Kurzbeschreibung

Obwohl die 1532 verabschiedete Constitituto Criminalis Carolina die für das gesamte Heilige Römische Reich bindende Rechtsordnung darstellte, verfassten einige der größeren Territorien auch eigene Strafrechtsordnungen. Während in Preußen der Einfluss der Aufklärung seit 1740 zu Reformen des Strafrechts geführt hatte, blieb das Strafgesetzbuch des Kurfürstentums Bayern, aus dem hier ein Auszug wiedergegeben ist, hiervon unberührt, wie sich in der Betonung auf Todes-, Leibes- und Demütigungsstrafen zeigt. Der Codex blieb bis 1813 in Kraft.

Auszug aus dem Strafgesetzbuch des Kurfürstentums Bayern (1751)

Quelle

Codex Juris Bavarici Criminalis

Erstes Capitel

Von denen Criminalverbrechen und Strafen überhaupt.

§ 1

Es seynd nicht alle Frevel und strafbare Thaten für Criminal zu achten, sondern nur jene, welche entweder mit Leibs- und Lebensstraf angesehen, oder sonst so beschafen seynd, daß sie von Rechts- oder Gewohnheits wegen ad Forum Criminale gehören

§ 2

Dieselbe seynd entweder gering, schwer, oder gar überschwer, zu Latein: leviora, graviora, atrocissima. Unter die erste gehören, welche nur mit Gefängniß-Geld-Schand-und der gleichen leichteren Strafen belegt seynd. Zu der andern, was eine Leibs- oder Lebensstraf nach sich ziehet, und zu der dritten Gattung, was nicht nur am Leben, sondern gar mit einem härteren und langsameren Tod, oder mit einem empfindlichen Zusatz bestrafet wird.

§ 3

Ein Verbrechen wird begangen, da man gegen das Gesatz etwas thut oder unterlasset, und zwar entweder aus gefährlichem bösen Fürsatz, oder aus mercklichen Versehen, zu Latien: dolo vel culpa. Welch beedes zwar in Civilibus zuweilen gleich geachtet wird, aber in Criminalibus der Strafen halber allzeit unterschieden bleibt.

§ 4

Wem es an genugsamen Verstand oder freyen Willen ermangelt, der ist keines Verbrechens fähig. Was demnach von unvernünftigen Viehe, ohnmündigen Kindern, unsinnigen Leuten, oder im Schlaf, Trunkenheit, oder aus Irrthum, Unwissenheit, und Nothzwang geschiehet, wird für kein Verbrechen geachtet.

§ 5

Die Strafen der Criminalverbrechen gehen theils an Leib, Ehr und Gut, theils gar an das Leben. Die letztere pflegen zwar auf vielerley Weis, gemeiniglich aber nach hiesigem Landsgebrauch, theils mit dem Schwerdt, Strang oder Rad, und zwar das letztere mit oder ohne dem sogenannten Gnadenstoß, theils entweder lebendig, oder nach vorgängiger Strangulir- oder Enthauptung vorgenommen zu werden.

§ 6

Jetztgedachte Capitalstrafen werden auch öfters durch Zusätze geschärft, und der arme Sünder zur Richtstatt geschleifet, mit glüenden Zangen gerissen, Riemen aus ihm geschnitten, die Hand abgehauet, die Zung ausgerissen, der entseelte Korper auf das Rad gelegt, verbrannt, geviertheilt, und die Viertheil an offener Strassen ausgehenckt. Welch letzteres jedoch zu Vermeidung ohnnöthiger Kösten hinführo unterlassen werden soll.

§ 7

Der Todesstraf wird die Verdammung zur ewigen Gefängniß, wie auch die Reichsacht, und da man jemand für vogelfrey erkläret, gleich geschätzt.

§ 8

Strafen, welche zwar an dem Leib, nicht aber an das Leben gehen, zu Latein: poenae corporis afflictivae bestehen, theils an dem Staubbesen, theils in Aufbrennung des Buchstabens B welch beeden die offentliche Vorstellung auf dem Pranger, samt der ewigen Landsverweis- und Urfedsabschwörung, oder Condemnation ad opera publica allzeit anhängig ist. Die übrige Gattungen der Leibsstrafen aber, wo sie nicht nebst der Todesstraf für einen Zusatz gebraucht werden, seynd hiermit abgeschaft.

§ 9

Von denen geringeren Criminalstrafen, welche weder an Leib noch Leben gehen, seynd meistentheils folgende im Gebrauch: (a) Verweisung aus einem Burgfrieds-Gericht-Rentamtsdistrict, oder gar aus dem Land. (b) Verweisung an ein gewisses Ort, um allda zu verbleiben und ohne Erlaubniß nicht auszutretten. (c) Da man für ehrlos declarirt wird, mit oder ohne offentlichen Anschlag. (d) Gefängniß oder opera publica auf gewisse Zeit. (e) Vorstellung auf dem Pranger, oder auf Schrägen an der Kirchthür, oder offentlichen Schandsäulen. (f) Confiscation der Güter, (g) Geldstraf, (h) Wasserschnellung, (i) Cassation, (k) Stadt- oder Hausarrest, (l) Kirchenstrafen, oder poenae canonicae, und dergleichen.

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Quelle: Codex Juris Bavarici Criminalis, München 1751, S. 1–3. Online verfügbar unter: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10316154?page=%2C1

Auszug aus dem Strafgesetzbuch des Kurfürstentums Bayern (1751), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-5374> [05.11.2024].