Kurzbeschreibung

Das Buch, aus dem dieser Auszug stammt, wurde zur damaligen Zeit und in der Folge berühmt als eine Zuversicht vermittelnde Darstellung einer staatlich gelenkten, durch Schutzzölle abgeschotteten, die Bevölkerung vermehrenden und Edelmetall hortenden (d.h. „merkantilistischen“) Wirtschaftsentwicklung. Seine Programmatik hatte großen Einfluss auf die österreichische Wirtschaftspolitik im 18. Jahrhundert sowie auf diejenige Preußens und anderer deutscher Staaten. Nach der Einschätzung C.A. Macartneys „handelt es sich vermutlich um die klarste Darlegung überhaupt der damals aktuellen merkantilistischen Theorien außerhalb Frankreichs.“ Der Autor, Philipp von Hörnigk, wurde in Frankfurt geboren und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten in Mainz, Leeuwen und Ingolstadt, bevor er in Wien als Verwaltungsbeamter und Nationalökonom Karriere machte. Heute ist er als einer der Begründer des Kameralismus bekannt.

Philipp Wilhelm von Hörnigk „Österreich über Alles, wenn es nur will“ (1684)

  • Philip Wilhelm von Hörnigk

Quelle

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Kapitel I.

Ich habe mir vorgenommen, zu erweisen, daß Österreich über alles sein könne, wann es nur wolle. [] Durch vorangesetztes mein „Österreich“ verstehe ich nicht bloßer Dinge das weltbelobte, zu beiden Seiten des Donaustroms erstreckte Erz-Herzogtum dieses Namens, sondern anbei alle und jede des Deutschen Österreichischen Erzhauses, es sei in- oder außerhalb des Röm. Reichs gelegene Erbkönigreich und Länder, demnach Ungarn mit darunter begriffen. [] Die Übertrefflichkeit, worauf die ganze Frag gestellet ist, setze ich in den von andern Nationen independierenden, es sei würklich gegenwärtigen oder doch möglichen Überfluß menschlicher Nordurften und Bequemlichkeiten, in specie Goldes und Silbers, welchen bishero vielleciht wenig vermerkten, dannenher unvermuteten Vorzug, wann ich unserm Österreich zuschreibe und gleichsam in seine Willkür stelle: []

Und wollte Gott, Österreich ließe sich so leicht den Willen zu rechtmäßiger Benefizierung seiner natürlichen Gaben und Vorteil eingießen, als leicht ihm durch die Handgreiflichkeit selbst solle erwiesen werden, daß seine Heilmachung und Erhebung wahrhaftig einig und allein nächst Gott an seiner eigenen Willkür behange.

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Kapitel II.

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[] Schaue ich mich nun desfalls [für jemanden der Deutschland führen könnte, ihre ökonomische Dependenz auf Frankreich los zu werden] durch ganz Deutschland um, so stellt sich mit mehrerm Anschein und zuversichtlicher Tunlichkeit und des Erfolgs niemand herfür als die röm. kaiserl. Majestät, und solches nicht nur in Ansehen dero oberhauptlichen höchsten Reichswürde und Obliegenheit, sondern fürnehmlich in Betrachtung vorgedachter dero von Gott und der Natur so hoch gesegneten weiterstreckten Erbkönigreich und Länder, die einem einigen Haupt mit gleicher Unterwürfigkeit alle zugetan seind, allsamtlich aneinanderstoßen, gleichsam nur einen Leib formieren, sich einander schließen und eines des andern Mangel und Notdurft mit seinem Überfluß versetzen kann, maßen ein fast nach allem Wunsch und Überfluß mit darinnen fallenden rohen Gütern und deren großen inländischer Konjunktion also bevorteilet seind, daß sie sich mit Fug rühmen könnten, wofern einigem Staat in Europa es fürwahr ihnen zukommen müßte, beinah wie eine kleine Welt in sich selbst zu bestehen, und ohne fremdes Zutun, nicht nur nach Notdurft, sondern auch nach der Bequemlichkeit, wann nur die rechte wohlmögliche Anstalt ihnen zu Hülf käme, versehen zu sein. []

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Kapitel VI.

[Die Entwicklung dieser Länder zu einer wirtschaftlichen Autarkie ist aufgrund der veränderten politischen Konstellation umso notwendiger.]

