Kurzbeschreibung

Vor der industriellen Revolution, während der Baumwolle an Bedeutung gewann, diente Schafwolle als grundlegendes Rohmaterial für das Textilgewerbe. Mit diesem Edikt beabsichtigte die Regierung Friedrich Wilhelms, die Ausfuhr von Rohwolle zu erschweren. Das Edikt suchte zudem, die Importe von vollständig verarbeitetem Tuch zu minimieren, mit Ausnahme von Luxuserzeugnissen (welche die besitzenden Eliten von ausländischen Herstellern zu kaufen pflegten), um die Absatzmöglichkeiten des heimischen Textilhandwerks zu maximieren. Weitere Initiativen Friedrich Wilhelms verhängten ähnliche Beschränkungen auf Salz, Glas und Metallwaren. Gesetzgebung dieser Art kennzeichnete den Merkantilismus des Zeitalters.

Edikt zum Schutz der brandenburgischen Wollindustrie (30. März 1687)

Quelle

Edict, über die verbothene Auf- und Vorkäufferey der Wolle, Einführung der fremden Tücher und Zeuge, auch die Verbesserung der Wollen-Manufactur.

Publiciret Anno 1687. den 30. Martii.

Wir Friederich Wilhelm, von Gottes Gnaden, Marggraff zu Brandenburg; des Heil. Röm. Reichs Ertz-Cämerer und Churfürst, etc.

Thun hiermit kund, und fügen allen und jeden Unsern getreuen Unterthanen, denen von Praelaten, Graffen, Herren, Ritterschafft, Haupt- und Ambtleuten, Commissarien, Castnern, Schöffern, Ambtschreibern, Bürgermeistern und Rathmannen in Städten und Flecken, Zoll-Verwaltern Accis-Bedienten, auch Zoll- und Landreutern, wie auch Pensionarien, Schreibern und Verwaltern, auf derer von Adel und andern Gütern, auch allen und jeden Einwohnern Unser Chur- und Marck-Brandenburg, denen hieran gelegen, hiermit zu vernehmen;

Ob wohl Unsere in GOtt ruhende Vorfahren, und insonderheit Unser Groß Herr Vater, hochlöblichen Andenckens, auf der Tuchmacher und Wollenweber, jetztgedachter Unser Chur- und Marck-Brandenburg, offt wiederholte unterthänigste Vorstellungen und Klagten, über alle zu deren höchsten Schaden und Verderb practisirte Vor- und Aufkäufferey der Wolle, welche darin von geraumer Zeit her bestanden, daß sich einige Kauffleute, Gewandschneider und Andere in den Städten und Flecken, ja wohl zum Theil ungesessene Personen, die des Landes-Bürden nicht einmahl mittragen geholffen, auch wohl mit auswärtiger gewinnsüchtiger Leute Gelde, imgleichen die Juden sich unterstanden, das Land durchzureisen, und von denen von Adel, Priestern, Schultzen, Küstern, Pauren, Hirten und Schäfern, die Wolle noch vor der Scharzeit zu besprechen, zu behandeln, und nachgehends durch verbotene Schleiff-Wege aus dem Lande verpartiren zu lassen, bereits am Montage nach Trinitatis 1611. allenthalben durchs gantze Land durch publicirte Edicta ernstlich verbothen, und sonsten zur Verbesserung und Aufnahme der Gewercke der Tuchmacher, allerhand heilsamliche Verordnungen ergehen lassen, Wir auch solche eben zu Abstellung solcher Mängel zu dreyen unterschiedlichen mahlen, als am 24ten May, 1641. am 3ten May, 1660. und am 6ten May 1678. nachdrücklich wiederholet, und zu jedermännigliches Wissenschafft zu affigiren befohlen;

Es dennoch die Erfahrung geben, daß solche angewandte Landes-Väterliche Vorsorge den abgezielten Zweck nicht erreichet, sondern der Auf- und Vorkauff der Wolle durch die Conniventz und schlechte Aufsicht Unserer darzu verordneten Bedienten, insonderheit der Land- und Zollbereuter je mehr und mehr zugenommen, die Wolle auseinander geschossen, die beste ausserhalb Landes verführet, und die schlechte denen Tuchmachern verkauffet, folglich untaugliche Tücher daraus gemachet, und solches, weilen das Commercium auf solche masse sich an die benachbarte Oerter gewand, die aus der ausgeführten Wolle in auswärtigen Städten fabricirte Tücher hinwieder in Unsere Lande gebracht, und dagegen jährlich gar grosse Summen Geldes hinaus gezogen, keine andere Effecten mit sich führen können, dann daß die vorige Zahl der Tuchmacher (absonderlich bis Anno 1680.) nach und nach zum augenscheinlichen Ruin Unserer Städte sich mercklich verlohren und abgenommen, und solche Manufactur mithin gäntzlich zu Grunde gerichtet worden.

