Kurzbeschreibung

Diese Zeichnung mit begleitenden Versen sollte auf humorvolle Weise die sich verändernden Geschlechterrollen kommentieren, da Frauen zunehmend Aufgaben und Berufe übernehmen mussten, die zuvor den nun zum Kriegsdienst eingezogenen Männern vorbehalten gewesen waren. Hier sind Frauen als Kutscherinnen, Barbiere, Schneeschaufelerinnen, Kohlenlieferantinnen, Polizistinnen und Fensterputzerinnen dargestellt. Der Ton des Gedichtes, das an einen Kinderreim erinnert, ist jedoch ebenso herablassend wie lobend.

„Unsere Mädels in der Kriegszeit“ (1915)

Quelle

Unsere Mädels in der Kriegszeit

Herrscht in Arbeitskräften Dalles
Unsre Mädel machen alles!
Eijaja!
Wo es was zu tun und rühren
Gibt - dies will ich illustrieren—
Sind sie da!

Schau, da lenkt die Kleine trutzig
Ihren „Bolle“, keck und putzig:
„Schimmel zieh!“
Klingelinge, pitschepatsche
Schwingt sie ihre Peitschenklatsche:
„Hottehüh!“

Können Mädels auch rasieren?
Ei, das sollt ihr mal probieren!
Nehmet Platz!
Und nun geht es hoppelpoppel,
Von der Wange fliegt die Stoppel:
Kritzekratz!

Selbst im Winter zu dem Schippen,
Na—wer könnte daran tippen!—
Kommen sie!
Liegt der Schnee auch noch so dicke,
Schaufel, Besen, Spaten, Picke
Schwingt Marie.

Alles glückt, was sie beginnen!
Auch als Bahnsteigschaffnerinnen
Geht's partout!
Ohne Fluchen und Gerase
Schneppt die Tür von deiner Nase
Schnippisch zu.

Auch der Krätke* kann sich freuen
Über seine hübschen, neuen
Postillions!
Gelder, Briefe, Warenproben
Gibt sie ab bei Müllers oben
Und bei Cohns!

Und wer konnte jemals denken,
Daß sie auch die Körbe schwenken
Kohlenschwer!
„Mutter, hast du schon vernommen?
Fräulein ist mit Koks gekommen!
Kasse—her!“

Auch das „Schließen und das Wachen“
Heitza!  Sind der Frauen Sachen!
Merkste was?
Willst du nächtlich randalieren?
Hei, wie sie dich arretieren!
Ohne Spaß!

Fensterputzmamsells in Rotten!
Man erkennt sie schon am flotten
Schritt und Gang.
Schaut! In kurzen, prallen Höschen
Putzen Minna, Agnes, Röschen
Alles blank!

Und ein Zweifler will noch hören:
„ob ein Mädel Schornstein kehren
können mag?“
Gerne folgt sie deinem Winke
Und sie steigt mit schwarzer Schminke
Dir aufs Dach!

M. Brinkmann

*Reinhold Krätke war Staatssekretär des Reichspostamtes (Hg.)

Quelle: Wachtfeuer. Künstlerblätter zum Krieg 1914/15. Heft 58 (1915) UB Heidelberg, https://doi.org/10.11588/diglit.30347#0587

„Unsere Mädels in der Kriegszeit“ (1915), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-wilhelminische-kaiserreich-und-der-erste-weltkrieg-1890-1918/ghdi:image-5371> [26.09.2025].