[] Auch konnten sich vor hundert Jahren die Voreltern in Türken und anderer Not noch auf das Römische Reich und die Nebenstände verlassen. Zu unsern Zeiten aber gehet durch die List der Franzosen alles in solche Zerrüttung, daß man sein Datum auf niemand als Gott und sich selbst setzen muß und fast keiner dem andern, wann es ihn gleich selbst mit angehet, den wenigsten nachbarlichen Beistand ohne bare Bezahlung leisten will. Dahero ist einem jeden geraten, auf seiner eigenen Hut zu stehen. Dann wer in Zeit der Not zu Haus im Beutel wohl fortifiziert ist, wohl dem! Wo nicht, so mag er alsdann sich resolvieren, nicht nur des Feindes, sondern auch der Freunde und Helfer untergebener Knecht zu sein. Gegen solches Unglück kann Österreich, wann es nur will, fürohin mit dem Dritteil des Kapitals, so nun jährlich für lauter unnötige Dinge hinauswärts und fast meistens nach Frankreich gehet, sich jedesmals verwahren.

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Kapitel IX.

Bestehet nun die Macht und Fürtrefflichkeit eines Landes in dessen Überfluß an Gold, Silber und allen andern zu seiner Subsistenz erforderlichen und bequemen Dingen, und zwar solches alles so viel möglich, aus seinem eigenen Vermögen, ohne Dependenz von andern und dabei in all deren rechtmäßiger Pflege, Gebrauch und Anwendung, so folget, daß eine gemeine Landsökonomie darauf zu sehen habe, wie solcher Überfluß, Pflege und Genuß aus eigenem Vermögen und ohne Dependenz von andern oder wo dieses nicht in allen Stucken sein könnte, aufs geringste als möglich, mit auswärtiger Dependenz und Verschonung inländischer barer Mittel zuwege gebracht werde. Zu welchem Ende dann fürnehmlich nachfolgende neun Reguln dienen müssen.

Erstlich kommet die Art des Landes aufs genaueste zu beobachten und zu erkennen, kein Winkel, kein Erdschollen, ob es des Bauens fähig, unbesprochen zu lassen. Nichts Nutzbares von Plantagien unter der Sonnen soll unversucht bleiben, ob und wieweit es im Lande gut tun möchte, maßen die Nähe oder Ferne der Sonnen nicht eben alles tut. Für allen Dingen, was Gold und Silber betrifft, daran ist keiner Mühseligkeit noch Kostens zu schonen, es über die Erde zu bringen.

Zweitens: Alle in einem Land fallende Güter, so in ihrer rohen Gestalt nicht genutzet werden mögen, seind innerhalb desselben zu verarbeiten. Angesehen der Lohn von Fabricatur den Wert des rohen Zeugs gemeiniglich zwei, drei, zehen, zwanzig, auch wohl hundertfach übertrifft, welchen zu verwerfen bei verständigen Haushältern ein Greuel ist.

Drittens: Zu Vollstreckung obiger beider Reguln gehören Leute, sowohl zum Beischaffen oder Herfürbringen und Bauen der rohen Güter als zu deren Verarbeitung. Dannenhero auf die Bevolkung eines Landes, so viel Menschen nur immer sich drinnen ernähren können, als eines wohlgeordneten Staats höchste, aber leider! bei vielen wenig geachtete Angelegenheit, zu schauen ist. Und solche Leute seind in alle mögliche Weis und Wege aus dem Müßiggang in eine nahrhafte Profession zu bringen, zu allerhand Inventionen, Künsten und Handarbeiten zu unterrichten und aufzumuntern, und wo nötig, die Lehrmeister dessen aus der Fremde herein zu vermögen.

