Das Bedürfnis unter den aus eigener Kraft aufgestiegenen Unternehmern
Deutschlands nach Selbstdarstellung resultierte in zahlreichen Aufträgen
für Bilder von Fabriken, Fabrikarbeit und Villen der Fabrikbesitzer. Zum
Beispiel gab Albert Borsig einen Zyklus großer Ölgemälde,
Geschichte einer Lokomotive, bei Paul
Meyerheim in Auftrag, um sein Landhaus zu schmücken. Dieses Werk von
Adolph Menzel (1815–1905) – sein berühmtestes – war jedoch kein Ergebnis
einer solchen Auftragsarbeit. Ursprünglich wurde es etappenweise
(während das Werk voranschritt) von dem Bankier Adolph von Liebermann
erworben, der bald nach Übergabe des vollendeten Werkes Anfang 1875 in
finanzielle Schwierigkeiten geriet. Im Oktober desselben Jahres sah sich
Liebermann gezwungen, das Bild an den Direktor der Nationalgalerie, Max
Jordan zu verkaufen (und erhielt 30.000 Taler für ein Werk, das ihn
11.000 Taler gekostet hatte).
Eine Reihe von Merkmalen, die in traditionellen Kompositionen und in
Menzels anderen großen Ölgemälden zu finden sind, lassen sich hier
beobachten: Zu beachten ist beispielsweise die triptychonähnliche
Struktur. Indem er das Bild ungefähr in Drittel aufteilte, war Menzel in
der Lage, das Tagwerk der Männer in unterschiedlichen Phasen
darzustellen. Die mittlere „Tafel“ zeigt zahlreiche Männer bei der
harten Arbeit mit glühendem, geschmolzenem Metall; linker Hand waschen
sich verschiedene andere Arbeiter nach Ende ihrer Schicht; rechts essen
weitere ihr Mittagsbrot, das ihnen ein junges Mädchen gebracht hat.
Menzels charakteristische Raumeinteilung wird durch die kräftige
Diagonale erreicht, die vom Mädchen im rechten unteren Ecke, durch das
Feuer und riesige Schwungrad und nach hinten in die verborgensten Winkel
der Fabrik verläuft. Mehrere Elemente verstärken diese Fluchtlinie,
darunter das Spiel mit dem Licht sowie die Krümmung des Arbeiterarms
(etwa in der Bildmitte), der in seiner Form das Schwungrad nachahmt und
unterstreicht.
Wenngleich dieses Gemälde einen lebensechten Eindruck von Rauch,
Schweiß, Hitze und harter Knochenarbeit vermittelt, wurde es zunächst in
Menzels Geist konzipiert: erst als ein Ansatz, um über das Genre des
historischen Realismus hinauszukommen, der beispielsweise so viele
Darstellungen Friedrichs des Großen und die Krönung König Wilhelms I.
(1861) hervorgebracht hatte, und zweitens, um Menzels eigene Neugier zu
befriedigen, wie das neue Deutschland am besten abzubilden sei, in dem
der Aufstieg der Fertigungsindustrie sowohl riesige Fabrikanlagen als
auch eine komplexe Wirtschaftsstruktur sowie einen immer weiter
wachsenden Bedarf an zermürbender menschlicher Arbeitsleistung
erforderte, um diese Maschinen und Systeme in Betrieb zu halten. Um
seinen Gegenstand zu erforschen, reiste Menzel im Spätsommer 1872 zum
staatlichen Eisenbahnschienenwerk Königshütte in seiner Heimatprovinz
Schlesien. Er besuchte eine sowohl für ihre hoch entwickelten Maschinen
als auch für ihre aufkeimenden sozialen Spannungen bekannte Gießerei
(man achte auf die Gestalt des Fabrikinspektors, der Mitte links im
Schein eines Hochofens im Profil dargestellt ist). Menzel las die
damalige Ingenieursliteratur, skizzierte unvertraute Werkzeuge und
studierte die Bewegungen der Arbeiter, die sich im Gleichklang mit den
riesigen Maschinen bewegten. Er suchte außerdem die Metallwerke Borsig
in der Berliner Vorstadt Moabit auf.
Was also beobachten wir hier? Im Jahr 1879 erklärte Menzel Max
Jordan, dass er die Herstellung einer Schienenlänge über ihre vielen
Fertigungsphasen gemalt hatte: von einer weißglühenden Luppe (links),
über eine Reihe von Walzen (Mitte) bis hin zu den drei Figuren rechts,
die auf die Ankunft des Teils warten, um dann mit der Formung zu einer
Schiene zu beginnen. Die Dimension der in Menzels Gemälde dargestellten
eigentlichen Unternehmens Königshütte war geradezu erstaunlich.
Dreitausend Arbeiter waren an sieben Haupthochöfen, 71 Puddelöfen und 33
Schweißöfen beschäftigt. Zusammen mit vier Bessemer-Konvertern erzeugten
diese Einheiten in einem typischen Jahr 55.000 Tonnen Roheisen, 43.000
Tonnen Stabeisen und Bahnschienen, 750 Tonnen Rohzink und 10.000 Tonnen
Eisenbahnstahl.
Max Jordan war hocherfreut, ein solch großartiges Bild so bald nach
Eröffnung der Nationalgalerie in seine Sammlung aufzunehmen. Man fragt
sich allerdings, ob Menzel ebenso angetan war von Jordans Zusatz
„Moderne Cyklopen“ im Bildtitel. In der kurzen Zeitspanne zwischen
Inangriffnahme und Vollendung des Gemäldes hatten sich die
Arbeitskonflikte und sozialen Spannungen in Oberschlesien erheblich
verschärft. Die Unruhen wurden verursacht durch die Spekulationen der
Gründerzeit, den Gründerkrach von 1873 und die Bemühungen der lokalen
katholischen Geistlichkeit, katholische Arbeiter für ihr Ringen gegen
Bismarcks Kulturkampf zu rekrutieren. Die Armee wurde zur
Niederschlagung dieser Unruhen eingesetzt, was zum Ruf Schlesiens als
weniger günstiges Umfeld für Arbeiter als das Ruhrgebiet beitrug.
Deshalb ist eine gewisse Skepsis darüber angebracht, ob Menzel behauptet
hätte, entweder das Heldentum oder den Pathos des modernen Lebens
dargestellt zu haben.
Die Doppeldeutigkeiten der damaligen sozialen Realitäten nährten
seinen Respekt und seine Bewunderung für die hier abgebildeten Männer
eher als barocke Darstellungen mythologischer Stoffe. Jordan hatte
diesen Aspekt von Menzels Beweggründen herunterspielen müssen, als er
das Kultusministerium davon zu überzeugen suchte, Liebermanns Preis zu
zahlen. Doch trotz Jordans größter Bemühungen legen Menzels eigene
spätere Erinnerungen an seine Zeit in Königshütte nahe, dass er
tatsächlich die soziale Frage kommentieren wollte: „Ich schwebte dabei
in steter Gefahr, gewissermaßen mitverwalzt zu werden. Wochenlang von
morgens bis abends habe ich da zwischen den sausenden
Riesenschwungrädern und Bändern und glühenden Blöcken gestanden und
skizziert. Diese ... moderne Technik ist überaus reich an Motiven. Ich
meine nicht bloß das bischen Rauch...“ (zitiert in Claude Keisch und
Marie Ursula Riemann-Reyher, Hrsg., Adolph
Menzel 1815–1905. Das Labyrinth der
Wirklichkeit, Köln: Dumont, 1996, S. 288.)