Quelle
Die Teilnehmer des Runden Tisches treffen sich aus tiefer Sorge um unser in eine tiefe Krise geratenes Land, seine Eigenständigkeit und seine dauerhafte Entwicklung.
Sie fordern die Offenlegung der ökologischen, wirtschaftlichen und finanziellen Situation in unserem Land.
Obwohl der Runde Tisch keine parlamentarische oder Regierungsfunktion ausüben kann, will er sich mit Vorschlägen zur Überwindung der Krise an die Öffentlichkeit wenden.
Er fordert von der Volkskammer und der Regierung, rechtzeitig vor wichtigen rechts-, wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen informiert und einbezogen zu werden.
Er versteht sich als Bestandteil der öffentlichen Kontrolle in unserem Land. Geplant ist, seine Tätigkeit bis zur Durchführung freier, demokratischer und geheimer Wahlen fortzusetzen. […]
Es werden folgende Übereinkünfte getroffen:
Erarbeitung eines Entwurfes einer neuen Verfassung
1. Die Teilnehmer des Runden Tischen stimmen überein, sofort mit einer Erarbeitung des Entwurfes einer neuen Verfassung zu beginnen.
2. Sie berufen dafür eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe, die umgehend mit der Arbeit beginnt und nach Notwendigkeit weitere Bürger und Bürgerinnen einbezieht.
3. Die Teilnehmer des Runden Tisches haben Übereinstimmung darüber, daß die Bestätigung dieser neuen Verfassung nach Neuwahlen zur Volkskammer in einem Volksentscheid 1990 erfolgt.
4. Die für die Durchführung für Neuwahlen erforderlichen Verfassungsänderungen sind unverzüglich zu erarbeiten.
5. Die Teilnehmer des Runden Tisches nehmen das Angebot zur Mitwirkung an einem entsprechenden Volkskammerausschuß zur Kenntnis und bestimmen eigenständig ihre Mitarbeit.
Wahltermin
Der Runde Tisch empfiehlt als Termin, die Wahl zur Volkskammer am 6. Mai 1990 durchzuführen.
Bildung von Arbeitsgruppen
Der Runde Tisch beschließt die Bildung von Arbeitsgruppen und benennt dazu je zwei Einberufer.
1. Wahlgesetz
2. Parteien- und Vereinigungsgesetz
3. Neue Verfassung (vgl. o. g. Beschluß)
4. Wirtschaft
Zur Rechtsstaatlichkeit
Im Bemühen um Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Interessen unseres Volkes fordern die Teilnehmer des Runden Tisches Sofortmaßnahmen der Regierung in folgenden Fragen:
1. Jede Person, die Amtsmißbrauch und Korruption begangen hat, wird auf der Grundlage des geltenden Strafgesetzbuches zur Verantwortung gezogen. Bei der Durchführung von Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren werden die Bestimmungen der Strafprozeßordnung angewandt. Dies bedeutet erforderlichenfalls den Erlaß von Haftbefehlen und nicht die Anordnung ungesetzlicher Hausarreste.
1.1. Die Dienststelle des Generalstaatsanwaltes der DDR hat jeweils unverzüglich zu sichern, daß allen Hinweisen, Anzeigen und Mitteilungen auf der Grundlage des § 95 der Strafprozeßordnung nachgegangen wird und bei Vorliegen von Verdachtsgründen einer Straftat sofort geprüft wird, welche notwendige Sicherung von Objekten und Beweismitteln zu erfolgen hat.
1.2. Die Regierung der DDR wird aufgefordert, eine spezielle Untersuchungsabteilung für die Aufklärung der Vorgänge von Amtsmißbrauch und Korruption zu bilden. Diese Untersuchungsabteilung wird für die Dauer ihrer Tätigkeit unmittelbar dem Ministerpräsidenten unterstellt. Die Aufgabenstellung dieser Untersuchungsabteilung wird öffentlich bekanntgemacht.
1.3. Die Staatsanwaltschaft der DDR wird aufgefordert, mit der am 4. 12. 1989 gebildeten unabhängigen Untersuchungskommission wirksam zusammenzuarbeiten.
1.4. Die Regierung der DDR wird aufgefordert, einen sofortigen Maßnahmeplan öffentlich bekanntzugeben, wie durch Sicherungskräfte des Ministeriums des Innern alle Dienststellen des Amtes für Nationale Sicherheit auf allen Ebenen unter Kontrolle gestellt werden, damit keine Vernichtung von Dokumenten bzw. Beweismaterial erfolgen kann und Mißbrauch ausgeschlossen wird.
2. Die Regierung der DDR wird aufgefordert, das Amt für Nationale Sicherheit unter ziviler Kontrolle aufzulösen und die berufliche Eingliederung der ausscheidenden Mitarbeiter zu gewährleisten. Über die Gewährleistung der eventuell notwendigen Dienste im Sicherheitsbereich soll die Regierung die Öffentlichkeit informieren.
3. Die Regierung der DDR wird aufgefordert, zur Unterstützung der Tätigkeit unabhängiger Bürgerkomitees den rechtlichen Rahmen festzulegen.
Quelle: Zeno und Sabine Zimmerling, Hrsg., Neue Chronik DDR: Berichte, Fotos, Dokumente, 3 (24. November–22. Dezember 1989). Berlin: Verlag Tribüne, 1990–91, S. 57 ff.