Kurzbeschreibung
Ebenso wie die öffentliche Verfolgung von Juden und anderen
sogenannten Unerwünschten durch das Regime in den späten 1930er Jahren
an Intensität und Unverhohlenheit zunahm, ging auch die wirtschaftliche
Verfolgung dieser Gruppen voran, wenn auch mit subtileren Mitteln. Wie
Historiker/innen festgestellt haben, erlitten Juden den „sozialen Tod“,
lange bevor sie deportiert und ermordet wurden. Diesen sozialen Tod zu
verstehen bedeutet, zu untersuchen, wie die Deutschen im Alltag weniger
offenen Formen des Antisemitismus begegneten und diesen selbst annahmen.
Diese Kultur des Antisemitismus führte zu vielen kleinen Veränderungen,
die allein im größeren Kontext des nationalsozialistischen Deutschland
kaum überraschend erschienen wären. Dennoch zeigen diese kleinen
Veränderungen, wie die Juden zunehmend vom Rest der deutschen
Gesellschaft ausgeschlossen wurden.
Hier ist eine Seite aus einem deutschen kommerziellen Adressbuch (es
entspricht den heutigen „Gelben Seiten“) abgebildet, in diesem Fall mit
einer Liste von Ärzten in Preußen. Zahlreiche der Ärzte (mindestens die
Hälfte) wurden mit einem Doppelpunkt vor ihrem Namen markiert, was sie
als Juden identifizierte. Bereits in den 1930er Jahren waren Juden durch
direktere Maßnahmen langsam aus vielen Berufen vertrieben worden, von
Beschäftigungsverboten im öffentlichen Dienst bis hin zu Einschränkungen
der Zulassung von Medizinstudenten und anderen Regelungen. Diese
Ärzteliste von 1937 vermittelte eine stille, aber starke Botschaft: dass
die Deutschen bei den Ärzten eine Wahl hatten und dass sie mit ihrer
Wahl die Werte und Ideale der NS-Bewegung unterstützen sollten. Damit
zeugt die Liste nicht nur vom heimtückischen Charakter der
nationalsozialistischen Ideologie, sondern auch von dem weniger leicht
definierbaren kulturellen Rassismus, den die Deutschen täglich
lebten.