Derowegen Wir dann aus Landes-Väterlicher Vorsorge für die Conservation und Aufnahme Unserer Unterthanen auf solche Mittel, wozu Wir Uns vermöge der natürlichen und andern Rechten wohl befugt befinden, bedacht seyn, und zuforderst dahin sehen müssen, wie die gute Wolle, wormit die göttliche Gütigkeit Unsere Lande so reichlich versehen, in Unsern Chur-Landen, so viel möglich verarbeitet, und die daraus verfertigte Tücher, Boye und Zeuge nicht alleine innerhalb denenselben, sondern auch in andern Unsern Hertzog- und Fürstenthümern, Provintzen und Landen consumiret und vertragen, auch andere Frembde, wegen deren tüchtigen Fabricque, solche zu erhandeln und abzuholen, angefrischet werden mögen.

Wir verordnen, setzen und wollen demnach aus Lands-Fürstlicher Macht und Hoheit hiermit gnädigst und ernstlich, daß niemand Unserer Unterthanen, Militair- oder Civil-Bedienten, Bürger in Städten oder Landleute, insonderheit aber die Kauffleute, Krahmer, Gewandschneider und Tuchmacher, oder wer sonsten mit frembden Tüchern bißhero einige Verkehrung gehabt, vom Anfang des künfftigen Monaths Julii einige in denen benachbarten oder an andern auswärtigen Orten gemachte Tücher, davon sie nicht alsofort beweisen können, daß die Elle beym Einkauffe mehr dann 1. Thal. 12. Gr. gekostet, ins Land oder in die Städte bringen, oder zum erstenmal der Confiscation des Tuches, im Fall er aber weiter betreten wird, noch über dem einer willkührlichen Bestraffung zu gewarten haben solle. Jedoch wollen Wir die freye Handelung mit dergleichen Tüchen, zwischen Frembden und Frembden, auch Unsern Unterthanen und Frembden, en gros und mit gantzen Ballen und Packen, oder wann die Käuffer eine Quantität an eintzeln Stücken zusammen suchen und in Ballen schlagen lassen, und zwarten nur allein in denen Messen, keinesweges hierdurch verboten und gehemmet wissen, sondern solche in ihrem vorigen Lauff noch ferner ungehindert lassen, jedoch mit der Bedingung, daß die Kauffleute alle frembde Tücher bey Unsern Steur-Bedienten angeben, solche durch einen geschwornen Packer in Ballen schlagen, auch an dem Orte, wo der Ballen oder Packen zugemachet ist, ein Bley-Loth, darinnen ein Zepter, und in der Circumferentz diese Worte: Frembd durchgehend Tuch, daran schlagen lassen, inmassen dann auch so wenig die Frembde, als Einheimische solche Ballen innerhalb Unsern Landen öffnen lassen, und Unsere Zoll-Verwalter, auch so viel die einländische Kauffleute betrifft, die Steur-Einnehmer, ob die Bley-Zeichen auch gebrochen oder eröffnet, mit Fleiß zusehen sollen.

Wir verbieten auch aus obigen gemeinnützigen Absehen, nicht weniger die Einfuhre aller auswärts gemachten Boyen, Sergen und Raschen, so viel den Ausschnitt und die einländische Consumption betrifft, bey Vermeidung der Confiscation und Vorbehaltung obiger Straffe.

Und weilen nun nechst sothanem Verbot eine solche sorgfältige und zureichende Anstalt zu machen, höchstnöthig, daß an statt der ausgeschlossenen fremden Tücher, deren Manufactur innerhalb Landes verbessert, und die Gewandschneider, Kramer und andere Unsere Unterthanen, mit tüchtigen und nach der Proportion des Werths untadelhafften einländischen Tüchern, Boyen und andern Zeugen versehen werden mögen; Als wiederholen Wir nicht allein vorgedachter in GOtt ruhenden Unserer Vorfahren und Groß-Herrn-Vater hochlöblichen Andenckens, publicirte und von Uns bestätigte Edicta, sondern extendiren, declariren und erweitern auch solche in nachfolgenden Puncten:

[Es folgen dreißig detaillierte Erlasse, die folgendes bestimmen:

1. Jedes Jahr bevor das Scheren beginnt, ist eine offizielle Warnung an alle Schafzüchter herauszugeben, dass der Export ihrer Wolle verboten ist und dass sie die Wolle (außer auf Jahrmärkten) nur an Abnehmer verkaufen dürfen, die direkt in der Wollverarbeitung beschäftigt sind.

2. Auf Jahrmärkten darf die Wolle nicht vor 11 Uhr zum Verkauf angeboten werden. Danach kann sie von jedem Weber, Schneider, etc. erworben werden, solange diese Mitglieder ihrer jeweiligen Zunft sind; aber nicht für den Export.

