadtwerken geschickt. Obwohl die aktiven Mitglieder in der Lage waren, in zahlreichen Unternehmen Streiks abzuwenden, resultierte ihre Expedition zu den Unternehmen während der sich entwickelnden Straßenunruhen ebenso wie ihr Versäumnis, die Parteimitglieder aufzufordern, auf die Straße zu gehen, um die demokratische Regierung zu verteidigen, in einer Situation, in der die Hauptstraßen der Stadt im Wesentlichen in der Hand der besser organisierten Opposition waren. Es stimmt zwar, dass SED-Aktivisten sich an zahlreichen Orten mutig an handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Aufständischen beteiligten, doch sie wurden vom Pöbel geschlagen.

Aus diesen Gründen wurde die Kontrolle der Situation in der Stadt im Wesentlichen in die Hände der sowjetischen Organe gelegt. Die im SED-Stadtkomitee verbliebenen zweitrangigen Mitglieder waren größtenteils mit der Informationsbeschaffung auf Anforderung des ZK beschäftigt.

Im SED-Stadtkomitee waren die Kanäle zum Empfang von Kommuniqués schlecht organisiert, als Resultat dessen war das Stadtkomitee nicht über die aktuelle Situation in den Betrieben informiert. Um 12 Uhr kehrten die Mitglieder des Sekretariats des Stadtkomitees zum Stadtkomiteesitz zurück und waren bis um 3 Uhr damit beschäftigt, „Propagandaargumente für die Bevölkerung zu formulieren“. Außerdem ergriff das Stadtkomitee die notwendigen Maßnahmen, um den kontinuierlichen Betrieb der Elektrizitätswerke, Wasserversorgung, städtischen Verkehrsmittel, Gaswerke und des Handelsnetzwerks sicherzustellen.

Das Präsidium der Volkspolizei in Berlin (V. Schmidt) leitete recht effektiv die Volkspolizei, die reibungslos funktionierte.

Die Hauptrolle bei der Auflösung der Demonstrationen und der Liquidierung der Straßenkämpfe in Berlin spielten die sowjetischen Streitkräfte. Es sollte erwähnt werden, dass die Aufständischen anfangs recht provokativ gegenüber unseren Truppen auftraten – sie kletterten auf unsere Panzer, warfen Steine nach den Truppen, usw. Vor dem Polizeipräsidium eröffneten unsere Streitkräfte das Feuer auf die Aufständischen. Dies schien einen stark ernüchternden Effekt zu haben, nach dem die Unruhen in der Stadt schnell abflauten. Am Abend war in der Stadt Ordnung hergestellt.

Insgesamt nahmen etwa 66 Tausend Menschen, einschließlich ungefähr 10 Tausend West-Berlinern, an den Straßendemonstrationen in Berlin am 17. Juni teil. Neben den Arbeitern schloss die Demonstration Kunsthandwerker, Händler und andere Teile des Kleinbürgertums ein.

Im Verlauf des Tages des 17. Juni tauchten über verschiedenen Teilen des sowjetischen Sektors amerikanische Flugzeuge auf, aus denen Flugblätter abgeworfen wurden, die Aufrufe an die Bevölkerung enthielten, sich an den Streiks und Unruhen zu beteiligen und daran zu arbeiten, die Regierung der DDR zu stürzen. An der Zonengrenze tauchten bei verschiedenen Gelegenheiten mobile Lautsprecher auf, über die den Aufständischen Anweisungen gegeben wurden. Nach der Dislokation von Wachen an der Zonengrenze brachen mehrere große Gruppen von Provokateuren und Krawallmachern aus West-Berlin zum sowjetischen Sektor durch. In der Brauneckstraße und der Bernauer Straße begannen diese Gruppen einen Schusswechsel mit der deutschen Polizei, aus dem Opfer hervorgingen.

Am Abend des 17. Juni empfahl der amerikanische Radiosender RIAS[1] in seinen Übertragungen den Aufständischen, sich den Anordnungen der sowjetischen Beamten zu unterwerfen und nicht mit sowjetischen Truppen aneinanderzugeraten.

Am 18. Juni streikten viele Fabriken in Gegenwart der militärischen Lage weiter. An etlichen Orten gab es Versuche, die Demonstrationen wieder aufzunehmen und Streikpostenketten zu bilden, die von den entschiedenen Handlungen der deutschen Polizei und zum Teil der sowjetischen Streitkräfte verhindert wurden, die alle wichtigen Punkte im östlichen Teil der Stadt sicherten. In den Beziehungen zwischen der Bevölkerung und dem sowjetischen Militär gab es ein erhebliches Gefühl der Entfremdung; tatsächlich dauerte es bis zum 22. Juni, bis die Partei eine Kampagne zur Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Bevölkerung und unserem Militär durchführte.

