Kurzbeschreibung

Nach seinem Regierungsantritt 1799 erließ der neue Kurfürst das folgende Dekret, das jenen Teil von Montgelas’ Reformprogramm umsetzte, welches sich auf die Verbesserung der akademischen Bildung und praktischen Ausbildung von Staatsbeamten konzentrierte, und zwar unabhängig vom Stand. Da der Staatsdienst mit einer unbezahlten Lehre begann, wurde die Einstellung der meisten Beamten allerdings faktisch auf die besitzenden Gesellschaftsschichten beschränkt.

Bayerischer Kurfürst Max IV. Joseph, Weisung bezüglich der Ausbildung von Staatsbeamten (25. Juni 1799)

  • später König Max Joseph I. Max IV Joseph (Kurfürst)

Quelle

[] Schon auf den vaterländischen hohen Schulen, von welchen sich nach bereits bestehenden Verordnungen die Landeskinder nicht ausnehmen dürfen, soll künftig den Akademikern bey dem Beschlusse ihrer juridischen Studien bedeutet werden, daß, wenn sie zu einer Churfürstlichen Dienststelle, womit eine Gerechtigkeitspflege verbunden ist, gelangen wollen, sie vor allem bey einer Gerichtsstelle auf dem Lande von dem Gange der gerichtlichen Civil- und Criminalgeschäfte, von Brieferrichtungen und Verhören, Inventaren und Augenscheinen, Vormundschafts- und Depositenwesen, Kirchen- und milden Stiftungssachen, mit dem Taxwesen, den Marschgeschäften, dann andern, die Landespolizey, Landeskultur, und das gemeine Wesen betreffenden Angelegenheiten, praktische Kenntnisse zu erlangen trachten sollen.

Bey denjenigen, welche sonach in Unsern Justizkollegien als wirkliche Räthe bey sich ergebenden Vakaturen angenommen zu werden wünschen, erfodern Wir ferner, daß sie nach vorstehendem Gerichtspraxis auch den Acceß bey einem Churfürstlichen Justizkollegium mit Ausnahme des Churfürstl. Revisoriums nehmen sollen, wozu Wir Uns die Bewilligung zu ertheilen selbst vorbehalten, und sie keinem zu ertheilen gedenken, welcher nicht zuvor mit Erfolg sich praktische Kenntnisse bey einer Gerichtsstelle gesammelt hat.

Dieser Acceß bey den Churfürstl. Justizkollegien soll anfänglich darinn bestehen, daß das Subjekt, welches bey dem Eintritte ein für allemal in zeitliche Pflicht zu nehmen ist, zu Führung der Protokolle in Sessionen, und bey Commissionen, wobey ihre Unterschrift eben so, als die eines verpflichteten Sekretärs angesehen werden soll, gebraucht werde, und zu gleicher Zeit die Einrichtung der Registratur, die Führung der Bücher und Repertorien, und die, in den dießfälligen Geschäften zu beobachtende Ordnung und Akkuratesse, soviel als möglich, sich bekannt mache.

Nach erlangter Uebung und Fertigkeit hierinn, wozu im allgemeinen keine Zeit bestimmt werden kann, hat das Direktorium die Accessisten allmählich zu wichtigern Arbeiten zu ziehen, sie den Rathssitzungen cum voto consultativo beywohnen zu lassen, ihnen Acta ad referendum, wobey jedoch allezeit ein Koreferent zu benennen ist, zustellen zu lassen; vorzüglich aber sollen dieselben bey Commissionen, mündlichen und summarischen Verfahren, und auch bey Criminalverhandlungen unter der Leitung eines andern geübten und zuverläßigen Commissärs, und in Sachen von minderer Wichtigkeit auch allein gebraucht werden.

Außerdessen können und sollen die Accessisten während des ganzen Accesses auch damit beschäftiget werden, daß man ihnen die Vertretung solcher Partheyen bey Gerichte überträgt, welche die Zuordnung von Rechtsbeständern bey dem Kollegium nachsuchen, oder welchen dergleichen ex officio beygegeben werden müßen; wobey sich von selbst versteht, daß sie den Vorträgen bey dem Kollegium hierüber nicht beywohnen därfen.

Auf diese Art soll der Acceß bey den Churfürstl. Justizkollegien nicht bloß zur Bildung guter Subjekte, sondern auch zur beständigen Prüfung derselben dienen, und Wir hoffen, daß man die Subjekte durch eine stete und strenge Beobachtung derselben in ihren Verrichtungen und Handlungen immer richtiger prüfen und beurtheilen werde, als durch Beantwortung vorgelegter Fragen, welche doch immer eine sehr unzulängliche Probe ihrer Kenntnisse, besonders ihrer praktischen Befähigung verschafft.

Das Direktorium des Kollegiums soll daher bey allen Uebungen und Verrichtungen der Accessisten auf ihr Betragen, ihre Art, sich dabey zu benehmen, ihre Geschicklichkeit, Applikation und Bestrebsamkeit beständig Acht haben, und in den zu erstattenden Quartalsberichten nicht nur hievon ins besondere pflichtmäßige Erinnerung machen, sondern auch mehrmal schriftliche Relationen, welche die Accessisten von Zeit zu Zeit ablegen, den Quartalsberichten selbst beyfügen.

Obschon nun dieser Acceß theils der Bildung, theils der Prüfung wegen für die angehenden Justizräthe, ohne Unterschied des Standes, unausweichlich erfoderlich ist; so erlangt doch hiedurch keiner ein wirkliches Recht zur Anstellung, sondern es wird bey sich ergebender Vakatur darauf ankommen, welcher von den Kompetenten sich am meisten befähiget hat [].

Quelle: Münchner Intelligenzblatt. XXX. Stück vom 20. Juli 1799. Sp. 483–485; abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 127–30.

Bayerischer Kurfürst Max IV. Joseph, Weisung bezüglich der Ausbildung von Staatsbeamten (25. Juni 1799), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3525> [05.11.2024].