Kurzbeschreibung

Deutsche Fürstentümer regulierten voreheliche und außereheliche Sexualität während des langen achtzehnten Jahrhunderts und zeigten damit eine bemerkenswerte Kontinuität mit den offiziellen Bedenken über sexuelle Sünde und weibliche sexuelle Ehre aus früheren Jahrhunderten. Auch die in dieser sachsen-altenburgischen Territorialverordnung von 1705 vorgeschriebenen körperlichen Strafen ähneln denen, zu denen die Magistrate im 16. und 17. Jahrhundert griffen: körperliche Bestrafung und Verbannung für Unzucht oder Prostitution und Hinrichtung mit dem Schwert für Ehebruch, Vergewaltigung und Inzest.

Fürstlich Sächßisch Altenburgische Landes-Ordnung. Altenburg, 1705.

Quelle

[CAP. IV.] Tit. X
Von Bestraffung des Ehebruchs / der Nothzucht / Blutschande / Hurerey und aller unehelichen Beywohnung.

Alle uneheliche Vermischung wird ernstlich verbothen.

Demnach auch GOTT der HERR an aller Unzucht und unehelicher Vermischung einen grossen Greuel hat / als soll in allen Aemtern und Gerichten / die uneheliche / wie auch allzu frühzeititge Beywohnung / Hurerey / Ehebruch und andere dergleichen Schande / ernstlich gestraffet werden.

Von Bestraffung verlobter Personen / welche sich vor Priesterlicher Trauung mit einander vermischen.

Wo zwo Verlobte Personen vor dem öffentlichen Zusammengeben und Trauen sich fleischlich mit einander einlassen / soll die Weibes-Person / wenn gleich auch keine Schwängerung daraus erfolget / mit verdecktem Haupte und ohne Spiel zur Kirchen gehen / und sie Beyderseits mit einjähriger Gerichts-Räumung gestraffet werden.

Gleicher gestalt soll man auch die / so sich nach ihrem Verlöbniß vor der Copulation fleischlich vermischen / aber deren Unzucht erst nach gehaltenen Kirchgang kundbar wird / auf obige Masse straffen.

Von Straffe dessen / welcher eines andern verlobte Braut beschläffet / auch der zu Fall gerathenen Braut.

Würde aber iemand eines andern Braut / ehe dann der Bräutigam beygelegen / wissendlich / daß sie eine öffentliche Verlobte sey / beschlaffen / so sollen beyde Personen zur Staupen geschlagen / und des Landes ewig verwiesen werden / es wolte denn der Bräutigam die Braut wiederum annehmen / auf solchem Fall soll sie mit Gefängnüß gestraffet / und der Braut-Schänder nichts minder mit Staubenschlägen des Landes ewig verwiesen.

Von Straffe eines verlobten Bräutigams / so eine ledige Dirne beschläffet.

So aber ein öffentlich-verlobter Bräutigam eine ledige Dirne zu Fall brächte / der soll / da ihm seine Braut nicht vergeben will / zur Staupe geschlagen / und die Dirne des Landes verwiesen werden.

Von der Straffe des Ehebruchs.

Da einer eines andern Eheweib beschläffet / er sey gleich ein Ehemann oder ein lediger Geselle / so sollen sie beyde mit dem Schwerdt vom Leben zum Todt gestraffet / Und mit dieser Straffe auch ein Ehemann / welcher in stehender Ehe eine ledige Weibes-Person beschläffet / beleget / die ledige Dirne aber auf solchem Fall mit Staupen-Schlägen des Landes verwiesen werden.

Von Wirckung der Verzeihung / welche des unschuldige Ehegatte dem Ehebrüchigen thut.

Jedoch im Fall / wenn ein Ehemann eine ledige Dirne beschläffet / oder ein Eheweib sich mit einem ledigen Gesellen fleischlich einlässet / und es würde der unschuldige Ehegatte vor das verbrechende Theil bitten / und sich erbiethen / demselben / ungeachtet gebrochener Treu und Glaubens / länger ehelich beyzuwohnen / so soll alsdenn dem Ehestand zu Ehren / der schuldige Theil mit der Lebens-Straffe verschonet und des Landes ewig verwiesen werden / auch der unschuldige Theil seinem Ehegatten aus dem Lande folgen / darinnen ferner nicht wohnen / noch sich wesentlich aufhalten; Es soll aber der ledige Mann / so / wie obstehet / sich mit einer Ehe-Frauen vermischet / ungeachtet / was der Ehemann remittiret und erlassen / nichts desto weniger vom Leben zum Tode mit dem Schwerdt gestraffet / desgleichen die ledige Weibes-Person / so mit einem Ehemann Unzucht getrieben / in solchem Fall auch des Landes mit Staupen-Schlägen ewig verwiesen werden.

Wenn die Verzeihung des unschuldigen Ehegattens dem Ehebrüchigen nicht zu statten kommen mag.

Wären aber die Personen / so mit einander Ehebruch getrieben / Beyderseits ehelich / so soll keine Erlassung der Eheleute statt haben / sondern sie Beyde sollen / wie obgemeldt / mit dem Schwerdt gerichtet werden.

