Kurzbeschreibung

Die Bestimmungen dieser bayerischen Verordnung beeinflussten die Praktiken anderer deutscher Staaten und beförderten einen Prozess, der in Deutschland seit den 1770er Jahren zu erkennen war, nämlich hin zu Maßnahmen, den Staatsbeamten hinsichtlich Besoldung und Entlassungsbedingungen neue Sicherheit zu geben, ihnen Ruhestands-, Pensions- und Hinterbliebenengelder zu gewähren sowie ihre Pflichten und Rechte im Verwaltungsrecht festzulegen. In den 1780er Jahren hatte Österreichs Joseph II. ebenfalls bedeutende Schritte in diese Richtung unternommen. Die „Privilegierung“ von Bürokraten wurde ausgeglichen mit einer neuen „Disziplinierung“ derselben, was beispielsweise bei den im bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 festgeschriebenen harten Strafmaßnahmen zur Ahndung von Amtsmissbrauch offensichtlich wurde.

Bayerischer Kurfürst Max IV. Joseph, Verordnung über „die Verhältnisse der Staatsdiener, besonders bezüglich ihres Standes und Gehaltes“, mitunterzeichnet von Montgelas (1. Januar 1805)

  • später König Max Joseph I. Max IV Joseph (Kurfürst)

Quelle

Max. Joseph, Churfürst etc.

Wir haben seit Unserem Regierungsantritte wiederholte Beweise gegeben, wie sehr Wir das öffentliche Verhältniß Unserer Staatsdiener in der dreyfachen Beziehung auf die Würde und den Schutz ihres Standes, auf einen gerechten und anständigen Besoldungsgrad, und endlich auf ein beruhigendes Schicksal ihrer hinterlassenen Witwen und Waisen zum Gegenstande Unserer landesfürstlichen Angelegenheiten gemacht haben, und Wir finden das nach der neuen Formation Unsers Finanz-Systems eintretende erste Etats-Jahr vorzüglich dazu geeignet, ihm auch von dieser Seite eine bleibende Bezeichnung durch eine kombinirte und ergänzende Redaktion der desfallsigen Bestimmungen zu geben, wie folgt:

I. Der Stand eines Staatsdieners wird nach den erfüllten Qualifikations-Bedingungen durch das Anstellungs-Rescript, welches bey allen oberen Stellen mit einem besondern Nominations-Dekrete begleitet wird, und jedesmal mit der Einreihung in den Besoldungs-Etat verbunden ist, erworben.

II. Die auf den Etats des aktiven Dienstes erscheinenden Besoldungen zerfallen in zwey Bestandtheile:

In einen Gehalt des Standes, – und in einen Gehalt des Dienstes.

III. Der Gehalt des Standes ist derjenige Besoldungstheil, durch welchen im Allgemeinen die Kompetenz des Individuums, als Gliedes einer gewissen Klasse des dienerschaftlichen Standes gesichert wird.

Der Gehalt des Dienstes ist derjenige Besoldungstheil, durch welchen insbesondere die Befriedigung jener inneren Bedürfnisse, und äusseren Formen, welche für das Individuum, als Funktionär in der Klasse seines Standes, entstehen, gesichert ist. []

VI. In jenem Falle, wenn ein Haupt-Geldbezug, ohne Nebenbezug, verliehen ist, werden bestimmte Theile, und zwar

a) im ersten Jahrzehent des Dienstes drey Zehenttheile;

b) im zweyten Jahrzehent des Dienstes zwey Zehenttheile; und

c) nach dem Eintritte in das dritte Jahrzehent des Dienstes für die ganze Folgezeit desselben ein Zehenttheil des Gesamtgehaltes als Gehalt des Dienstes;

und also

a) in der ersten Periode sieben Zehenttheile;

b) in der zweyten Periode acht Zehenttheile; und

c) in der dritten Periode neun Zehenttheile des Gesamtgehaltes als Gehalt des Standes erklärt.

[]

VIII. Der Verlust des dienerschaftlichen Standes (Kassation) kann nur nach vorhergegangener richterlicher Untersuchung, und aus der Kraft des Urtheilsspruches eines Justiz-Kollegiums erfolgen, und wird auf den unerwarteten Fall, daß ein Staatsdiener fähig seyn könnte, die persönliche Würde des Staats-Oberhauptes durch Verbal- oder Real-Angriffe zu verletzen, nebst einer unmittelbar erfolgenden Suspension seines ganzen Standes- und Dienstes-Verhältnisses, ausdrücklich unter die gesetzlichen Straf-Bestimmungen aufgenommen. []

X. Außer dem Falle eines richterlichen Spruches, hat der einmal verliehene Dienerstand, und [das] Standesgehalt die unverlezliche Natur der Perpetuität.

Die Funktion des Dieners, und der Dienstesgehalt sind prekärer Natur.

Sie können, ohne Rekurs an den Richter, in Folge einer administrativen Erwägung, oder einer organischen Verfügung,

entweder für immer, mittelst Dimißion,

oder für eine gewisse Zeit, mittelst Quieszirung benommen werden.

XII. Der entlassene, und der quieszirte Diener verbleiben im Titel und Gehalte des Standes, und verlieren das Funktionsgehalt.

Der Entlassene verliert zugleich die Befugniß, sich der mit der Funktion seiner Standesklasse verbundenen äußern Zeichen (der Amtskleidung) zu bedienen.

Der quieszirte Diener verbleibt im Befugnisse dieser Funktionszeichen, bis zum Wiedereintritte in eine Funktion, und die mit derselben verbundenen Zeichen.

