Quelle
Stärker als je zuvor tendiert die Menschheit gegenwärtig zu beschleunigtem Wachstum der Bevölkerung, rascherer Nutzung von Boden, Steigerung von Produktion, Verbrauch und Erzeugung von Schadstoffen. Man nimmt dabei kurzerhand an, daß der natürliche Lebensraum dies zulasse oder daß Wissenschaft und Technik alle etwaigen Hindernisse überwinden könnten. Wir wollten wissen, bis zu welchem Grad diese Haltung mit den Gegebenheiten auf unserem begrenzten Planeten und den grundlegenden Notwendigkeiten unserer menschlichen Gemeinschaft vereinbar ist – […]
Wir wollten dazu beitragen, die beherrschenden Kräfte und die zwischen ihnen wirkenden Beziehungen klar herauszuarbeiten, die auf lange Sicht unser Weltsystem beeinflussen. […] Wir wollten vor weltweiten Krisenzuständen warnen, die entstehen können, wenn diese Tendenzen anhalten, und Wege zu Veränderungen auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet aufzeigen, die derartige Krisen verhindern könnten. […]
1. Wir sind überzeugt, daß eine klare Vorstellung über die quantitativen Grenzen unseres Lebensraums und die tragischen Konsequenzen unseres Überschießens seiner Belastbarkeit dafür wesentlich ist, neue Denkgewohnheiten zu entwickeln, die zu einer grundsätzlichen Änderung menschlichen Verhaltens und damit auch der Gesamtstruktur der gegenwärtigen Gesellschaft führen. […]
2. Unserer Ansicht nach hat der Bevölkerungsdruck auf der Erde bereits eine solche Größe erreicht und ist gleichzeitig so ungleichmäßig verteilt, daß allein das schon die Menschheit veranlassen muß, einen Gleichgewichtszustand anzustreben. […]
3. Wir vertreten die Ansicht, daß ein weltweiter Gleichgewichtszustand nur erreicht werden kann, wenn sich die Verhältnisse in den sogenannten Entwicklungsländern grundsätzlich verbessern, absolut und relativ gesehen zu den hochentwickelten Industrienationen. Das aber kann nur durch weltweite Maßnahmen erreicht werden. […]
4. Wir stellen fest, daß das Problem der Entwicklung auf weltweiter Ebene so eng mit anderen globalen Aufgaben verknüpft ist, daß eine übergreifende Strategie zur Lösung aller bedeutenden Probleme erarbeitet werden muß, besonders auch der, die sich aus der Einwirkung des Menschen auf seine Umwelt ergibt. […]
7. […] Wir vertreten in der Tat die Ansicht, daß soziale Innovationen nicht mehr länger hinter der technischen zurückbleiben darf, daß die Zeit für eine radikale Reform institutioneller und politischer Prozesse auf allen Ebenen einschließlich der höchsten, der Ebene der Weltpolitik, reif ist. […]
8. Zweifellos wird das Einschlagen neuer Wege für die Menschheit eine langfristige gemeinsame Planung und aufeinander abgestimmte, internationale Maßnahmen in einem bisher unbekannten Ausmaß erforderlich machen. […]
Die Hauptverantwortung liegt dabei bei den industriell entwickelten Nationen, nicht weil diese ein besseres Verständnis für die Erfordernisse eines wahrhaft humanen Lebens haben, sondern weil sie das Wachstumssyndrom erzeugt haben und noch immer an der Spitze des Fortschritts stehen, auf dem das Wachstum beruht. Wenn tiefere Einsichten in die Bedingungen und Vorgänge innerhalb des Weltsystems entwickelt werden, so müssen diese Nationen erkennen, daß in einer Welt, die dringend der Stabilität bedarf, ihr hoher Entwicklungsstand nur dann gerechtfertigt ist und toleriert wird, wenn er nicht als Sprungbrett für eine noch raschere Entwicklung, sondern als Ausgangslage für eine gleichmäßigere Verteilung von Wohlstand und Einkommen auf der ganzen Erde benutzt wird. […]
10. Wir sind schließlich überzeugt, daß jeder vernünftige Versuch, einen dauerhaften Gleichgewichtszustand durch geplante Maßnahmen herbeizuführen, letztlich nur bei grundsätzlicher Änderung der Wert- und Zielvorstellungen des Einzelnen, der Völker und auf der Weltebene von Erfolg gekrönt sein wird.
Quelle der deutschen Übersetzung: Stellungnahme des Executive Committee des Club of Rome, in Donella H. Meadows et. al., Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Aus dem Amerikanischen von Hans-Dieter Heck. Stuttgart, 1972, S. 165–76. Die dritte Ausgabe des Buches ist im Handel erhältich: Donella Meadows, Jorgen Randers, Dennis Meadows: Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update, Hirzel Verlag, Juni 2006. Der Text ist auch online verfügbar unter: https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/meadows_u_a_die_grenzen_des_wachstums_1972_1373.htm.
Quelle des englischen Originaltextes: Statement by the Executive Committee of the Club of Rome in Donella H. Meadows u. a., The Limits to Growth, New York: Universe Books, 1972, S. 18–96.