Kurzbeschreibung

Da Honecker über die Unruhe, welche die vorhergegangene Liberalisierung mit sich gebracht hatte, entsetzt war, griff die SED unter seiner Führung erneut zu einer unnachgiebigen Politik: Forderungen nach Meinungsfreiheit und kulturellen Experimenten wurden zurückgewiesen, die Zensur der Literatur verstärkt und ein deutliches ideologisches Bekenntnis zum Sozialismus eingefordert.

Kulturelle Repression durch das Zentralkomitee der SED (16. Dezember 1965)

Quelle

Bericht an das Zentralkomitee der SED

[] Es ist ein historisches Verdienst unserer Partei, daß sie in den 20 Jahren ihres Bestehens den Weg zur sozialistischen Nationalkultur gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit der Intelligenz der DDR ausgearbeitet und beschritten hat. In der gegenwärtigen Etappe des umfassenden Aufbaues des Sozialismus stehen vor den Künstlern größere Aufgaben. Es geht um die Bereicherung des Lebens und Weltbildes der sozialistischen Menschen, um die Darstellung der Kämpfe und Siege, der Konflikte und ihrer Lösungen in der sozialistischen Gesellschaft. Kunst und Literatur können mit ihren spezifischen Mitteln die Schöpferkraft der Menschen in der sozialistischen Gesellschaft entwickeln helfen. Das erfordert aber in allen Bereichen der Kunst den entschiedenen Kampf gegen das Alte und Rückständige aus der kapitalistischen Vergangenheit und gegen die Einflüsse der kapitalistischen Unkultur und Unmoral, wie sie in der amerikanischen Sex-Propaganda und der Verherrlichung des Banditentums zum Ausdruck kommen.

Ein sauberer Staat mit unverrückbaren Maßstäben

Unsere DDR ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte. Unsere Partei tritt entschieden gegen die von den Imperialisten betriebene Propaganda der Unmoral auf, die das Ziel verfolgt, dem Sozialismus Schaden zuzufügen. Dabei befinden wir uns in voller Übereinstimmung mit der Bevölkerung der DDR und der überwiegenden Mehrheit der Menschen in Westdeutschland.

In den letzten Monaten gab es einige Vorfälle, die unsere besondere Aufmerksamkeit erforderten. Einzelne Jugendliche schlossen sich zu Gruppen zusammen und begingen kriminelle Handlungen; es gab Vergewaltigungen und Erscheinungen des Rowdytums. Es gibt mehrere Fälle ernster Disziplinverstöße beim Lernen und in der Arbeit. Studenten, die zum Ernteeinsatz waren, veranstalteten Saufgelage im Stile des westdeutschen reaktionären Korpsstudententums. Die Arbeitsmoral während des Einsatzes war bei einigen Gruppen von Studenten schlecht. Hier zeigt sich wiederum der negative Einfluß von Westfernsehen und Westrundfunk auf Teile unserer Bevölkerung.

Wir stimmen jenen zu, die feststellen, daß die Ursachen für diese Erscheinungen der Unmoral und einer dem Sozialismus fremden Lebensweise auch in einigen Filmen, Fernsehsendungen, Theaterstücken, literarischen Arbeiten und in Zeitschriften bei uns zu sehen sind. Es häuften sich in letzter Zeit auch in Sendungen des Fernsehfunks, in Filmen und Zeitschriften antihumanistische Darstellungen. Brutalitäten werden geschildert, das menschliche Handeln auf sexuelle Triebhaftigkeit reduziert. Den Erscheinungen der amerikanischen Unmoral und Dekadenz wird nicht offen entgegengetreten. Das gilt besonders für den Bereich der heiteren Muse und der Unterhaltung, für einzelne literarische Arbeiten und leider auch für viele Sendungen im „DT64“. []

Kein Platz für spießbürgerlichen Skeptizismus

Im Namen einer „abstrakten Wahrheit“ konzentrieren sich diese Künstler auf die Darstellung von angeblichen Mängeln und Fehlern in der Deutschen Demokratischen Republik. Einige Schriftsteller sind der Meinung, daß die sozialistische Erziehung nur durch die summierte Darstellung von Mängeln und Fehlern erfolgreich sein kann. Sie bemerken nicht, daß die Wirkung ihrer Kunstwerke nach rückwärts zerrt und die Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins der Werktätigen hemmt.

