Kurzbeschreibung

Mit diesem Edikt gesellte sich Badens Herrscher zu der von der Aufklärung betriebenen zeitgenössischen Kritik an bäuerlicher Abhängigkeit und Knechtschaft, indem er im Prinzip das Ende der Leibeigenschaft formulierte, die in Südwestdeutschland weiterhin keine Seltenheit war (wenngleich vorwiegend als Abgaben von einzelnen Dorfbewohnern erhoben, die einer adligen oder staatlichen Feudalherrschaft unterlagen). Doch Markgraf Karl Friedrich von Baden entschied, die aus der Leibeigenschaft resultierenden Grundrenten nicht anzutasten. Die endgültige Auflösung der rechtlichen Abhängigkeit zwischen Untertanen und Grundherren auf dem Land sollte erst mit dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts verwirklicht werden.

Markgraf Karl Friedrich von Baden, Erlass zur Aufhebung der Leibeigenschaft in Baden (23. Juli 1783)

  • Markgraf (später: Großherzog) Karl Friedrich von Baden

Quelle

Wir stehen nunmehro an dem lange gewünschten Zeitpunkt, der Uns in den Stand setzt, in Unserer Staats- und Finanzverfassung verschiedene Einrichtungen zu treffen, welche Unsere liebe Untertanen von allzu beschwerlichen Auflagen befreien. Wir haben Uns daher entschlossen, sogleich mit der Aufhebung der Leibeigenschaft Unseren Untertanen eine vorzügliche Erleichterung zu verschaffen.

Damit aber bei denen verschiedenen vorkommenden Fällen deutlich erhelle, was für Folgen diese Befreiung haben sollen, so erklären Wir, daß Wir ohne Absicht auf einigen Ersatz der Einkünfte, welche aus der Leibeigenschaft fließen, in Unsern gesamten Landen, welche unter Unserer alleinigen unmittelbaren hohen und niedern Gerichtsbarkeit und Landeshoheit stehen, die Leibeigenschaft von dem heutigen Tag an völlig aufheben und Unsere Untertanen in ersagten Landen hiemit für leibesfrei erklären. Wobei jedoch dieselbe wegen des Unsern Landen zu leistenden Schutzes und zur Beibehaltung guter Ordnung sowohl, als anderer nötigen und nützlichen Landesanstalten in der Verbindlichkeit zu denen Soldatendiensten und Fronden so, wie bisher und in soweit sie nicht durch Spezialbegünstigungen davon befreit sind, fernerhin verbleiben, auch nicht befugt sein sollen, ohne Unsere Einwilligung außer Landes oder in einen Unserer hohen und niedern alleinigen Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Ort zu ziehen, noch auch in andere Kriegsdienste zu gehen; im Übertretungsfall aber sollen alle bisherige Folgen der Leibeigenschaft stattfinden und vollzogen werden. Auch behalten Wir Uns bei denen, welche zu solchem Hinwegzug Unsere Einwilligung auswürken, alle bisherige Manumissions-, Abzugs- und andere desfalls eingeführte Abgaben noch zur Zeit und so lange bevor, bis Wir durch Verträge mit andern Ständen und Herrschaften hierin eine billige Gleichheit und wechselseitige Zugsfreiheit werden festgesetzt haben.

In Unsern Landen hingegen wollen Wir die bei den vormaligen mehreren Verteilungen derselben entstandene und bisher fortgedauerte Auflagen, welche bisher sowohl bei dem wechselseitigen Überzug aus einem der Durlachischen und Baden-Badischen Landesanteile in den andern, als auch in jedem derselben bei dem Zug von einem Oberamt oder Amt, oder von einem Ort in das andere angesetzt und an Uns entrichtet worden sind, aufheben, und Unsere Untertanen, mit Einschluß der Wiedertäufer und Juden, in sofern solche unter Unserer alleinigen unmittelbaren hohen und niedern Gerichtsbarkeit auch Landeshoheit stehen, von folgenden Abgaben ganz und vollkommen befreien: 1. Von dem Abzug, mit Vorbehalt des sogenannten Lacherbengeldes. 2. Von dem Abzugspfundzoll. 3. Von dem Manumissions- und Expeditionstax. 4. Von dem in Unserm Baden-Badischen Landesanteil sogenannten Landschaftsgeld, ferner 5. Von dem Leibschilling. 6. Von dem Todesfall und Hauptrecht oder Besthaupt, soweit diese letztere Schuldigkeit auf Personen und nicht auf gewissen Gütern haftet, also mit Vorbehalt des Güterfalls, oder wie er sonsten genannt zu werden pflegt, mit alleiniger Ausnahme derer Städte, welche an dem Abzug einen Anteil beziehen, und deren Einwohnern Wir die obgedachte Freiheit von dem Abzug alsdann erst bewilligen werden, wann diese Städte sich bereit erklären, ihren Anteil an jenen Abgaben ebenfalls aufzuheben, bis wohin auch diejenige Untertanen, so in ersagte Städte ziehen, der Abzugsschuldigkeit unterworfen bleiben.

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Wie wir nun bei der Aufhebung dieser Lasten die einige Absicht hegen, das Glück Unserer Untertanen zu befördern und dadurch einen neuen Beweis geben, wie onveränderlich angelegen es Uns ist, Unsere Regentenpflichten zu erfüllen, Unsern Untertanen Unsere landesväterliche Gesinnungen immer mehreres zu erproben und somit Liebe, Huld und Gnade zu erweisen. Als sind Wir auch voraus versichert, daß dieselbe sich hierdurch zu fernern schuldigen Treue, Vertrauen und Ergebenheit gegen Uns und Unser fürstl. Haus aufmuntern lassen und zu dem Wohlstand des Landes alles, was an ihnen liegt, mit verdoppelten Kräften beitragen werden.

Ihr das Oberamt habt alles dieses zu eröffnen, wie solches geschehen, an Uns zu berichten, und euch selbst hienach zu achten. Euch den Verrechnern aber befehlen Wir gnädigst von heutigem Tage an, die hiedurch aufgehobene Abgaben nicht weiter anzusetzen und einzuziehen, davon auch die nötige Bemerkung in euren Rechnungen zu machen, dahingegen die in den unterstellten Fällen Uns vorbehaltene Manumissions- und Abzugsabgaben fernerhin zu erheben und Uns getreulich zu verrechnen, inmaßen Wir Uns versehen und verbleiben euch in Gnaden gewogen.

Gegeben Carlsruhe den 23. Juli 1783.

Quelle: Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes in der Neuzeit. Geschrieben und herausgegeben von Günther Franz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976, S. 292–94; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hrsg., Zeitalter des Absolutismus 1648–1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 434–38.