Kurzbeschreibung

Der Verlag Karl Baedeker war ein deutsches Verlagshaus, das 1827 von Karl Baedeker gegründet wurde. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurde die Veröffentlichung von Reiseführern zu einer einträglichen Einnahmequelle für den Verlag. Als die Nazis an die Macht kamen, wurde der Verlag beauftragt, mehrere Reiseführer für deutsche und ausländische Touristen zu erstellen. Die beiden hier in Auszügen vorgestellten Bücher, eines aus dem Jahr 1936 und das andere von 1943, sind bezeichnend für die Zeit, in der sie geschrieben wurden.
Das erste Buch, Germany: A Handbook for Railway Travels and Motorists (1936), das in englischer Sprache für ausländische Touristen geschrieben wurde, revidiert die Geschichte Deutschlands im nationalsozialistischen Sinn. Die Geschichte einer scheiternden jungen Demokratie wird durch eine heroische Erzählung über den Aufstieg Hitlers zur Macht und seine „Erneuerung“ der deutschen Nation ersetzt. Das Buch offenbart das Ansinnen des NS-Regimes, sich nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland als revolutionäre Kraft darzustellen, die Deutschland aus den von der Linken nach 1918 verursachten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen rettete.
Das zweite Buch, Das Generalgouvernement, wurde 1943 im Auftrag von Hans Frank, dem Gouverneur des Generalgouvernements in Polen veröffentlicht und konzentriert sich auf die Region im besetzten Polen, die im Mittelpunkt der „Endlösung“ stand. In diesem Sinne gibt es einige Verweise auf die vermeintlich schädlichen Auswirkungen der Anwesenheit von Juden im Generalgouvernement. Orte wie Auschwitz werden lediglich als Industriestädte mit einer geringen Bevölkerungszahl dargestellt. Und ähnlich wie im Reiseführer von 1936 wird hier versucht, die Geschichte Polens umzuschreiben, indem die Verbindungen zu Deutschland und die beträchtliche Minderheit deutschsprachiger Menschen, die sich im Laufe der Jahre dort niedergelassen hatten, hervorgehoben werden – möglicherweise als eine weitere Rechtfertigung für die Eroberung Osteuropas.

Auszüge aus Baedecker Reiseführern (1936 / 1943)

Quelle

I. Deutschland: Ein Handbuch für Bahn- und Automobilreisen (1936)

DIE REPUBLIK (1919-33).

Der Versailler Vertrag war kein wirklicher Frieden im Sinne der vierzehn Punkte Präsident Wilsons, sondern ein diktierter Friede oder vielmehr ein Strafgericht, das die Besiegten zu akzeptieren gezwungen waren. Er war darauf ausgerichtet, Deutschland durch eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln (Reparationen, Sanktionen usw.) dauerhaft zu unterdrücken, und seine Auswirkungen auf das gesamte Leben der Nation waren verheerend, auch wenn es ihm nicht gelang, ihre Einheit zu zerstören. Der Versuch, die immensen Verpflichtungen zu erfüllen, führte zu einem Zusammenbruch des Wirtschaftslebens in Deutschland. Während das parlamentarische System eine zielgerichtete Politik der politischen Führer verhinderte und der Kommunismus ein gefährliches Ausmaß annahm, sammelten sich allmählich die Kräfte der Erneuerung um Adolf Hitler.

1919 6. Februar: Einberufung der Nationalversammlung in Weimar. Friedrich Ebert (gest. 1925) wird zum Präsidenten der Republik gewählt.
28. Juni: Ratifizierung des Versailler Vertrages.