Viertens: Gold und Silber, so einmal in das Land, es sei aus eigenem Bau oder aus der Fremde, durch Industrie kommen, ist in keinerlei Weis noch Wege, es sei für was es wolle, so viel nur immer möglich, wieder hinaus zu vertragen, noch zuzugeben, daß es in Küsten oder Kasten vergraben werde, sondern immerzu in der Cirkulation bleibe; auch nicht, daß es viel in solche Fabrik gerate wo es gleichsam destruiert wird und nicht wieder zu Nutzen zu bringen. Dann solchergestalt wird unmöglich sein, daß ein Land, so einmal zu einer ansehnlichen Barschaft kommen, bevorab dasjenige, so eigene Gold- und Silberminen besitzt, in Armut verfalle. Ja, was das letzte betrifft, unmöglich, daß es nicht an Reichtum und Gut immerfort zunehme. Dannenhero seind

Fünftens, die Landsinwohner aus allen Kräften dahin zu halten, daß sie sich an ihren einheimischen Gütern begnügen, mit solchen allein ihre Lüsternheit und Pracht begrenzen und der auswärtigen, (ausgenommen, was die hohe Not oder an Nots statt die eingerissenen unvermeidliche Mißbräuche, deren Exempel uns das Indianische Gewürz gibt, nicht anderst zuließen), aufs höchste, als immer möglich, müßig gehen. Und was endlich noch

Sechstens abginge und besagter maßen aus Not oder um unremedierlichen Mißbrauchs willen unentbehrlich wäre, solches bei denen Fremden, so weit es nur immer möglich, von erster Hand, nicht um Gold oder Silber, sondern um Austauschung anderer inländischer Waren abzuholen.

Siebentens: Sothane fremde Waren sollen alsdann in roher Gestalt genommen, innerhalb Landes fabriziert und der Manufaktur-Lohn allda selbst verdient werden.

Achtens: Nacht und Tag ist darob zu sein, wie die im Land gefallene überflüssige Güter bei denen Ausländern in verarbeiteter Gestalt, so weit solches nötig, und zwar um Gold und Silber anzuwenden, und zu dem Ende die Konsumption sozusagen bis an das äußerste Ende der Welt zu suchen und selbige in alle Weis und Wege zu befördern.

Neuntens ist außer wichtigen Bedenkens in keinerlei Weis und Weg zu gestatten, daß Güter, deren Art inner Landes zu Genüge und in erträglicher Güte fällig, von außen hinein gebracht werden, worinnen denen Auswärtigen weder Mitleiden noch Barmherzigkeit zu tragen, sie seien gleich Freunde, Verwandten, Alliierte oder Feinde. Denn da hat alle Freundschaft ein Ende, wo solche zu meiner Schwächung und Verderbung angesehen. Und solches behält Platz, wann gleich die inländische War schlechter an Güte oder auch höher an Wert sein sollte. Dann besser wäre, es komme auch einem übel Berichteten so seltsam vor, als es wolle, für eine Ware zwei Taler geben, die im Land bleiben, als nur einen, der aber hinausgehet.

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Kapitel X.

[Der Autor geht nun zur Aufzählung der natürlichen Ressourcen Österreichs über. Wir überspringen seine detaillierten Beschreibungen der Gold-, Silber- und Salzvorkommen Österreichs. Er stellt danach fest, dass man zur Ernährung Getreide, Obst, Milchprodukte, Gemüse, Fleisch, Fisch, etc. brauche und fährt wie folgt fort: ]

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Wem nun das gemeine Sprichwort, die Erblande seien zu Essen und Trinken eigentlich gemacht, nicht unbekannt, der kann leichtlich erachten, daß alle oberzählte Ding nicht nur in Menge, sondern auch in Überfluß fürhanden. Fast nicht ein einiges aus allen Erblanden ermanglet zu seiner Genüge, (den Safran ausgenommen), einiges von beigebrachten Stücken. Und da falls eines, wie Schlesien, des Weins benötiget, kann es sich dessen bei seinem nächsten Mit-Erbland erholen, daß demnach auch solchergestalt das dafür hinausgehende Geld, so zu sagen, noch beim Haus bleibet. Das einige Tyrol versichert sich bei einigen auswärtigen Nachbarn mit Brot, mehr aus Bequemlichkeit als Not; sonsten vielleicht andere österreichische Kornspeicher es noch wohl zur Genüge verlegen könnten. Und was das mehrere, die fürnehmste Stuck als Salz, Getraid, Wein, Rindviehe, Schwein, Teichfisch, Essig, Brantenwein, Obst etc. finden sich in solcher Fülle, daß nur die Klag ist, wohin mit allem zu gelangen. Nachdeme auch nur den Überfluß anzuwenden, damit er nicht verderbe, die Inwohner sich fast zum Luder genötiget finden. Österreich und Böhmen führen in solchem Überfluß vor andern den Reihen, allermeist aber Ungarn, so darinnen gleichsam wie das europäische gelobte Land zu achten. Sein Boden ist tragbar, daß an vielen Orten das gemeine Korn in der zweiten Saat den reinesten Weizen bringt und das Gras mit seiner Höhe das weidende Vieh beinah bedeckt. Das Gewässer ist so faselhaft daß es kein so ungemeineter Scherz ist zu sagen, die Theiß in Oberungarn führe in ihrem Flußbett zwei Teil Wasser und ein Teil Fisch. Der Wein läßt sich einiger Orten, wie um Tockay, dem besten in der Welt entgegen setzen. Das Feld Tönt von allerhand groß und kleinem Viehe. Die Maierhöf laufen von Geflügelwerk gleichsam über, die Luft wimmert von ihren gefiederten Einwohnern, und ist in Summa Ungarn eine wahre Brot-, Schmalz- und Fleischgrube, von deren zu reden ich abbreche, damit ich nicht einen gedingten Lobsprecher abzugeben scheine.