Von Straffe der Nothzucht.

Da auch iemand / so nicht ehelich ist / eine Weibes-Person / die sey gleich ledig oder ehelich / eine Jungfrau oder Witwe / oder auch ein gemein Weib / wider ihren Willen / seines Willens zu pflegen / mit Gewalt zwingen / und also eine gewaltsame Nothzucht begehen würde / so soll er mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gestraffet werden.

Von Straffe derer / welche Jungfrauen so unter zwölf Jahren alt seyn / oder Kinder / oder Wahnwitzige schänden.

Und da iemand auch eine Jungfrau schändete / und dieselbige wäre unter zwölff Jahren / so soll er mit Staupen-Schlägen des Landes ewig verwiesen / wäre es aber noch ein gar zartes Kind / an deme er Schande übete / mit dem Schwerdt gestraffet werden. Also auch / da eine ledige Manns-Person ein sinnloses oder wahnwitziges lediges Weib beschlaffen würde / so soll der Verbrecher der Beschlaffenen nicht allein nach billiger Ermäßigung einen Unterhalt machen / sondern auch hierüber mit Staupenschlägen verwiesen werden.

Was diejenigen geschwächten Weibes-Personen / welche Nothzucht / so ihnen von Frembden und Unbekandten wiederfahren seyn solle / angeben / zu ihrer Reinigung dißfalls in acht zu nehmen.

Weil auch die zu Fall gerathenen Dirnen / wenn ihre Schande kund und offenbar wird / sich öffters darauf beziehen / ob wären sie an einsamen Orten durch unbekandte und solche Personen / deren man zu Erforschung der Warheit nicht mächtig seyn können / genothzüchtiget worden / sie auch / da etwan Erkändtnüß vorgehet / daß dergleichen angegebene Gewalt von ihnen / vermittelst Eydes erhalten werden soll / solchen fast ohne Unterscheid / und oftmahls bey so gar verdächtigen Umbständen / leisten / daß starck zu vermuthen ist / sie bedencken dabey den Vorhalt / und die schwere Straffe des Meineydes wenig / sondern trachten nur / wider Gewissen und vermessentlich sich der zeitlichen Schande und Strafe durch dieses Mittel zu entschütten: Als hat man diesen verdächtigen / ärgerlichen / zu Besteiff – und Uberhäuffung des Bösen gereichenden Beginnen zu steuern / nöthig zu seyn befunden / hiermit zu verordnen / daß eine iede Weibes-Person / so durch Nothzucht / zumahl aber von Unbekandten und in diesen Landen nicht gesessenen Leuten / zu Falle gebracht seyn will / und dem Schänder nicht alsobald unter aufgedrungener Gewalt dergestalt / daß andere Leuthe / so dißfalls für sie zeugen möchten / darzu kommen / beschreyen können / ungesäumet darauf / und ehe ihr Zustand oder etwan beschehene Schwängerung offenbar wird / den ihr begegneten Unfall entweder zum wenigsten zweyen Bluts-Freunden von der Seit-Linien (sintemahl Eltern dißfalls fast verdächtig seyn wollen) oder Herren und Frauen / oder sonst zweyen ehrliche Leuten / zwar vertraulich / iedoch beweißlich / anzeigen / und von ihnen dieser beschehenen Anzeige halben einen / vermittelst Meldung vorgeganener Umstände / (so hernachmahls auch wohl mit Vorforderung der zeugenden Personen Gerichtlich zu examiniren wären) glaubwürdigen Schein / sich dessen ins künftige bey Entdeckung der Sache zu bedienen / nehmen / oder in dessen Verbleibung / daß man weder ihr Neinsagen / noch anerbothenes Schweren / so gar zu gemein und liederlich mißbrauchet werden will / achten / sondern vielmehr sie nach Beschaffenheit ernstlich bestraffet werde / gewärtig seyn solte.

Und wie doch der Reinigungs-Eyd / wenn obiges gleich in acht genommen worden / aber noch ziemlicher Verdacht der Falschheit halber vorhanden / zu erstatten.

Und damit diese Verordnung desto weniger eludiret, und hergegen der gemeine Zweck / so wohl berührtes Laster / als Meineyd zu verhüten / desto eher und mehr erlanget werden könne / so soll die geschwängerte Person / die sich zwar der anbefohlenen Denunciation gebrauchet hat/ iedoch wenn aus den angegebenen Umständen die vorgeschützte Violenz nicht allerdings gewiß seyn würde / gleichwohl allen Betrug vorzukommen / mit einem Eyde / auf vorgehende ernste Verwarnung für der schweren Straffe des Meineydes / doch ohne sonderbare Solennitäten / ihrer Unschuld halben sich zu reinigen / angehalten werden.

Und wie / wenn obiges nicht in acht genommen / hierunter zu verfahren.