Wie soll denn eine Ideologie des „spießbürgerlichen Skeptizismus ohne Ufer“ de[n] Werktätigen helfen? Den Anhängern dieser Ideologie, die halbanarchistische Lebensgewohnheiten vertreten und sich darin gefallen, viel von „absoluter Freiheit“ zu reden, möchten wir ganz offen erklären: Sie irren sich, wenn sie die Arbeitsteilung in unserer Republik so verstehen, daß die Werktätigen die sozialistische Gesellschaftsordnung aufopferungsvoll aufbauen und andere daran nicht teilzuhaben brauchen, daß der Staat zahlt und andere das Recht haben, den lebensverneinenden, spießbürgerlichen Skeptizismus als alleinseligmachende Religion zu verkünden. Es gibt eine einfache Rechnung: Wollen wir die Arbeitsproduktivität und damit den Lebensstandard weiter erhöhen, woran doch alle Bürger der DDR interessiert sind, dann kann man nicht nihilistische, ausweglose und moralzersetzende Philosophien in Literatur, Film, Theater, Fernsehen und Zeitschriften verbreiten. Skeptizismus und steigender Lebensstandard beim umfassenden Aufbau des Sozialismus schließen einander aus. Und umgekehrt: Eine von unserer sozialistischen Weltanschauung ausgehende vielfältige, lebensnahe, realistische Kunst und Literatur sind gute Weggefährten und Wegbereiter für die arbeitenden Menschen in unserer Deutschen Demokratischen Republik.

Die aktive Rolle der Kunst und Literatur besteht gerade darin, die Überwindung der Widersprüche auf der Grundlage unserer sozialistischen Bedingungen im bewußten Handeln der Menschen durch die konstruktive Politik von Partei und Staat künstlerisch zu erfassen.

Wir sind selbstverständlich nicht gegen die Darstellung von Konflikten und Widersprüchen, wie sie beim Aufbau des Sozialismus auftreten. Wir sind nicht für eine oberflächliche Widerspiegelung der Wirklichkeit. Uns geht es um den parteilichen Standpunkt des Künstlers bei der politischen und ästhetischen Bewertung unserer Wirklichkeit und damit auch um sein aktives Mitwirken bei der Darstellung der Konflikte und ihrer Lösungen im Sozialismus.

Die Orientierung auf die Summierung von Fehlern, Mängeln und Schwächen wird von Kreisen genährt, die daran interessiert sind, gegenüber der Politik der DDR Zweifel zu erwecken und die Ideologie des Skeptizismus zu verbreiten. Zu diesen Kreisen gehört zum Beispiel Wolf Biermann. In einem Gedichtband, der im Westberliner Wagenbach-Verlag erschien, hat Biermann die Maske fallen lassen. Im Namen eines schlecht getarnten spießbürgerlich-anarchistischen Sozialismus richtet er scharfe Angriffe gegen unsere Gesellschaftsordnung und unsere Partei. Mit seinen von gegnerischen Positionen geschriebenen zynischen Versen verrät Biermann nicht nur den Staat, der ihm eine hochqualifizierte Ausbildung ermöglichte, sondern auch Leben und Tod seines von den Faschisten ermordeten Vaters.

Biermann wird systematisch vom Gegner zum Bannerträger einer sogenannten literarischen Opposition der DDR, zur Stimme der „rebellischen Jugend“ gemacht. Davon zeugen Sendungen westdeutscher Rundfunkstationen, Berichte in der westdeutschen Presse und Rezensionen zu seinem in Westberlin erschienenen Gedichtband. Biermann wird dort als ein „äußerst freimütiger und kühner Kritiker des mitteldeutschen Regimes“ gefeiert. Biermanns sogenannte Gedichte kennzeichnen sein spießbürgerliches, anarchistisches Verhalten, seine Überheblichkeit, seinen Skeptizismus und Zynismus. Biermann verrät heute mit seinen Liedern und Gedichten sozialistische Grundpositionen. Dabei genießt er wohlwollende Unterstützung und Förderung einiger Schriftsteller, Künstler und anderer Intellektueller. Es ist an der Zeit, der Verbreitung fremder und schädlicher Thesen und unkünstlerischer Machwerke, die zugleich auch stark pornographische Züge aufweisen, entgegenzutreten. Es stärkt nicht die Autorität des Deutschen Schriftstellerverbandes und anderer Organisationen, wie zum Beispiel des Deutschen Kulturbundes, wenn sie sich nicht mit diesen Machwerken auseinandersetzen. []

Quelle: Erich Honecker, „Bericht an das Zentralkomitee der SED“, Neues Deutschland, 16. Dezember 1965; abgedruckt in E. Schubbe, Hrsg., Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der DDR. Stuttgart: Verlag Busse und Seewald GmbH, 1972, Band 1, S. 1076ff.