Am 19./20. Juni begannen die Streiks stark abzuflauen und Normalität wurde hergestellt. Unter den streikenden Arbeitern in den Betrieben konnte jedoch ein Gefühl der Bitterkeit beobachtet werden. Es gab zahlreiche Beispiele von feindlichen Agenten und Provokateuren, die in den Betrieben arbeiteten. SED und SNM handelten weiterhin unentschlossen und schwach und bedienten sich hauptsächlich niedriger Funktionäre. Das SED-Stadtkomitee begann am 19. Juni, ebenso das SED-ZK, seine Mitarbeiter im großen Stil zu den Fabriken zu schicken, doch selbst an diesem Tag beschränkten sie sich in Übereinstimmung mit den Anweisungen Ulbrichts auf das Abhalten kleiner Versammlungen, da sie befürchteten, dass die Parteifunktionäre in großen Arbeiterversammlungen Widerstand ausgesetzt und ausgepfiffen würden. Am 19. Juni bestellten wir das gesamte SED-Stadtkomitee zu einer Besprechung ein und machten ihnen in unmissverständlichen Worten klar, dass es einen sofortigen und entschiedenen Schritt geben müsse, um alle in Berlin verfügbaren Parteikräfte in die Fabriken zu schicken, damit eine entsprechende Änderung der Stimmung bei den Arbeitern sichergestellt werden könne.

[Anm.: Weitere Abschnitte in Teil I des Berichts untersuchten „Die Situation in anderen Städten der DDR am 17.-19. Juni“, „Die Parolen und Forderungen der Demonstranten und Streikenden“, „Die Stimmung der Arbeiter“, „Das Verhalten anderer Gruppen. Die Intelligenz. Die ländlichen Gegenden. Die Kirche“ und „Die Partei. Parteiapparat. Parteiblock. Gesellschaftliche Organisationen.“ Teil II untersuchte „Die wirtschaftlichen Probleme denen die DDR angesichts der Ereignisse des 17.-19. Juni ausgesetzt ist.“]

III. Einige Schlüsse und Empfehlungen

Hinsichtlich des oben Erwähnten halten wir es für angebracht, die folgenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation in der DDR zu korrigieren:

1. Den neuen politischen Kurs fest und beständig auszuführen, wie es in den Resolutionen der sowjetischen Regierung vom 6. Juni 1953 zur Normalisierung der politischen Situation in der DDR ausgeführt ist.

2. Unverzüglich Schritte zu unternehmen, um die Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung der DDR radikal zu verbessern, indem man sie mit entsprechender Hilfe aus der Sowjetunion und anderen Volksdemokratien versorgt. In dieser Hinsicht sollte man bedenken, dass bisher die Arten der Unterstützung, einschließlich der von der Sowjetregierung am 24. Juni angeordneten zusätzlichen Lieferungen, auf Lebensmittelrationen und im 3. Quartal dieses Jahres auf minimalen kommerziellen Handel in den „KhO“-Geschäften beschränkt waren.

3. Um eine stabile Wirtschaft in der DDR zu schaffen und den Lebensstandard der DDR-Bürger so zu verbessern, dass er dem der Bürger Westdeutschlands gleicht, die Frage des Stopps der Warenlieferungen als Reparationen an die Sowjetunion und Polen zu prüfen und die Warenlieferungen an die UdSSR als Bezahlung für gegenwärtig in der DDR operierende sowjetische Unternehmen ab der zweiten Hälfte des Jahres 1953 zu beenden, um diese Waren dafür zu nutzen, den Außenhandel der DDR zu verbessern und den Eigenbedarf der Republik zu decken.

Die Reparationszahlungen in Mark fortzusetzen, in Beträgen, die eine normale Aktivität der SABM „Wismut“[2] sicherstellen.

4. Die Frage einer starken Reduzierung der finanziellen Verantwortung der DDR bei der Unterhaltung der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zu prüfen.

5. Das Eigentum aller verbleibenden sowjetischen industriellen, Handels- und Transportunternehmen einschließlich der Bank und der Schwarzmeer-Ostsee Versicherungsgesellschaft zu günstigen Konditionen an die DDR zu übertragen und die für diese Betriebe erhaltenen Summen hauptsächlich als zukünftige von der Sowjetunion durch die SABM „Wismut“ gemachte Ausgaben zu nutzen.