Auf die Fülle folgt die Hülle, oder die Kleidung, und was sich dahin schreibt. Zu deren Behuf geben die Erbland Woll, Lein und Haut. Woll zwar Böhmen die beste, insonderheit die lange Woll im Pilsnischen Kreis, zu Vorteil der Zeugmacherei. Schlesien kommt dem Böhmenland in der Menge und Güte zum nächsten. Mähren so ferner. Österreich und Ungarn hat die Genüge, doch von schlechter Feine. Der Leinbau hat in Schlesien, Ober- und teils Innerösterreich gleichsam seinen eigenst gewidmeten Sitz gehabt, von wannen sich viele der Benachbarten und teils weit entlegene versehen haben, und noch; weit davon, daß sie vor die Erblande nicht sollten genug sein. So ist an Überfluß der Häute von allerhand Gattung, (das köstliche Rauch-Gut ausgenommen), so viel weniger zu zweiflen, als selbiger eine notwendige Folge obig gerühmter Viehezucht und der Wildbahn ist. Hierunter tun auch die zahme Königlein und Biberhaar nicht ermanglen. Der Hülle folgt die Decke, nemlich die Wohnung, wozu Erden und Ton, Holz und Stein erforderlich. Deren aber, sowohl was die Menge als Tauglichkeit betrifft, in den Erblanden nirgend ein Abgang, auch sonsten wenig davon zu reden ist. Sogar ermanglen die treffliche Marmor- und andere achtbare Stein nicht, wann nur die Mühe des Brechens und Zuführens nicht geschonet wird. Das Caplierische Schloß Milnschaw in Böhmen ist auf einem lautern Jaspis-Felsen gebauet. Endlich bestehen die übrigen Behufnussen menschlicher Subsistenz in allerhand Werkzeugen, auch Haus- und Zierraten, deren viel aus Stein, Erden, Gold, Silber, Woll, Lein, Leder und dergleichen, wovon bereit gesprochen, verfertigt werden. Andere aber bestehen aus den geringen Metallen, deren mit einem, sonst in der kundbaren Welt, außer China, meines Wissens, niergends erfindlichem Exempel, die Erbland nicht eines einigen ermanglen. Dann Kupfer und Eisen bricht fast durchgehend in allen. Zinn gibt Böhmen von Alters das Schlackenwaldische, ohne welches auch das Englische nicht gebührend gearbeitet wird. Und nun tut sich dessen am Geyersberg ein solcher Uberfluß herfür, daß es das Ansehen gewinnt, ob sollte mit der Zeit fast eine halbe Welt damit können versehen werden, und weichet teils dessen dem Englischen in nichtes ein Haar. Bleies gibt Kärnten bei Villach, irgendwo Böhmen, auch Ungarn so viel, daß es genug ist, und hat Obersteier im Admontischen, beim Dorf Schlamming, ein Erz, dessen der Zentner sechzig Pfund halten soll, aber nicht gebauet wird. Hydria (aeterni liquori vomica) schüttet Quecksilber so freigebig, daß wann es nach allem Vermögen sollte angegriffen werden und sich Verschleisses genug dartäte, die ganze Welt damit zu verlegen wäre. Dannenhero es für ein Kleinod der Erblande gehalten wird. Auch gehören die Mineralien hieher, deren fürnehmste, als Schwefel, Kupferwasser und Spießglas, Ungarn allein, von den andern nichts zu sagen, so häufig gibt, daß wiederum eine ganze Welt damit zu versorgen wäre. Alle übrige seind in Menge und Überfluß, eines hie, das andere dort, und hat bevorab Ungarn das Berggrün und damit ein ziemliches Monopolium. In Tyrol fällt Galmei, dannenhero alldort auch etwas Messing bereitet wird. Welcher Ort nun alle Metallen und Mineralien besitzt, allda können auch die Materialien zu mineralischen Farben nicht weit sein, wenigst wann die Mühe dazu nicht geschonet wird. Von Salzen findet sich des Erdsalzes oder Salniters aller Orten genug, in Ungarn aber die Fülle. Böhmen scheint, daß es des Alauns eigenes Vaterland werden wolle, maßen sich dessen gegen den Meißnischen Grenzen unglaubliche Bergwerk herfür tun, wann nur jemand genugsamen dessen Verschleiß zuweisen wollte. Des Holzes, so der fürnehmste Zeug für allerhand zu menschlicher Subsistenz dienliche Instrumenten ist, findet sich einiger Orten so viel und in so bedauerlichem Uberfluß, daß derjenige, so nur anweisen könnte, wie seiner mit Nutzen los zu kommen, keinen geringen Dank verdienen sollte, und manglet dessen auch zu Masten und Schiffbau nicht, geschweigen zu anderem. Die Edle Gesteine gehöhren auch zu diesem Titul als der fürnehmste Zierrat. Deren schenkt uns Ungarn die Opalen und Nephritstein, Böhmen die edelste Granaten, aber klein, auch Lasur, dann ferner Demanten, Amethysten, Saphier, Topasen, Carniolen, Aquamarin, Achaten, Jaspis, allerhand Farben, Perlen, doch in etwas niedriger Würde, samt dem angenehmen Serpentin.

