Kurzbeschreibung

Carl Hagenbeck (1844–1913) war ein Tierhändler, der mit wilden Tieren handelte, die er hauptsächlich aus Afrika nach Deutschland brachte und die er in den ersten modernen Zoos in Deutschland zur Schau stellte (seine Zoos hatten Tiergehege ohne Gitter). Aber Hagenbeck stellte nicht nur Tiere, sondern auch Menschen aus. Er tat dies in ethnografischen Darstellungen einheimischer Völker, den so genannten Völkerschauen. Zwischen 1876 und 1879 organisierte Hagenbeck drei Ausstellungen von Nubiern—Völkern aus der afrikanischen Region, die heute zu Ägypten und dem Sudan gehört. Sie waren äußerst populär. Dass einige Berlinerinnen „nubiertoll“ wurden, gefiel nicht allen. Mitglieder der Deutschen Kolonialgesellschaft warnten später vor „rassisch unkorrektem Verhalten“. Wie der Historiker Eric Ames geschrieben hat, „befürchteten sie, dass solche Darbietungen Zuschauer und Darsteller stillschweigend dazu einluden, ihre Hemmungen abzulegen und sich buchstäblich auf das Begehren zwischen den Rassen einzulassen und körperlichen Kontakt aufzunehmen“. Diese Bedenken trugen dazu bei, dass nach 1890 Verordnungen erlassen wurden, welche die Rassenmischung und die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener „Rassen“ in den deutschen Kolonien verboten. Dieser Auszug stammt aus den unveröffentlichten Memoiren des Anwerbers und Mitarbeiters von Carl Hagenbeck, Johan Adrian Jacobsen (1853–1947).

„Nubiertolle“ Frauen in Berlin (1878)

Quelle

Ich muss hier eine erscheinung erwähnen, die uns als Schausteller mit den südlichen Völkern wiederholt pasierten, nemlich, die krankhaften plötzlichen Verlieben etliche jünge Mädchen, und auch Frauen, in solsche braune Gesellen. Es waren besonders in den Jahren 1877-78, als grosse Nubiertruppen im Deutschland von Hagenbeck in den grossstädte gezeigt wurden. Meine Kolegen, die mit diesen Truppen herumzogen, könnten mir Wunderdinge, davon erzählen. Man nanten es damals, weil man es noch nicht bei andre Völker bemerkt hatten (da dieser Truppen Tatsachlich die ersten aus den Süden, in Europa war) so nannte man die von solscher Liebeskranckheit getroffene Mädchen „Nubiertoll“. Später als Indier, besonders Singahlesen nach Europa kahmen, hatte man die selbe Geschichten, wenn auch nicht so ausgeprägt als bei den Nubier. Die Nubier mit ihren schlanke Wuchs und Bronsche Haut, nur wenig bekleidet reitzsten den jungen Geschöpfen am meisten. Täglich kunte man eine solsche Verliebtes Mägdelein, den Hand oder Arm eins solscher braunen Adonis, halben Stunden lang, streicheln und befühlen sehen. Es ging so waid, dass als in Sommer 1878, als die Truppe in den Zoologischen Garten in Berlin war, und jeder Schwarzer sozusagen seine Liebste gefunden hatten, und nun als die Truppe von Berlin fort sollte, dann plötzlich das Gehöram von den Schwarzen verweigerte, und nicht von den Zoologischen Garten fort wollten, werscheinlich aufgestackelt von ihren neuen Freundinnen. Es musten eine Abtheilung gut bewafneten Polizisten geholt werden, die mit gezogenen Sabel, und vorgehaltene Rewolwer, die sich mit Schild und Landze bewafneten Nubier zu paare zu treiben, so dass man schlieslich doch von Berlin abreisen konnten. In Dresden hatten sich auch ein par junge Mädchen reisefertig gemacht, als die Nubier abreiste, um glach mit die Truppe auch mitzureisen. Glucklicher weisse hatte es jemanden der Eltern, des eine Madchen verraten, so das diese ihre Sprössling glaich auf der Bahnhof in Empfan nehmen könnten. Bei diese Indianer Truppe hatten wir ein paar ahnlichen Falle. So hatten z. Bs. ein Abend ein junges (von besseren Eltern) stammendes Mädchen, sich mit einer der jungen Indianer, sich in eine in Garten sich befintlichen Damen-Kloset eingeschlossen, und wurde erst Morgens gefunden. Den Garten mussten jeden Abend in allen Winkeln nach liebende Paare durchgesucht werden, wenn geschlossen wurde.

Quelle: Johan Adrian Jacobson in Hilke Thode-Arora, Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Frankfurt und New York: Campus Verlag 1989, S.117–18. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.