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Zu Beginn Gesetze am laufenden Band
Der Landtag von Brandenburg ist inzwischen den Kinderschuhen entwachsen. Anfängliche Euphorien, Aufgeregtheiten und auch Unzulänglichkeiten sind im Laufe der Zeit Gelassenheit und professioneller Routine gewichen. In den 19 Ausschüssen wird perfekte Arbeit geleistet, und bei den Redeschlachten im Plenarsaal haben die Akteure längst Westniveau erreicht.
Nach den Wahlen vom Oktober 1990 zogen 88 Abgeordnete in das Parlament ein. Stärkste Fraktion mit 36 Abgeordneten wurde die SPD. Die CDU-Fraktion brachte es auf 27 Abgeordnete, während die PDS 13 Sitze erhielt. Hinzu kamen damals die beiden kleineren Parteien F.D.P. und das in der Wendezeit aus Bürgerrechtlern entstandene Bündnis 90 mit jeweils sechs Parlamentariern. Während von den zehn Ministern der Landesregierung immerhin fünf aus dem Westen „importiert“ wurden, kamen alle Abgeordneten des Landtages aus Brandenburg.
Gründerjahre
In den Gründerjahren mußte erst einmal in harter Arbeit das für die parlamentarische Demokratie im jungen Bundesland Brandenburg unentbehrliche Räderwerk geschaffen werden: Die notwendigen Gesetze wurden buchstäblich am laufenden Band erarbeitet, debattiert und beschlossen. Heute geht es dagegen vor allem um deren Novellierung, um sie an die Gegebenheiten im Land anzupassen. Verabschiedet wurden in der ersten Legislaturperiode von 1990 bis 1994 immerhin 207 Gesetze, die zumeist altes DDR-Recht ablösten. Immerhin seien das gut 50 Gesetze pro Jahr gewesen, erinnert sich Parlamentspräsident Herbert Knoblich (SPD), der nach sechs Amtsjahren inzwischen auch als „alter Hase“ gilt. „Das war eine ungeheure Leistung und Belastung zugleich“, sagt er. Knoblich: „Es war damals unsere Pflicht, bei uns die politischen Strukturen der alten Bundesrepublik zu schaffen.“
Knoblich spricht vom „Geist der runden Tische“, der damals im Parlament herrschte. Eine ungeheure Dynamik habe die Entwicklung nach dem Fall der Mauer im Osten bestimmt und ihren Niederschlag auch in den Beschlüssen des Landtages gefunden. Die seien manchmal allerdings noch recht merkwürdig formuliert gewesen, da es am Anfang an Erfahrungen fehlte. Auch die Fraktionsgrenzen waren damals längst noch nicht so festgezurrt wie heute. Bei Abstimmungen wurde quer durch alle Parteien mit Ja oder Nein votiert. „Der Satz in der brandenburgischen Landesverfassung vom Abgeordneten, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, mag zwar für westliche Ohren recht formal klingen, doch im Osten war er eine echte Alternative zur überwundenen DDR-Diktatur“, betont Knoblich. Inzwischen habe sich zwar die anfängliche Farbigkeit wesentlich reduziert, doch geblieben sei die große Nähe der Abgeordneten zum Bürger und zu ihrer Region. Keine der Fraktionen richte sich ausschließlich nach den Vorgaben aus Bonn. Die Politik werde voll auf die Probleme im Osten zugeschnitten, auch wenn das den Vorgaben der eigenen Partei widerspreche.
Verfassungskonsens
Geschaffen wurde eine eigene brandenburgische Landesverfassung, die wegen ihrer zahlreichen plebiszitären Elemente viel Lob, aber auch harte Kritik erntete. Mit einem breiten Konsens über Fraktionsgrenzen hinweg wurden das Recht der Bürger auf Arbeit und Wohnen festgeschrieben. Mit 20 000 Unterschriften kann die Bevölkerung eine Volksinitiative und mit
80 000 ein Volksbegehren auslösen. Ein immenses Arbeitspensum brachte auch die erforderliche Kreisgebietsreform. Ende 1993 entstanden aus den bis dahin vorhandenen 36 winzigen Verwaltungseinheiten 14 Großkreise und vier kreisfreie Städte.
Wie ein roter Faden zog sich die Aufarbeitung der Stasivergangenheit durch die gesamte erste Legislaturperiode. Zwei Abgeordnete – ausgerechnet aus der Bündnis 90-Fraktion – nahmen wegen nachgewiesener Kungelei mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) den Hut und legten ihr Mandat nieder. Mehrere weitere Abgeordnete aus den anderen Fraktionen galten als Grenzfälle und blieben im Parlament. Fast zweieinhalb Jahre beschäftigte die Stasivergangenheit von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) das Parlament. Der auf Antrag der CDU im Februar 1992 eingesetzte Stolpe-Untersuchungsausschuß dominierte unter beträchtlichem Medienrummel fast zweieinhalb Jahre das politische Leben in Potsdam. Im Juni 1994 wurde die Arbeit schließlich mit dem Freispruch Stolpes und einem Appell des Landtages für eine Beurteilung der DDR-Vergangenheit mit menschlichem Maß abgeschlossen.
Immer wieder neu auftauchende Akten aus der Berliner Gauck-Behörde und viele Verdächtigungen lähmten während der Arbeit des Ausschusses die Regierungsgeschäfte und versetzten im März 1994 auch der aus SPD, F.D.P. und Bündnis 90 gebildeten Ampelkoalition den Todesstoß. Nach dem Vorwurf des damaligen Bündnis-Fraktionschefs Günter Nooke, Stolpe sei ein Lügner, brach die bis dahin oft nur mühevoll zusammengehaltene Ampel endgültig auseinander. Bis zum Ende der ersten Legislaturperiode ein halbes Jahr später regierten SPD und F.D.P. allein weiter.
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Quelle: Klaus-Dieter Eule, „Zu Beginn Gesetze am laufenden Band“, Das Parlament, 17./24. Januar 1997, S. 5.