Von Wachs, Unschlitt, Horn, Glas, Bein, Papier, Pech, Roß- und Reheharen, Federn und dergleichen verschiedenen Dingen mehr, so nicht weniger, als andere oberzählte Sachen, in vielerlei Wege zu menschlichem Behuf dienen, ist weiter nichts anzuführen, als nur, daß, weilen der Überfluß an Bienen, Viehezucht, Lein und andern Dingen, wovon diese abfallen, in denen Erblanden vorhanden, sie an selbigen ebenfalls keinen Abgang leiden können. Der Pferd aber, als welche sehr fürnehme und lebendige Instrumenten menschlicher Nahrung seind, ist billig nicht zu vergessen, von welchen für allen Ungarn, hernach Böhmen berühmet seind, der übrigen Erbland auch keines ihrer manglet, dergot Überfluß aber durchgehend fürhanden ist. Anderer europäischer Lasttier, wo man ihrer bedarf, ist eben so wenig Abgang.

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Kapitel XV.

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[Hörnigk wiederholt im folgenden Abschnitt bereits Erwähntes und argumentiert, dass es praktisch keine für das Überleben des Menschen notwendigen Güter gäbe, mit denen „Österreich“ nicht autark wirtschaftete. Österreich könne ohne Weiteres gänzlich auf Importe verzichten, wenn man nur, anstelle den ausländischen Waren nachzulaufen, die einheimischen Produkte konsumieren würde. Genauso wenig sei es der Fall, dass Österreichs Bewohner dumm sind – viele ihrer Produkte genießen seit langem ein hohes Ansehen. Die schlesischen Webstoffe (darauf kommt er wiederholt zu sprechen), würden billig von niederländischen Händlern erworben, in den Niederlanden verarbeitet und dann zu teuren Preisen als niederländisches Produkt wieder in Österreich verkauft. Diese letzten Verarbeitungsschritte, genauso wie bei der Seide, könnten auch leicht im Inland durchgeführt werden. ]

