Kurzbeschreibung

Der Rahmenvertrag zwischen den deutschen Staaten über die Gründung eines Staatenbundes wurde am 8. Juni 1815 während des Wiener Kongresses von zunächst 35 Einzelstaaten und vier freien Städten (Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) unterzeichnet. Bald darauf traten auch Baden, Württemberg und Hessen-Homburg der staatenbündisch ausgerichteten Rahmenordnung des Deutschen Bundes bei. Die letztliche Einbindung in die Schlussakte des Wiener Kongresses am 9. Juli 1815 bedeutete die völkerrechtliche Anerkennung des Deutschen Bundes, der über die Revolution von 1848/49 bis zum Friedensvertrag zwischen Preußen und Österreich am 23. August 1866 bestand.

Deutsche Bundesakte (8. Juni 1815)

Quelle

Im Nahmen der allerheiligsten und untheilbaren Dreyeinigkeit.

Die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands den gemeinsamen Wunsch hegend den 6. Artikel des Pariser Friedens vom 30. May 1814 in Erfüllung zu setzen, und von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europas hervorgehen würden, sind übereingekommen, sich zu einem beständigen Bunde zu vereinigen, und haben zu diesem Behuf ihre Gesandten und Abgeordneten am Congresse in Wien mit Vollmachten versehen, nämlich:

(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)

In Gemäßheit dieses Beschlusses haben die vorstehenden Bevollmächtigten, nach geschehener Auswechselung ihrer richtig befundenen Vollmachten, folgende Artikel verabredet.

I. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1. Die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands mit Einschluß Ihrer Majestäten des Kaisers von Oesterreich und der Könige von Preußen, von Dänemark und der Niederlande, und zwar
Der Kaiser von Oesterreich, der König von Preußen, beyde für ihre gesammten vormals zum deutschen Reich gehörigen Besitzungen,
der König von Dänemark für Holstein, der König der Niederlande für das Großherzogthum Luxemburg,
vereinigen sich zu einem beständigen Bunde, welcher der deutsche Bund heißen soll.

Art. 2. Der Zweck desselben ist Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.

Art. 3. Alle Bundes-Glieder haben als solche gleiche Rechte; sie verpflichten sich alle gleichmäßig die Bundes-Akte unverbrüchlich zu halten.

Art. 4. Die Angelegenheiten des Bundes werden durch eine Bundesversammlung besorgt, in welcher alle Glieder desselben durch ihre Bevollmächtigten theils einzelne, theils Gesammtstimmen folgendermaßen, jedoch unbeschadet ihres Ranges führen:

1)

Oesterreich

1 Stimme

2)

Preußen

1 Stimme

3)

Bayern

1 Stimme

4)

Sachsen

1 Stimme

5)

Hannover

1 Stimme

6)

Würtemberg

1 Stimme

7)

Baden

1 Stimme

8)

Churhessen

1 Stimme

9)

Großherzogthum Hessen

1 Stimme

10)

Dänemark wegen Holstein

1 Stimme

11)

Niederlande wegen des Großherzogthums Luxemburg

1 Stimme

12)

Die Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen Häuser

1 Stimme

13)

Braunschweig und Nassau

1 Stimme

14)

Meklenburg Schwerin und Meklenburg Strelitz

1 Stimme

15)

Holstein-Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg

1 Stimme

16)

Hohenzollern, Lichtenstein, Reuß, Schaumburg Lippe, Lippe und Waldeck

1 Stimme

17)

Die freien Städte Lübeck, Frankfurth, Bremen und Hamburg

1 Stimme

18)

Totale

17 Stimmen

Art. 5. Oesterreich hat bey der Bundesversammlung den Vorsitz, jedes Bundes-Glied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und der Vorsitzende ist verpflichtet, solche in einer zu bestimmenden Zeitfrist der Berathung zu übergeben.

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Art. 9. Die Bundes-Versammlung hat ihren Sitz zu Frankfurth am Main, die Eröffnung derselben ist auf den 1. September 1815 festgesetzt.

Art. 10. Das erste Geschäft der Bundesversammlung nach ihrer Eröffnung wird die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse seyn.

Art. 11. Alle Mitglieder des Bundes versprechen sowohl ganz Deutschland als jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen und garantiren sich gegenseitig ihre sämmtlichen unter dem Bunde begriffenen Besitzungen.
Bey einmal erklärtem Bundeskrieg darf kein Mitglied einseitige Unterhandlungen mit dem Feinde eingehen, noch einseitig Waffenstillstand oder Frieden schließen.
Die Bundes-Glieder behalten zwar das Recht der Bündnisse aller Art; verpflichten sich jedoch, in keine Verbindungen einzugehen, welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten gerichtet wären.
Die Bundes-Glieder machen sich ebenfalls verbindlich, einander unter keinerley Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bey der Bundesversammlung anzubringen. Dieser liegt alsdann ob, die Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen; falls dieser Versuch fehlschlagen sollte, und demnach eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, solche durch eine wohlgeordnete Austrägal Instanz zu bewirken, deren Ausspruch die streitenden Theile sich sofort zu unterwerfen haben.