Daferne aber soche gebührende Denunciation unterlassen / und dieser Verordnung zuwieder / der vorgewendete Noth-Zwang verschwiegen worden / und wo keine glaubliche Umstände von der Dirnen Unschuld verhanden wären / solchem Falls soll / wie wieder sie zu verfahren / rechtliches Erkändtnüß eingeholet werden.

Von der Straffe lediger Personen / welche sich zum ersten mahl fleischlich vermischen.

Da aber sich zwo ledige Personen / wo dergleichen Ubertretung zuvor nicht begangen / Beyderseits freywillig vermischen / und einander nicht ehelichen würden / sollen sie beyde das Amt / Stadt und Gerichte / darinnen sie delinquiret, auf ewig meiden / und sich nicht daselbst betreten lassen / wo aber dergleichen in Geld-Straffe verwandelt / soll solche denen Gerichten nicht entzogen werden.

Von Straffe lediger Personen / welche zum andern mahl Hurerey treiben.

Würde dann eines oder das andere sich mit dieser Sünde zum andern mahl beflecken / sollen sie mit härterer Straffe beleget werden.

Wenn sie einander zur Ehe begehren.

Wann die Personen / so sich in Unehren zusammen finden / einander ehelichen würden / sollen sie ein Jahr die Gerichte räumen / oder solches mit Gelde verbüssen.

Was zu thun? Wenn neben der Schwängerung zugleich auf die Ehe geklaget wird.

Im fall sie aber einander nicht ehelichen / die Geschwächte auch sonsten unberüchtiget / und auf die Dotation und Ausstattung / auch Erziehung des Kindes geklaget würde / soll dißfalls die Erkändtnüß vor Vollstreckung der Straffe ergehen.

Von öffentlichen Huren Ausschaffung aus dem Lande.

Oeffentlich oder sonst gemeine Huren soll man in diesen Landen gantz nicht dulden noch leiden / sondern die / so dieses Lasters schuldig erfunden werden / gefänglich einziehen / fürter an Pranger stellen / und auch zum Lande auspaucken.

Von Straffe der Blutschande und unerhlicher Vermischung derer Personen / welche wegen Nähe des Geblüts / oder der Schwägerschafft nicht zusammen heyraten können.

Wenn unter rechten natürlichen Eltern und Kindern / und also unter denen Personen / so in auf- und absteigender Linie einander Blutshalben verwandt / eine Blut-Schande begangen wird / sollen auf dem Fall beyde Personen / Mann und Weib / am Leben mit dem Schwerdt gestraffet / da aber wegen der Jugend / oder anderer wichtigen Umstände / Linderung solcher Straffe gegen ein oder die andere Person vorzunehmen / soll dieselbe Person mit Stauben-Schlägen des Landes verwiesen / aber Stieff-Väter / Stieff-Mütter / Stieff-Söhne / Stieff-Töchter / nachgebliebene Ehegatten / und des Verstorbenen Geschwister / auch alle andere Personen / die einander mit Bluts-Freundschafft oder Schwägerschafft so nahe verwandt / daß sie nach Göttlichen Rechten nicht zusammen heyrathen dürffen / so die allerseits sonsten nicht ehelich seynd / und sich mit einander vermischen / wie auch die ledige Personen / so wissendlich zugleich ledige Mutter und Tochter oder zwo ledige Schwestern beschlaffen / oder mit Vater und Sohne oder zween ledigen Brüder sich vermischen / nach Gelegenheit / auch wohl mit Staupen-Schlägen / aber Geschwister-Kinder / ingleichen nachgebliebene Ehegatten / und des verstorbenen Geschwister Kinder / auch die / so einander im andern Seit-Grade der Schwägerschafft gleicher Linie verwandt / und dann die so einander im dritten Seit-Grade ungleicher Linie mit Bluts-Freundschafft oder Schwägerschafft zugethan seyn / sollen nach Gelegenheit der Verwandnüsse / denen in hiesigen Fürstenthum üblichen Rechten nach / bestraffet werden; Und ist hierbey kein Unterschied zu machen / ob die Blut-Freundschafft ex legitimo conjugio, oder einer Vermischung ausser der Ehe herrühre.

Die begangene Unzucht soll der Obrigkeit förderlichst berichtet werden.

Und damit unzüchtige Leute den verdienten Straffen desto weniger entgehen / sollen die / so hiervon Wissenschaft erlangen / es so bald gehöriger Oerter hinterbringen. Da aber einige Nachlässigkeit hierunter vermercket würd / soll der Fahrlässige nicht verschonet bleiben / sondern wider denselben mit ernstlicher Bestraffung verfahren werden.

Quelle: Fürstlich Sächßisch Altenburgische Landes-Ordnung. Anderer Theil. Von Weltlichen Sachen (Cap. IV, Tit. X). Altenburg, 1705, S. 286–94. Online verfügbar unter: https://www.google.com/books/edition/Fürstlich_Sächßisch_Altenburgische_La/HyBGAAAAcAAJ?hl=en&gbpv=1&dq=landes-ordnung+1705&printsec=frontcover

Fürstlich Sächßisch Altenburgische Landes-Ordnung. Altenburg, 1705., veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-5358> [05.11.2024].