[] Ohne ist es nicht, an einem Ort bei uns hat sothane Emsigkeit bei uns mehr Trieb als an dem andern, und werden die Weinländer beschuldigt, daß deren Einwohner sich nicht allein für sich selbsten die Gläser mehr als die Arbeit an das Herz stoßen lassen, sondern noch dazu fremde hineingebrachte Manufakturiers in wenig Jahren zu ihresgleichen, das ist Faulenzern und Luderern machen. Herentgegen aber sind die Bierländer so viel emsiger. Und wann irgendwo, wie in Böhmen auf der Fläche, allwo von Fülle des Getraids und Viehzucht alles lachet, auch wo der Weinwachs seinen Verlag lohnet, die Leut ebenfalls wenig von ihrem Fleiß und Emsigkeit zu entraten haben, so stecken herentgegen die Gebürg (Deutsch-Böhmen) voll nahrhafter grundarbeitsamer Leut. In Wien selbsten, wo doch die Lüsternheit und die Sehnung nach fröhlichem Leben gleichsam zu einem allgemeinen Herkommen erwachsen, manglet es zu denen Fabrikaturen weder an Geschicklichkeit noch Applikation, wann nur Willen, Aufmunterung und Anführung da ist. []

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Kapitel XVIII.

[Hörnigk erörtert danach inwieweit seine „Neun Regeln“ in Österreich beachtet werden, und schreibt, nachdem er an begründeten Beispielen aufzeigt, wie jede einzelne von ihnen ständig gebrochen wird, Folgendes: ]

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Man sagt sonsten: Ist einer gut, so seind sie alle gut. Ich aber sage von unser unter Handen habenden Materi: Ist eine von diesen Reguln allen bei uns jemal in gebührender Observanz gewesen, so seind sie es alle. Aber in der Tat findet sich solches nicht in einer einigen. Vom Schädel bis zu der Fußsole ist diesfalls nichts Gesundes bei uns. Und jemand dörfte noch wundern, oder die Ursach weit suchen, daß die Länder geldarm? Vielmehr siehet es bei solcher Beschaffenheit einem österreichischen Mirakul gleich, daß nicht bereit längst alles vollend bei uns zu Grund gegangen.

[] Ich will ja glauben, wir seien von Gott noch nicht so weit verworfen, daß keine Hoffnung mehr dazu sollte fürhanden sein. Sondern ich getröste mich, es werden noch etliche vom Himmel aufgetrieben werden, unserm sonst unglückseligen Vaterland sothanen Segen als auserwehlte Werkzeug Gottes erwerben zu helfen. Glückselige kaiserliche Erbländer und gesegneter Tag, in welchem wir solches Heil erleben werden! Teurester, ewig gepriesenster Kaiser, der solcher Gestalt seinem von Gott anvertrauten seufzenden und bedrängten Land und Leuten durch eine feste Resolution und unumstoßliche Verordnung zu Trost kommen und selbigen aus gegenwärtigem Schlamm der Unvermögenheit und des Mangels helfen wird! Ja, glückselige Türkennot, gesegnete Verhergung Österreichs, erwünschte Wiener Flucht, wann ihr Anlaß gebt, daß doch endlich dermaleins die Augen geöffnet, Hand angelegt und mittelst eurer, als gleichsam der Aufopferung eines Teils der Ladung, das gesamte baufällige und dem Ungewitter bald unterliegende Schiff des gemeinen erbländischen Wesens dem heftigen Sturm und Untergang entnommen und gerettet werde.

Kapitel XX.

Ja, sage ich, von den Fürsten unsers Volks muß uns das Heil herkommen, die Gemeinde kann ohne sie nichts hinzu tun. []

[Der Rest von Hörnigks Ausführungen eignet sich nicht zum Zusammenfassen; es sei hier nur der erste und wichtigste Schritt, der von ihm postuliert wird, erwähnt: Ein vollständiges Verbot des Imports von verarbeiteter Wolle, Leinenprodukten, Seide und allen anderen Gütern die als „französische Erzeugnisse“ bekannt sind. Die durch das Importverbot erzielten Einsparungen, von Hörnigk auf 10 Millionen Gulden pro Jahr geschätzt, sollten in die Errichtung von Manufakturen im Inland investiert werden. Es ist zudem interessant, dass er empfiehlt, das Zunftwesen, zumindest anfänglich „in den Manufakturen, die noch nicht in den österreichischen Erblanden vorhanden sind, aber zukünftig errichtet werden sollen“, nicht zu gestatten.]

Quelle: Philipp Wilhelm von Hörnigk, Österreich über Alles, wenn es nur will. Wien: Bergland Verlag, 1964.

Philipp Wilhelm von Hörnigk „Österreich über Alles, wenn es nur will“ (1684), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3601> [05.11.2024].