II. Besondere Bestimmungen

Außer den in den vorhergehenden Artikeln bestimmten auf die Feststellung des Bundes gerichteten Punkten sind die verbündeten Mitglieder übereingekommen, hiemit über folgende Gegenstände die in den nachstehenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu treffen, welche mit jenen Artikeln gleiche Kraft haben sollen.

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Art. 13. In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung stattfinden.

Art. 14. Um den im Jahr 1806 und seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen und Reichs-Angehörigen in Gemäßheit der gegenwärtigen Verhältnisse in allen Bundesstaaten einen gleichförmig bleibenden Rechts-Zustand zu verschaffen, so vereinigen die Bundesstaaten sich dahin:

a) Daß diese Fürstlichen und gräflichen Häuser fortan nichts destoweniger zu dem hohen Adel in Deutschland gerechnet werden, und ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit, in dem bisher damit verbundenen Begriff verbleibt;
b) sind die Häupter dieser Häuser die ersten Standesherren in dem Staate, zu dem sie gehören; — Sie und ihre Familien bilden die privilegirteste Klasse in demselben, insbesondere in Ansehung der Besteurung;
c) es sollen ihnen überhaupt in Rücksicht ihrer Personen, Familien und Besitzungen alle diejenigen Rechte und Vorzüge zugesichert werden oder bleiben, welche aus ihrem Eigenthum und dessen ungestörten Genusse herrühren, und nicht zu der Staatsgewalt und den höheren Regierungsrechten gehören. Unter vorerwähnten Rechten sind insbesondere und namentlich begriffen:
1) die unbeschränkte Freyheit, ihren Aufenthalt in jedem zu dem Bunde gehörenden, oder mit demselben im Frieden lebenden Staat zu nehmen;
2) werden nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung die noch bestehenden Familien Verträge aufrecht erhalten, und ihnen die Befugniß zugesichert, über ihre Güter und Familien-Verhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen, welche jedoch dem Souverain vorgelegt und bey den höchsten Landesstellen zur allgemeinen Kenntniß und Nachachtung gebracht werden müssen. Alle bisher dagegen erlassenen Verordnungen sollen für künftige Fälle nicht weiter anwendbar seyn;
3) privilegirter Gerichtsstand und Befreyung von aller Militairpflichtigkeit für sich und ihre Familien;
4) die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerechtigkeitspflege in erster, und wo die Besitzung groß genug ist in zweyter Instanz, der Forstgerichtbarkeit, Orts-Polizey und Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, auch über milde Stiftungen, jedoch nach Vorschrift der Landesgesetze, welchen sie so, wie der Militairverfassung und der Oberaufsicht der Regierungen über jene Zuständigkeiten unterworfen bleiben.
Bey der näheren Bestimmung der angeführten Befugnisse sowohl, wie überhaupt und in allen übrigen Punkten wird zur weitern Begründung und Feststellung eines in allen deutschen Bundes-Staaten übereinstimmenden Rechtszustandes der mittelbar gewordenen Fürsten, Grafen und Herren die in dem Betreff erlassene Königliche Bayrische Verordnung vom Jahr 1807 als Basis und Norm unterlegt werden.
Dem ehemaligen Reichsadel werden die Sub N. 1 und 2 angeführten Rechte, Antheil der Begüterten an Landstandschaft, Patrimonial und Forst-Gerichtsbarkeit, Orts-Polizey, Kirchen-Patronat und der privilegirte Gerichtsstand zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt.
In den durch den Frieden von Luneville vom 9. Februar 1801 von Deutschland abgetretenen und jetzt wieder damit vereinigten Provinzen werden bey Anwendung der obigen Grundsätze auf den ehemaligen unmittelbaren Reichsadel diejenigen Beschränkungen stattfinden, welche die dort bestehenden besondern Verhältnisse nothwendig machen.

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Art. 16. Die Verschiedenheit der christlichen Religions-Partheyen kann in den Ländern und Gebiethen des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen.
Die Bundesversammlung wird in Berathung ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sey, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Uebernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft und gesichert werden könne; jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.

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Quelle: Deutsche Bundesakte (8. Juni 1815), in Karl Binding, Deutsche Staatsgrundgesetze, Heft III, S. 19 ff; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Deutsche Verfassungsdokumente, 1803-1850, Band 1, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1978, S. 84–90. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Kohlhammer-Verlags.