Quelle
Handlungsgehilfen! Handlungsgehilfinnen!
Der Reichstag hat den
Gesetzentwurf der Regierung, der Eure tägliche Arbeitszeit auf
14
Stunden festsetzt, - einer Kommission überwiesen. Diese hat
Gegenvorschläge gemacht,
die thatsächlich eine Verbesserung des
Regierungsantrages bedeuten. Kaum waren dieselben
bekannt, da erhob
sich unter der Prinzipalität ein Sturm der Entrüstung. War doch ihre
Freiheit,
Euch auszubeuten, in etwas beschränkt worden. Wußtet Ihr
doch jetzt, wann, unabhängig von
der Laune der Chefs, Eure Ruhezeit
beginnt; wann Ihr Euch Eurer Familie, Eurer Erholung,
Eurer
Fortbildung widmen konntet.
Dem Ansturm der Schreier droht die
Regierung nachzugeben. Alles wollen jene der
freien Vereinbarung
überlassen! Keine gesetzliche Festlegung! Hohn und Spott über
die
„freie Vereinbarung“! Was ist sie unserer Prinzipalität, ihr,
die sich mit Ruhe über Gesetz und
Recht wegsetzt?!
Eine
gesetzliche Sonntagsruhe besteht seit Jahren. So kümmerlich sie ist,
wir
begrüßten sie als ersten Schritt zur Besserung unserer Lage.
Doch wo ist sie hin? Heute, nach
kaum zehn Jahren, kümmern sich
Eure Prinzipale nicht mehr um jene Vorschriften, verachten
das
Gesetz, schlagen den Überwachungsorganen ein Schnippchen.
Und
warum?
Weil jene Maßregeln nur halbe waren, Eure Sonntagsruhe nur
eine theilwiese.
Kollegen und Kolleginnen! „Noth lehrt beten“, sagt
das Sprüchwort, „aber Noth lehrt
auch kämpfen!“
Nur eine
einheitliche Sonntagsruhe kann uns frommen! Nur die
Verkürzung
unserer täglichen Arbeitszeit kann uns ein
menschenwürdiges Dasein gewähren!
Darum, Kollegen und Kolleginnen,
benutzt jede Gelegenheit, für Eure Rechte zu
demonstriren. Zeigt
den gesetzgebenden Körperschaften, welches Eure Wünsche
sind.
Erscheint alle in der am
Mittwoch, den 20. September,
Abends 8½ Uhr
stattfindenden
Großen
öftentlichen
Versammlung der Handelsangestellten
in der
Berliner Ressource, Kommandentenstr. 57.
Tages-Ordnung
1.
Vortrag des Reichstags-Abgeordneten Pfannkuch über: “Der
gesetzliche
Ladenschluß”.
2. Vortrag des Kollegen August
Hintze: “Die Sonntagsruhe vor den Stadtverordneten”.
3.
Diskussion.
Albert Kohn,
Vertrauensmann der Berliner
Handlungsgehilfen und Gehilfinnen.
Schliemannstraße 11, II.
Quelle: bpk-Bildagentur, Bildnummer 20030056. Für Rechteanfragen kontaktieren Sie bitte die bpk-Bildagentur: kontakt@bpk-bildagentur.de oder Art Resource: requests@artres.com (für Nordamerika).