3. Beamte der Krone und Adelige dürfen zwar weiterhin ihre eigene Wolle exportieren, müssen diese jedoch wiegen und sich den Export genehmigen lassen. Ausländische Käufer dürfen nicht direkt von Adeligen, etc. kaufen, sondern nur von städtischen Kaufleuten und erst nachdem auf die Wolle eine Verbrauchssteuer bezahlt wurde.

4. Händler, denen der Export erlaubt wurde, dürfen zu diesem Zweck die Wolle von Adligen kaufen, jedoch nicht von anderen Züchtern, und sind verpflichtet, über ihre Geschäfte Buch zu führen.

5. Dörfern, etc., wo keine Zunft für Weber und Schneider besteht, müssen ihre Wolle an einen Ort bringen, in dem eine solche Zunft existiert.

6. Hat ein Tuchmacher mehr Wolle erworben als er benötigt, darf er den Überschuss nicht exportieren, sondern muss ihn an andere Mitglieder seiner Zunft veräußern.

7. Die Wolle muss vor dem Verkauf gewaschen und gesäubert werden.

8. Die Wolle von Zuchtschafen darf nicht mit jener von Wildschafen vermischt werden. Die Wildschafe sind zu töten.

9. Gleichermaßen ist die Schafwolle nicht mit Ziegenfell zu verunreinigen. Um dies sicherzustellen, sind die Ziegen gemeinsam mit den Schweinen zu hüten.

10. Die Züchter dürfen nur zum Eigenverbrauch spinnen, walken und weben, nicht zum Verkauf.

11. Sie dürfen die zu Hause gesponnene Wolle nur an Weber und Tuchmacher verkaufen.

12. Sie dürfen keine Kleider aus Tucharten etc. verkaufen, deren Import verboten ist.

13. Es soll eine Aufsichtsbehörde für das Tuchgewerbe eingerichtet werden.

14. Besondere Aufmerksamkeit soll der Herstellung von Tucharten gewidmet werden, die früher importiert worden sind.

15. Die Weber dürfen keine minderwertige Ware verkaufen.

16. [Diese Vorschrift] widmet sich den Beziehungen zwischen Webern und Schneidern.

17. [Diese Vorschrift] Verbietet das Hausieren mit Tuch.

18. Kaufleute müssen den Webern Stoff auf Kredit vorstrecken, und falls notwendig auch Vorauszahlungen in bar; die Bedingungen sind frei verhandelbar, dürfen jedoch nicht schikanös sein.

19. Andererseits dürfen die Weber, Tuchmacher, etc., entgegen ihrer notorischen Gewohnheit, die Vorschüsse, die sie auf ihr Tuch erhalten, nicht für Schlemmereien und Zechereien ausgeben. Der Paragraf legt Sicherheitsklauseln fest, damit die Vorauszahlungen sachgemäß verwendet werden.

20. Behandelt Verfahrensdetails, welche beim Import und Export von Kleidern zu beachten sind.

21. Ungebundene Wandergesellen mit lockerem Lebenswandel, die sich nicht in einer Spinnerei niederlassen wollen und den Versuch wagen, unabhängig ihr Brot zu verdienen, sollen gezwungen werden, die Wolle von Webern und Tuchmachern zu nehmen und anständig zu verspinnen; sie sind jedoch regelmäßig und angemessen zu entlohnen.

Die Paragrafen 22 bis 25 legen Bestimmungen zur Sicherstellung der Versorgung mit Farbstoffen und der Absicherung des Lebensunterhalts der Färber fest. Einheimischen Tuchmachern ist es untersagt, Tücher zum Färben ins Ausland zu verschicken. In den Paragrafen 26 bis 29 werden Details der Zunftorganisation besprochen.

30. Der Erlass ist einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Jedwede Zuwiderhandlung oder Unterlassung der Zollbeamten etc., die Bestimmungen umzusetzen, ist hart zu bestrafen.]

Friderich Wilhelm.

(L. S.)

Quelle: Christian Otto Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta [et]c. : Von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, [et]c. biß ietzo unter der Regierung Friederich Wilhelms, Königs in Preußen [et]c. ad annum 1736. inclusivè / ... colligiret und ans Licht gegeben von Christian Otto Mylius. Berlin und Halle, Zu finden im Buchladen des Waysenhauses, [1737]-1755 [Theil 5, Abth. 2, Das IV. Capitel. Vom Woll-Handel und Verboth des Auf- und Vorkauffs, auch Ausfuhre derselben, Woll-Manufacturen, und Spinnereyen, Gewandschneidern, auch Tuchmachern, Verboth fremder Tücher etc, No. XXIV], S. 237-50.