Quelle
DR. V. BETHMANN HOLLWEG, Reichskanzler: […] Der Leutnant v. Forstner hat in einer Instruktionsstunde einem Rekruten Anweisung gegeben, wie er sich verhalten solle, wenn er angegriffen würde. Im Hinblick auf manche ernsten und traurigen Ereignisse in den letzten Jahren hatte der Leutnant wohl Veranlassung, dies zum Gegenstand der Instruktion zu machen.
(Sehr richtig! rechts.)
[…] Endlich hat derselbe Leutnant in der Instruktionsstunde dreimal Elsässer als „Wackes“ tituliert. Ein Rekrut hat sich auf Befehl des Unteroffiziers bei dem Offizier mit dem Ausdruck: „Ich bin ein Wackes“ melden müssen.
(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)
[…] Die Herren Elsässer waren ja, als ich über das Wort „Wackes“ sprach, schon sehr empfindlich. Aber ich glaube, ich trete den Herren doch wirklich nicht zu nahe, wenn ich meine, die Elsässer sollten doch auch nicht empfindlicher sein als andere Stämme unseres Volkes.
(Sehr richtig! rechts.)
Der Elsässer nennt, wenn er von dem Deutschen spricht, ihn mit Vorliebe einen Schwaben.
Ich kann den elsässischen Dialekt leider nicht nachmachen, da klingt es noch etwas bezeichnender.
(Abgeordneter Ledebour: Schämen Sie sich nicht, in so ernster Sache solchen Kohl vorzubringen?! – Glocke des Präsidenten.)
PRÄSIDENT: Herr Abgeordneter Ledebour, wegen dieses Zwischenrufs rufe ich Sie zur Ordnung!
DR. V. BETHMANN-HOLLWEG, Reichskanzler: Meine Herren, es ist mir zweifelhaft, ob der Elsässer allemal sehr freundlich gesinnt ist, wenn er von dem Deutschen als von einem „Schwab“ spricht. Aber die Altdeutschen regen sich darüber nicht auf, ebensowenig wie wir Preußen uns aufregen, wenn uns etwa in Bayern oder in Sachsen in besserer oder schlechterer Laune mit der Bezeichnung „Preuße“ vorgehalten wird, daß wir eben Preußen und keine Bayern oder Sachsen sind.
(Heiterkeit.)
Das sind landsmannschaftliche Gegensätze, die uns Deutschen nun einmal im Blute liegen, meine Herren, und darum sollte man sie nicht zu ernst nehmen.
Aber, meine Herren, sei dem, wie ihm wolle, die Elsässer haben sich tatsächlich durch den Gebrauch des Wortes beleidigt gefühlt. Das aber bildet doch noch in keiner Weise irgendeine Rechtfertigung dafür, daß in der Folge tatsächlich Offiziere und Mannschaften öffentlich beleidigt und verhöhnt worden sind.
(Hört! hört! rechts. – Zurufe von den Sozialdemokraten.)
[…] Auf der anderen Seite wird die Militärbehörde dauernd und mit Recht den Standpunkt vertreten, daß sie Beleidigungen, die ihr zugefügt werden, nicht auf sich sitzen lassen kann,
(bravo! rechts)
und daß sie das namentlich in diesem Falle nicht kann, wo es sich nicht um eine einzelne, vereinzelte Belästigung gehandelt hat, sondern nach dem, was ich Ihnen mitgeteilt hatte, um eine ganze Kette von aufeinander folgenden Belästigungen.
(Zuruf links: Fortgesetzte Provokation der Bevölkerung!)
Ob Verletzungen der Strafgesetze vorgelegen haben, ob zivilrechtliche Entschädigungsansprüche geltend zu machen sind, das wird der Richter entscheiden müssen. Jedenfalls aber bitte ich die Herren, auch in diesem ernsten und in vieler Beziehung sehr traurigen Falle nicht zu vergessen, daß die Armee das Recht hat, sich gegen direkte Angriffe zu schützen.
(Zuruf von den Sozialdemokraten: Kinder haben angegriffen!)
Und sie hat nicht nur dieses Recht, sie hat auch die Pflicht dazu.
(Unruhe bei den Sozialdemokraten.)
Sonst kann keine Armee in der Welt bestehen.
(Sehr wahr! rechts.)
Der Rock des Königs muß unter allen Umständen respektiert werden.
(Lebhafte Zustimmung rechts. – Zurufe von den Sozialdemokraten. – Andauernde große
Unruhe.)
[…]
Quelle: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags. XIII. Legislaturperiode. I. Sitzung, 1913, Bd. 291, Berlin 1914, S. 6155–57.; abgedruckt in Rüdiger vom Bruch und Björn Hofmeister, Hrsg., Kaiserreich und Erster Weltkrieg 1871–1918. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Hrsg. von Rainer A. Müller, Band 8. Stuttgart: P. Reclam, 2000, S. 316–19.