Verlust von 70.556 km2 (etwa die Fläche Bayerns) mit 6.500.000 Einwohnern in Elsass-Lothringen, Eupen und Malmedy, Nordschleswig, Posen, Westpreußen, Ostpreußen und Oberschlesien; Totalverlust der Kolonialbesitzungen (290.656km2 , mit 11.900.000 Einwohnern); Besetzung des Rheinlands und des Saargebiets; entmilitarisierte Zone, 50 km breit, am östlichen Rheinufer; Aufhebung der Wehrpflicht; Reduzierung des Heeres auf 100.000 Mann (mit eingeschränkter Bewaffnung) und der Marine auf 6 Schlachtschiffe, 6 leichte Kreuzer und 24 Zerstörer und Torpedoboote; Abschaffung der Luftwaffe (diese Beschränkungen sind als Vorbedingung für eine allgemeine Reduzierung der nationalen Rüstung gedacht); Deutschland erkennt seine alleinige Kriegsschuld an; riesige Geldsummen in unbestimmter Höhe sollen als Reparationen gezahlt werden; alle Handelsschiffe über 1600 Tonnen (d. h. d.h. ca. 90% der Handelsmarine) sollen ausgeliefert werden; Übergabe allen staatlichen und privaten Eigentums in fremden Ländern; etc.

11. August: Die Weimarer Verfassung.

1920 10. Januar: Der Vertrag von Versailles tritt in Kraft.
24. Februar: Adolf Hitler (geboren in Braunau in Österreich am 20. April 1889) verkündet in München das Programm des Nationalsozialismus.
13. März: Erfolgloser Versuch, eine nationale Regierung zu bilden („Kapp-Putsch).
15. März: Kommunistischer Aufstand und Bildung einer „Roten Armee“ im Ruhrgebiet.
11. Juli: Volksabstimmung in den ost- und westpreußischen Kreisen Allenstein und Marienwerder fällt zu Gunsten Deutschlands aus.

1921 20. März: Volksabstimmung in Oberschlesien, bei der 60 % der Stimmen für Deutschland abgegeben werden.

1923 Januar: Litauen besetzt Memel (S. 127); die Franzosen marschieren in das Ruhrgebiet ein.
23. August: Gustav Stresemann (gestorben 1929) wird Kanzler und Außenminister.
8./9. November: Hitler versucht, die nationale Neuordnung des Reiches, beginnend mit Bayern, zu übernehmen; die Bewegung wird in der Feldherrn-Halle in München zerschlagen (S. 469), und die Partei wird verboten (bis 26. Februar 1925), ihre Führer werden zu Festungshaft verurteilt.
Im November, nach dem völligen Zusammenbruch der Währung durch Inflation, gelingt es der Regierung, sie auf einer neuen Grundlage zu stabilisieren.

1925 26. April: Feldmarschall von Hindenburg wird zum Reichspräsidenten gewählt.
7. Mai: Eröffnung des Deutschen Museums in München.
Juli-Aug: Evakuierung des Ruhrgebiets.
5.-6. Oktober: Konferenz von Locarno. Die britischen Streitkräfte evakuieren die Kölner Zone.

1928 April: Atlantikflug des Flugzeugs „Bremen“.

1929 15. August bis 4. September: Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ fliegt um die Erde.

1930 30. Juni: Ende der Rheinlandbesetzung nach 10 ½ Jahren.

1931 Deutschland wird von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffen.

1932 10. April: Hindenburg wird als Reichspräsident wiedergewählt. Die Zahl der Mitglieder der NSDAP erreicht eine Million.
31. Juli: Bei den Reichstagswahlen erhalten die Nationalsozialisten 230 von 608 Sitzen.

DAS DRITTE REICH (1933 bis heute).

Der in erbitterter Auseinandersetzung mit dem Marxismus entstandene Nationalsozialismus hat die nationale Revolution systematisch durchgeführt und sowohl den unfruchtbaren Parlamentarismus als auch das gegenseitige Aufeinanderprallen von wirtschaftlichen und kommunalen Interessen beseitigt. Gleichzeitig wurde mit der konstruktiven Arbeit an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Reorganisation der Landwirtschaft als Rückgrat der Nation, der Wiedererweckung des Rassenbewusstseins und einer gemeinsamen Organisation der Klassen begonnen.

