Quelle
Reporter: Herr Dr. Dürr, Sie haben doch als Chefkonstrukteur den Werdegang des Luftschiffbaus Graf Zeppelins selbst erlebt. Können Sie uns aus der ersten Zeit etwas erzählen?
Dürr: In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte Graf Zeppelin den Gedanken für sein Schiff fertig und erhielt er für sein Fahrzeug ein deutsches Reichspatent. Dieses Patent gab ihm die Möglichkeit zur Gründung der Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt im Jahre 1898, welche die finanzielle Unterlage zum Bau seines Schiffes schuf. An dem Kapital von 800.000 Mark war der Graf mit der Hälfte selbst beteiligt. Das neue Unternehmen setzte als Geschäftsführer Herrn Ingenieur Kübler ein, welcher in der Bahnhofstraße in Stuttgart mit einigen Ingenieuren die Konstruktionspläne für das erste Luftschiff entwarf.
Reporter: Herr Dr. Dürr, waren Sie nicht damals auch schon dabei?
Dürr: Jawohl, ich trat im Jahre 1899 in die Dienste Graf Zeppelins.
Reporter: Warum wählte nun eigentlich Graf Zeppelin gar den Bodensee für den Bau des Schiffes?
Dürr: Der Graf wollte für sein Schiff eine Halle haben, die sich stets in die Windrichtung einstellte. Er baute sie deshalb schwimmend auf den See, die an ihrer Spitze verankert war. So konnte sich die Halle stets in die Windrichtung einstellen. Ein weiterer Grund, dass der Graf sich für den Bodensee entschied, war, dass die große Wasserfläche nichts kostete.
Reporter: Und in dieser Halle auf dem Bodensee sollte nun das Schiff gebaut werden.
Dürr: Im Frühjahr 1899 war die Halle fertig und sofort wurde mit der Montage des Schiffskörpers begonnen. Die kleine Gefolgschaft des Grafen fügte Ring an Ring und Träger an Träger. Der Graf selbst verfolgte aufmerksam den Baufortschritt. Er ließ es sich nicht nehmen, auf die schwindelnden Gerüste zu steigen, um sich von der Zuverlässigkeit der Arbeiten zu überzeugen. Nicht Wind und Wetter hielt den Grafen ab, mit seiner Arbeitsschar frühmorgens nach Manzell zu fahren, wobei frohe Unterhaltung, Gesang und Mandolinen-Spiel die Stimmung für das neue Tagewerk schuf. Der lange Schiffsleib wuchs. Er wurde mit Stoff bekleidet und bald dröhnten die Motoren und Propeller als Zeichen gründlicher Erprobungen.
Reporter: Und nun war das Schiff denn fertig?
Dürr: Jawohl, der Tragkörper konnte nun mit Wasserstoffgas gefüllt werden, welches in Stahlflaschen auf Pontons längs der Halle gefahren wurde. Bald schwebte das Schiff in der Halle an vielen Seilen gefesselt. Zur Ausfahrt war der Hallenboden schwimmbar eingerichtet. Er wurde mit dem gefüllten Schiff wie eine Schublade aus der Halle gezogen. Am 2. Juli 1899 war der spannende Moment gekommen, wo das Schiff an seinen Halteseilen Meter um Meter hochgelassen werden konnte, bis das dreizentnerschwere Laufgewicht, das 20 Meter unter dem Schiff hing, frei schwebte. Das Schiff wurde der Atmosphäre überlassen. Die Motoren setzten ein und es nahm das Luftschiff über die Köpfe der Haltemannschaft hinweg seine Fahrt im Äther auf. Man erkannte vom Boden deutlich, wie das Schiff auf die Bewegungen der Steuer mit seinen Schwenkungen reagierte. Nach viertelstündiger Dauer der Luftmanöver erfolgte die Landung in der Manzeller Bucht in der Richtung gegen Immenstaad. Das Motorboot Württemberg wollte das Schiff ins Schlepptau nehmen. Es hatte sich jedoch inzwischen an einem Seezeichen verfangen, das ein Loch in die Hülle riss. Durch Absägen des Pfahles wurde das Hemmnis beseitigt. Das Luftschiff konnte zum Floß und mit diesem wieder in die Halle geschleppt werden.
Reporter: Und wie war nun so der Eindruck dieser ersten Fahrt?
Dürr: Die vielen Tausende der Zuschauer waren über das erlebte Schauspiel restlos begeistert. Die erste Fahrt hat einwandfrei erwiesen, dass das lenkbare Luftschiff Graf Zeppelins geschaffen war. Für den Grafen und seine Helfer hatten sich jedoch eine Reihe besserungsbedürftiger Mängel ergeben, mit denen der Erstbau behaftet war. [. . . ]
Reporter: Ja, dieses erste Luftschiff war aber doch wohl noch, sagen wir mal, verhältnismäßig primitiv. Welche Größe hat es eigentlich?
Dürr: Das Schiff hatte eine Länge von 128 Meter, einen Durchmesser von 11,3 Meter und besaß einen Gasinhalt von etwas über 10.000 Kubikmeter. Zum Vergleich möchte ich erwähnen, dass die neuen Schiffe bei viermal größerem Durchmesser und doppelter Länge ein 20 mal größeres Gasvolumen haben. Bei dem damaligen Stand der Technik muss allerdings das erste Schiff als primitiv bezeichnet werden. Es war noch nicht möglich, stärkere Motoren zu bekommen, welche dem Schiff eine höhere Geschwindigkeit geben konnten. Ferner waren die hochfesten Konstruktionsmaterialien noch nicht geschaffen. Solche Verbesserungen konnten erst den späteren Luftschiffen zugutekommen.
Quelle: Gespräch mit dem Zeppelin-Chefkonstrukteur Ludwig Dürr über den Bau des ersten Luftschiffes im Jahr 1899 und dessen erste Fahrt am 2. Juli 1900, Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, 5. Juli 1938. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv