Kurzbeschreibung

Ein Journalistenpaar beschreibt den letzten Auftritt des Volksmusik-Showmasters Karl Moik, der wegen seiner Darstellung eines sentimentalen Bildes vom ländlichen Deutschland, mit nostalgischen Anklängen an ein besseres, einfacheres Leben, bei der älteren Generation ungeheuer beliebt ist.

Eine Volksmusik-Show im Fernsehen sentimentalisiert das ländliche Deutschland (2006)

  • Tim Holhöfer
  • Jan Kühnemund

Quelle

Wir tanzen Hopsasa

Mit Kürbiskernen feiert Karl Moik Abschied vom Musikantenstadl. Aus der Weser-Ems-Halle Oldenburg berichten Jan Kühnemund und Tim Holthöfer.

Das ist er: Karl Moik im Kreise seiner Lieben. Die 3 Zwidern, Tony Marschall, Hias Meyer, Claudia Jung und natürlich Herlinde, die Jodelmeisterin. Wann geht's bloß los?

„Gute Plätze“, freut sich eine ältere Dame in der dritten Reihe. „Aber für 56 Euro muss das auch sein.“ Sie sei wegen Semino Rossi hier, erzählt sie und schwenkt stolz Schlüsselanhänger und Jutebeutel mit dem Konterfei des „Königs der Romantik“. Der fünf Euro teure Beutel sei nur fünfzig Cent wert – das sieht sie ganz nüchtern. „Aber für den Semino...“ Unter dem glitzernden Blazer trägt sie ein T-Shirt mit seinem Autogramm.

Auf die Minute pünktlich geht es los, das zünftig gekleidete Orchester betritt die Bühne, „wie Sie es gewohnt sind, wird alles live und ohne Playback dargeboten“. Als hätte jemand ein Knöpfchen gedrückt, setzt rhythmisches Klatschen ein, es ist wie im Fernsehen. Bloß die Lautstärke! Für die, die noch hören, ist es zu leise, für die mit Hörgerät zu laut.

Das Orchester spielt schmissige Melodien. Karl Moik steigt mit einem Plüschtier die Showtreppe hinab und singt ein Lied auf seinen Dackel.

„Schöne Melodien, beschwingte Melodien und auch ein paar Gags“, verspricht er für den Abend. Die Gags haben es in sich. „Der Hansi ist im zwölften Monat schwanger und hat kein Geld für zum Entbinden“, stellt er den Trompeter der 3 Zwidern vor.

Die meisten Späße macht Karl Moik zusammen mit dem Spaßmacher Hias Mayer. Ihre Pointen sind preiswert. Das Publikum erfreut sich an Bewährtem. Kennen Sie den Witz über den überholten Geisterfahrer?

Kaum dreht Karl Moik dem Saal den Rücken zu, verschwindet sein Lächeln. Er ist ein sehr sparsamer Unterhalter.

Das bunte Programm besticht durch die Kürze der Lieder. Zwanzig Gassenhauer in einer Stunde – da kommt keine Langeweile auf.

Die 3 Zwidern bejodeln ihre Heimat und das schöne Tiroler Land. „So, jetzt wollma lustig bleiben mit unserm Stimmungsmedley.“ Das Publikum schunkelt und singt alle Hollahiahos, Humbahumbatätärätätäs und Glorygloryhallelujahs aus voller Kehle mit. „Que sera sera, ist das net wunderbar, und jetzt alle!“

„Die Herlinde“, schwärmt der Karl Moik, „das ist eine ganz Tolle. Sie kann jodeln und ist eine stolze Mama“. Sie war viermal österreichische Jodelmeisterin und singt vom „Fisten auf der Pisten“. Oder so ähnlich. Ihr Lächeln ist sehenswert: Es ist auftätowiert!

Gleich in der Pause gibt es Stadlbrot von einer Oldenburger Großbäckerei. Karl Moik gibt zwei Bäckerinnen das Wort: „Wir haben 46 Filialen im Raum Oldenburg, Bremen und Wesermarsch“. – „Und wie viele Geschäfte haben Sie?“– „46.“ – „Oha, das sind ja viele. Alle hier in Oldenburg?“

Karl Moik mag die Bäckerinnen, sie seien unverheiratet. „Und was ist drin in dem Brot?“ – „Natursauerteig, Sonnenblumenkerne...“ – „Halt! Sonnenblumenkerne, was sagt uns das?“ – „Keine Ahnung, ich weiß nur was über Kürbiskerne“. – „Ja, genau, Kürbiskerne. Kaufen Sie das Brot, dann geht es rund heute Nacht. Oder nehmen Sie es einfach als Erinnerung an diesen schönen Stadlabend mit.“

Karl Moik weiß um die Kaufkraft der älteren Generation. Eine DVD und eine CD hat er dabei, „was ganz was Schönes und Weihnachten ist ja auch bald“. Die gibt's in der Pause im Foyer, dazu die Tonträger der Auftretenden und das Stadlbrot von Bäckerei Meyer, „Stück zwei Euro, drei Stück drei, nein, zwei, also drei, fünf Euro.“

„Toll, so viele Leute“, ruft Claudia Jung aus dem Publikum.

„Tanz mit mir in den Morgen, und ich bleib heute bei dir“, haucht sie älteren Herren ins Ohr.

Und nun Semino Rossi! „Seine einzigartige, ausdrucksstarke Stimme jagt der Damenwelt samtige Schauer über die Haut.“ Da hat das Programmheft Recht. Während er singt, überreichen ihm Zuschauerinnen Plüsch, Blumen und Pralinen. Er dankt auf seine Weise: „Ich schenke alle Rosen dieser Welt dir im Namen der Zärtlichkeit.“

Dann „der Typ für Freude, Stimmung, Frohsinn“: Herbert Anton Hilger – besser bekannt als Tony Marshall. „Hach, ist das schön, endlich mal wieder in Oldenburg zu sein. So ein Publikum wünscht man sich jeden Abend, das ist ja unglaublich.“

„Schöne Maid, hast du heut für mich Zeit, hojahojaho. Sag bitte ja, dann bin ich nur für dich da, ho-jahojaho. Wir singen Tralala und tanzen Hopsasa, wir wollen fröhlich sein und uns des Lebens freun.“

„Wir wollen ganz zufrieden sein und trinken Bier und Schnaps und Wein. Wir wollen trinken, noch einen trinken, weil man die Sorgen dann vergisst.“ – So sieht es Tony Marschall.

„So ein Tag wie heute ist für euch die beste Medizin“, schmettert er den Rentnern entgegen. „Wir machen durch bis morgen früh. Wenn die anderen zur Arbeit gehen, sagen wir gute Nacht.“

Nach zweieinhalb Stunden ist Schluss. Noch vier Auftritte, dann will Karl Moik seine jahrzehntelange Karriere beenden. Sein Publikum wird ihn vermissen.

Quelle: Jan Kühnemund und Tim Holhöfer, „Wir tanzen Hopsasa“, ZEIT online, 16. November 2006.

Eine Volksmusik-Show im Fernsehen sentimentalisiert das ländliche Deutschland (2006), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/ein-neues-deutschland-1990-2023/ghdi:document-3658> [11.05.2024].