1933 30. Januar: Adolf Hitler wird von Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.
21. März: Eröffnung des Reichstages in der Garnisonkirche zu Potsdam („Tag von Potsdam“). Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März wird die gesamte politische Macht an Hitler übertragen und das Kabinett ermächtigt, Gesetze durch Verordnungen zu erlassen.
7. April: Gesetz zur Ernennung von Landeshauptleuten („Reichs-Statthalter“, S. lxii).
2. Mai: Die Gewerkschaften werden durch die „Deutsche Arbeits-Front“ (S. lxii) ersetzt.
21. Oktober: Deutschland tritt nach dem Scheitern der Abrüstungskonferenz aus dem Völkerbund aus.
1. Dezember: Gesetz zur Wahrung der Einheit von Staat und Partei, die NSDAP wird damit alleiniger Träger der politischen Macht.

1934 30. Januar: Reichsreform, Abschaffung der hoheitlichen Befugnisse und repräsentativen Einrichtungen der Länder.
2. August: Tod von Reichspräsident von Hindenburg. Adolf Hitler übernimmt als „Führer“ und Reichskanzler den Oberbefehl über Staat und Partei.

1935 13. Januar: Saar-Volksabstimmung (S. 319).
16. März: Wiedereinführung der Wehrpflicht.
19. Mai: Eröffnung der ersten „Reichsautobahn“ bei Frankfurt am Main.
15. September: Die Hakenkreuzflagge (S. lxii) wird zur alleinigen Nationalflagge erklärt. Neue Gesetze über die deutsche Staatsangehörigkeit.

1936 7. März: Deutsche Truppen marschieren wieder in das Rheinland ein.

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Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei (NSDAP), die einzige politische Partei des Reichs, hat ihren Sitz in München (S. 472). Der Führer der Partei ist Adolf Hitler, sein Stellvertreter Rudolf Hess. Geleitet wird die Partei von der Politischen Organisation, die sich in Gaue, Kreise und Ortsgruppen gliedert sowie in die SA (Sturm-Abteilung, braune Hemden), die SS (Schutz-Staffel, schwarzer Uniformrock), das NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrer-Korps) und die HJ (Hitler-Jugend für Jungen und Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren). Folgende Organisationen wurden geschaffen und werden von der Partei kontrolliert: die Deutsche Arbeits-Front (DAF, S. lx) aller Arbeiter (Angestellte und Arbeitgeber), der die nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ untersteht, welche gesellige Zusammenkünfte und Feiertage organisiert; die NS-Frauenschaft, die NS-Kriegsopferversorgung, die NS-Volkswohlfahrt (NSV), die sich um die öffentliche Wohlfahrt und insbesondere um das „Winter-Hilfswerk“ kümmert.

NATIONALE EMBLEME. Das Hakenkreuz, das Symbol der Nationalsozialistischen Partei, hat heute seinen Platz in allen Hoheitszeichen. Die Nationalflagge ist rot und zeigt ein schwarzes Hakenkreuz auf einer weißen Scheibe. Die Reichskriegsflagge des Heeres, der Marine und der Luftwaffe ist ebenfalls rot mit einem weiß-schwarz gestreiften Kreuz und einem schwarzen Hakenkreuz in der Mitte. – NATIONALHYMNEN. „Deutschland, Deutschland über alles“ (das Deutschlandlied; vgl. S. 82) und daneben (seit 1933) das Horst-Wessel-Lied („Die Fahne hoch, die Reihen dicht geschlossen“; vgl. S. 19).

Der Deutsche Gruß oder „Hitler-Gruß", d.h. das Heben des rechten Arms, begleitet von den Worten „Heil Hitler“, hat seit 1933 die Praxis des Hutlüftens weitgehend verdrängt. Heer, Marine und Luftwaffe behalten den militärischen Gruß bei; der Deutsche Gruß ist jedoch für Beamte und beim Abspielen der Nationalhymnen für alle obligatorisch (vgl. oben).

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Quelle des englischen Originaltextes: Karl Baedeker, Germany: A Handbook for Railway Travels and Motorists. Leipzig: Baedecker, 1936, S. lviii-lxii.