6. Den Wechselkurs zwischen DDR-Mark und Rubel in Finanzverhandlungen zwischen der UdSSR und der DDR festzulegen, um die tatsächliche Kaufkraft der Mark und des Rubels widerzuspiegeln.

7. Es zum Hauptziel des SED-ZK und der DDR-Regierung zu machen, den Lebensstandard der Arbeiter in öffentlichen und privaten Betrieben ernsthaft zu verbessern, ebenso wie weitreichende politische Aktionen unter den Arbeitern in Angriff zu nehmen, mit dem Ziel, deren Beziehungen zur Partei zu verbessern.

8. Vor dem Hintergrund der jüngsten Fehlleitung des SED-ZK durch deren Führungsmethoden der Übernahme der Regierung und Verwaltungsorgane ist es offensichtlich nötig, die Funktionen der DDR-Regierung und des SED-ZK zu trennen, und dem SED-ZK lediglich die Kontrollgewalt in den wichtigsten Fragen des Staates und seiner Bürgerschaft zu geben.

Die Aufmerksamkeit des SED-ZK auf das Ausführen politischer Kampagnen in der Bevölkerung und auf das Glätten interner Parteiprozesse durch das Einführen einer breiteren parteiinternen Demokratie zu richten, Kritik und Selbstkritik von der Spitze bis zur Basis.

Dementsprechend ist es notwendig:

a) die DDR-Regierung zu reorganisieren mit dem Ziel, den Regierungsapparat sowohl zentral als auch in seinen Zweigen zu stärken und seine Größe zu reduzieren, indem eine Zahl verstreuter Ministerien und Abteilungen zu größeren Ministerien und Abteilungen konsolidiert wird;

b) das Ministerium für Staatssicherheit der DDR aufzulösen, indem man es in das Ministerium für Innere Angelegenheiten integriert;

c) Genossen Ulbricht seiner Pflichten als Stellvertretendem Premierminister der DDR zu entheben, um es ihm zu ermöglichen, seine Aufmerksamkeit auf die Arbeit innerhalb des SED-ZK zu konzentrieren;

d) die Rolle der Volkskammer zu der eines aktiven Parlaments der Republik zu erhöhen, das die Gesetze der Republik debattiert und erlässt, Kommissionen einsetzt, Anfragen und Forderungen seiner Abgeordneten diskutiert, usw.

Die Verabschiedung jeglicher Resolutionen, die tatsächlich Gesetze sind, welche die Volkskammer der DDR umgehen, zu verbieten.

e) eine außerordentliche Sitzung der Volkskammer der DDR einzuberufen als eine Möglichkeit für die DDR-Regierung, ebenso über ihre Arbeit wie über ihre Fehler in der Vergangenheit zu berichten und danach die Regierungsebenen zu reorganisieren, die weniger fähigen und beliebten Minister zu entlassen und beliebtere Personen in Ministerposten einzusetzen, und dabei in größerem Maße Abgeordnete anderer Parteien einzubeziehen.

9. Die Funktionen des Sekretariats des SED-ZK auf solche Aufgaben wie die Überwachung der Ausführung von Entscheidungen des ZK des Politbüros, organisatorische Fragen, Personalauswahl, Einsatz und Ausbildung von Personal, ebenso wie Fragen parteibezogener politischer Massenkampagnen zu beschränken. Das ZK-Sekretariat zu reorganisieren mit dem Ziel, neues Personal, einschließlich der Intelligenz, in dessen Reihen hineinzubringen. Die Zahl der Mitglieder des Sekretariats von 11 auf 5 Personen zu reduzieren.

Die gegenwärtig existierende Position des Generalsekretärs des SED-ZK aufzulösen und es durch mehrere ZK-Sekretärsposten zu ersetzen.

10. In den nächsten 3-4 Monaten den IV. SED Parteitag abzuhalten, auf dem die Fragen der Rolle der Partei bei der Etablierung des neuen Kurses diskutiert würden. Während dieser Versammlung die Ränge des ZK ernsthaft zu erneuern, um eine größere Zahl jüngeren Personals einzuschließen, das in seiner Arbeit mit den arbeitenden Klassen, den arbeitenden Bauern und auch der Intelligenz hervorragende Leistungen gezeigt hat. Die Ränge des ZK des SED-Politbüros radikal zu erneuern und es von solchen Mitgliedern zu säubern, die nicht die notwendigen Fähigkeiten aufweisen, die von Führern der Partei und des Staates in diesen Zeiten gefordert sind.