XIII. Aus denselben administrativen oder organischen Motiven der Quieszirung kann auch die Translokation eines aktiven Staatsdieners eintreten.

Die lokale Versetzung darf jedoch niemals, weder eine Zurücksetzung in Beziehung auf die Dienstesklasse;

noch eine Beschädigung in Beziehung auf den Gesamtgehalt, und auf die unvermeidlichen Kosten des Umzuges seyn. []

XVII. Der Befugniß zur Entlassung und Quieszirung auf Seite des Staates steht eine solche Befugniß auf Seite des Staatsdieners mit folgender Modalität entgegen: []

B. Der Staatsdiener kann wegen Dienstesalter in die Quieszenz treten. Hiezu werden durch alle Dienstesklassen volle vierzig Dienstesjahre erfodert.

Zum Komplement des Dienstesalters, dürfen alle, – unter verschiedenen Regierungen des Gesamt-Churstaates, und in verschiedenen Dienstesklassen zurückgelegten Jahre; nicht aber die Jahre der Vorbereitungsstellen, und einer interimistischen Quieszenz, gezählet werden.

Der nach vollendetem Dienstesalter in die Quieszenz tretende Staatsdiener behält das Standesgehalt mit dem Titel, und den Funktionszeichen, und verliert das Dienstesgehalt.

C. Der Staatsdiener kann wegen Lebensalter in die Quieszenz treten.

Hiezu werden durch alle Dienstesklassen siebenzig volle Lebensjahre erfodert.

Der nach vollendeten siebenzig Lebensjahren in die Quieszenz tretende Staatsdiener behält gleichfalls das Standesgehalt, den Titel, und das Funktionszeichen; und verliert das Dienstesgehalt.

D. Der Staatsdiener kann vor der Erfüllung des festgesezten Dienstes- und Lebensalters, durch physische Gebrechlichkeit, als Folge entweder eines äußern, in oder außer der Funktion erlittenen Unglückes, oder der innern Anstrengung, funktionsunfähig, und dadurch zur Quieszenz geeigenschaftet werden.

Ein solcher Fall muß durch die strengsten Beweise des Faktums, und durch die bestimmtesten Zeugnisse ämtlicher Aerzte, und kompetenter Geschäftsmänner, hergestellt seyn.

Von der Natur des hergestellten einzelnen Falles hängt jedesmal die besondere Erkenntniß ab:

ob der Staatsdiener für immer – oder

nur für eine gewisse Zeit –

zu quiesziren; und ob ihm in dem einen, und andern Falle, neben dem in der Quieszenz verbleibenden Standesgehalte und Titel, auch das Funktionsgehalt entweder ganz, oder zum Theil zu belassen sey.

XVIII. Die Vorstände und Räthe der Justiz-Kollegien verbleiben in allen Quieszenzfällen im Bezuge des verliehenen Gesamtgehaltes. []

XXIV. Der Staat übernimmt für die, unter allen Bedingungen, unvermeidlich zurückbleibende Insuffizienz der Gehälter, in einem Pensions-Systeme für die hinterlassenen Witwen und Waisen seiner Staatsdiener, dessen Regulativ in den nachfolgenden Paragraphen enthalten ist, ein der Familiensorge der Staatsbeamten, und den Kräften des Staatsvermögens entsprechendes Surrogat herzustellen.

§ 1. Die Pension, als ein, auf die Witwen und Kinder der Staatsdiener übergehender Ergänzungstheil der Gehälter, schöpft ihre Bestimmung allein aus der Größe des von dem Erblasser genossenen Gehaltes; schließt alle Rücksicht auf das Privat-Verhältniß des Reichthumes oder der Armuth aus; und nur die beyden Fälle: der Aktivität oder der Quieszenz in sich.

§ 2. Wenn der Staatsdiener in der Dienstes-Aktivität stirbt; erhält die Witwe vom ständigen Gesamt-Geldgehalte des Gatten einen Fünftheil als Pension.

Unter diesem Gesamt-Geldgehalte wird allein das an fixem Geldbetrage verliehene Standes- und Dienstesgehalt, verstanden. []

§ 4. In den beyden Fällen der Aktivität, oder der Quieszenz des verstorbenen Vaters, erhält ein jedes Kind, als einfache oder vaterlose Waise, einen Fünftheil; und als doppelte, oder vater- und mutterlose Waise, drey Zehenttheile der Witwen-Pension, als einen Unterhalts- und Erziehungs-Beytrag. []

§ 24. Alle Pensionen, deren Bestimmungen in den vorausstehenden Paragraphen gegeben sind, werden aus Staatsmitteln geleistet.

Diese Prästation von Seite des Staates schließt eine ihr zur Seite gehende Errichtung einer besondern Witwen- und Waisenkasse aus dem Privatvermögen der zu diesem Ende in eine Gesellschaft tretenden Glieder des dienerschaftlichen Standes so wenig aus, daß vielmehr eine solche Assekuranz zur Verbesserung des Zustandes aller derjenigen, welche den Familienstand der Staatsdiener bilden, sich den angelegentlichsten Wohlthätigkeits-Anstalten der Regierung anschließt. []

Quelle: Churpfalzbaierisches Regierungsblatt. VII. Stück vom 13. Februar 1805. Sp. 225–234, 239. abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 130–36.

Bayerischer Kurfürst Max IV. Joseph, Verordnung über „die Verhältnisse der Staatsdiener, besonders bezüglich ihres Standes und Gehaltes“, mitunterzeichnet von Montgelas (1. Januar 1805), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3526> [05.11.2024].