Übersetzung: Insa Kummer

II. Das Generalgouvernement (1943)

Die Anregung zu diesem neuen Bande unserer Sammlung gab der Herr Generalgouverneur Reichsminister Dr. Hans Frank. Der Herausgeber hat die Aufgabe mit Freuden begrüßt, ein Handbuch zu schaffen, das eine Vorstellung gibt von dem Umfang der ordnenden und aufbauenden Arbeit, die unter schwierigen Kriegsbedingungen in 3 ½ Jahren schon bewältigt oder in Angriff genommen worden ist, seit das Deutsche Reich die Verwaltung des Weichselraumes übernommen hat. Das Land und seine Städte haben ein anderes Gesicht gewonnen, die weit verstreuten Schönheiten der Natur und die unzähligen, vielfach verschütteten Zeugen alter deutscher Kultur- und Pionierarbeit, vor allem die Schöpfungen deutscher Baukunst, sind leichter zugänglich geworden. Sie auch in den noch verkehrsabgelegenen Gebieten zu finden, Land und Leute richtig zu sehen und die geschichtlichen Zusammenhänge kennenzulernen, dazu will unser neues Handbuch helfen, und zwar nicht nur dem Reisenden, sondern jedem, der sich mit dem Weichselraume beschäftigt.

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Die Bahn nach Krakau führt nordöstlich weiter über (348km) Auschwitz, eine Industriestadt von 12 000 Einwohnern, ehemals Hauptort der Piastenherzogtümer Auschwitz und Zator (Hotel Zator, 20 B.), von wo eine Nebenbahn über Skawina (49km; S. 166) nach Krakau führt (69km in 3 St.). – 368km Krenau (ehem. Chrzanow; 266m), Industriestadt von 23 000 Einwohnern; Bahnhofhotel, 10 B. – 374 km Trzebinia (S. 54). – Weiter nach (413 km ) Krakau s. Route 7a.

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Im XVI. Jahrhundert war Kazimierz eine reiche Stadt mit zahlreichen Einwohnern. – Der Verfall der Hanse und zweimalige Zerstörungen der Stadt durch die Schweden (1656 und 1657) verursachten einen allmählichen Niedergang und eine Abwanderung der deutschen Kaufleute, während sich auf Grund eines Erlasses Königs Johanns III. Sobieski seit 1677 zahlreiche Juden ansiedeln konnten. – Erst der Wiedereinzug der Deutschen nach dem Polenfeldzug 1939 brachte eine Wandlung; die Juden wurden ausgesiedelt, und seit 1940 befindet sich Kazimierz in planmäßiger Ausgestaltung zu einem freundlichen deutschen Erholungsort.

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Seit dem XVIII. Jahrhundert nahm jedoch der Verfall zu, besonders nach einer die Stadt fast völlig einäschernden Feuersbrunst (1710) und vor allem durch die Ausbreitung der Juden, die Lublin zu ihrer Hochburg machten, hier bis 1764 jährliche Synoden abhielten und auch eine Talmudschule mit der größten Talmudbücherei Europas besaßen (1862 hatte die Stadt 57% Juden, jetzt ist sie judenfrei). – 1795 kam Lublin zu Österreich, 1809-15 zum Herzogtum Warschau, dann durch den Wiener Kongreß zu Rußland. Im ersten Weltkrieg war die Stadt seit 30. Juli 1915 von den Österreichern besetzt, im Polenfeldzug wurde sie am 18. September 1939 von der deutschen Wehrmacht genommen und wieder unter deutsche Verwaltung gestellt. Als Hauptstadt eines Distriktes des Generalgouvernements bildet sie nun getreu ihrer sechshundertjährigen deutschen Vergangenheit wiederum einen östlichen Vorposten des Großdeutschen Reiches. Die gepflegten freundlichen Straßen und Platzanlagen der neueren Stadtteile zeigen bereits die neue deutsche Aufbauarbeit.

Quelle: Karl Baedeker, Das Generalgouvernement. Reisehandbuch. Leipzig: Baedecker, 1943, S. V; 10; 112; 129.