11. Eine besondere Untersuchung der Arbeit der Berufsgewerkschaften durchzuführen und entscheidende Änderungen in den Rängen der Führungspersonen der entsprechenden Organisationen vorzunehmen, ebenso wie neue Vorschriften einzuführen, welche die Rolle der Berufsgewerkschaften im Einklang mit den Anforderungen des neuen Kurses radikal ändern würde.

12. Die Ränge, Organisation und Verteilung der Volkspolizei der DDR zu überprüfen, sie mit modernen Waffen auszurüsten, einschließlich gepanzerter Transporte und Panzerfahrzeugen, und mit Kommunikationsausrüstung, ebenso wie aus den Rängen bestehender Einheiten der Kasernierten Volkspolizei mobile Einheiten ausreichender Bereitschaft und Stärke zu schaffen, um ohne die Hilde des sowjetischen Militärs Ordnung und Frieden in der Republik aufrechterhalten zu können.

Den derzeit existierenden Armeekorpus der DDR zu einer Armee des Nationalgarden-Typus entsprechend dem, wie er in Westdeutschland existiert, zu reorganisieren.

13. Der SNM-Organisation den Charakter einer parteiunabhängigen Jugendorganisation mit breiter Basis zu geben, indem man sich die Erfahrung früherer deutscher Jugendorganisationen zunutze macht. Änderungen in den Führungsrängen des Zentralen Sowjet der Union der Deutschen Jugend (SNM) vorzunehmen.

14. Den Charakter der diplomatischen Delegation der DDR in der Sowjetunion sowie ihre Aufgaben zu ändern. Kulturelle und technische Bindungen zwischen der DDR und der Sowjetunion zu stärken. Urlaube und Sanatoriumsaufenthalte von SED-Funktionären in der Sowjetunion und anderen Ländern einzuschränken und die Urlaubsreisen und Sanatoriumsaufenthalte von bekannten Mitgliedern der deutschen Intelligenz, Arbeitern, Mitgliedern anderer Parteien ebenso wie von Touristen zu erhöhen.

15. Um das internationale Ansehender DDR und die Autorität der DDR-Regierung in den Augen der deutschen Bevölkerung zu erhöhen, die neue, von der Volkskammer gewählte Regierung einen offiziellen Besuch nach Moskau machen zu lassen.

16. Es nach den Änderungen der militärischen Situation in Berlin so lange für unklug zu halten, die Grenze zu Westdeutschland offen zu halten, bis die Kommandanten in West-Berlin die notwendigen Schritte ergriffen haben, um zu garantieren, dass Agenten und Provokateure, die in Ost-Berlin subversive Handlungen gegen die DDR ausüben, nicht mehr aus West-Berlin geschickt werden. In diesem Hinblick in der nahen Zukunft ein System permanenter und vorübergehender Visa einzurichten, um die Überquerung der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin zu ermöglichen, dabei jedoch sicherzustellen, keine unnötigen Schwierigkeiten zu schaffen und allgemein die Interessen der deutschen Bevölkerung zu berücksichtigen.

17. Die Kommandogruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland mit der Verbesserung der Verteilung sowjetischer Truppen zu betrauen und dabei die während der Ereignisse des 17. Juni gelernten Lektionen im Kopf zu behalten und insbesondere dafür zu sorgen, dass die notwendige Anzahl von Panzereinheiten in Berlin quartiert wird.

V. Sokolovskij V. Semjonov P. Yudin

24. Juni 1953

Quelle des russischen Originals: Fund 06, Opis 12a, Papka 5, Delo 301, Listy 1-51, Archive of Foreign Policy, Russian Federation (AVP RF), Moscow; document obtained and provided by Vladislav M. Zubok, National Security Archive; ins Englische übersetzt von Danny Rozas.

Deutsche Übersetzung von Insa Kummer. Bitte bei der Verwendung dieses Textes für wissenschaftliche Zwecke berücksichtigen, dass es sich hierbei um die Übersetzung einer englischen Übersetzung des russischen Originals handelt.

Anmerkungen

[1] Radio im amerikanischen Sektor
[2] Staatliche Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie, bis Ende 1953 Reparationsbetrieb im Eigentum der Sowjetunion.