Kurzbeschreibung

Einer der wichtigsten Verfechter der Rolle der Architektur beim Aufbau eines nationalsozialistischen Deutschlands war kein Geringerer als der Führer selbst. Hitler war besessen von der Kraft der Architektur, den Willen und den Geist der nationalen „Rassengemeinschaft“ zu verkörpern, und interessierte sich daher sehr für die zeitgenössischen Pläne zum Wiederaufbau der deutschen Städte, insbesondere Berlins. Hitlers Fixierung auf die Architektur führte oft dazu, dass er sich in die Planungsarbeit seiner Untergebenen einmischte. Das folgende Protokoll einer Sitzung von 1934 über den Wiederaufbau Berlins zeigt, dass Hitler eine ganze Reihe von Kritikpunkten an den vorgeschlagenen Plänen hatte. Hitlers Ideen und Kritiken geben einen Einblick in seine Faszination für die Architektur und ihre Rolle im Dritten Reich. Dieses Dokument zeigt jedoch auch Hitlers impulsive, zwanghafte Tendenz, die Projekte, die ihn besonders interessierten, bis ins kleinste Detail zu steuern. Mitunter führte seine Einmischung auch zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten.

Hitler und die Stadtplanung in Berlin: Niederschrift über die Besprechung in der Reichskanzlei (29. März 1934)

Quelle

Niederschrift über die Besprechung in der Reichskanzlei am 29. März 1934

Zu Beginn kritisiert der Führer eingehend das Modell des Horst Wessel-Platzes, ist nicht einverstanden mit der Anordnung vor der Volksbühne, bemängelt, daß die Mittelachse des Theaterbaues und die dahinterliegende Freitreppe verbaut sind. Der dreieckige Vorplatz müßte frei bleiben, die Wachthäuschen könnten nach rechts und nach links etwas an die Seite gerückt werden. Auf seine Frage, wo das Liebknecht-Haus läge, entscheidet er, daß das Horst Wessel-Denkmal in den östlichen Ehrenhain gelegt werden soll, während das Denkmal für die Polizeioffiziere in den westlichen Ehrenhain untergebracht und das Denkmal für die Hitler-Jugend anderweitig aufgestellt werden könnte.

Nach kurzem Vortrag des Stadtbaurates an Hand der ausgehängten Pläne über die mit der Nord-Süd-Achse und dem Ost-West-Durchbruch zusammenhängenden Fragen erklärte der Führer, daß die Achse an der richtigen Stelle liegt. Er ist mit ihrer Weiträumigkeit und dem ganz großen Maßstabe einverstanden. Ebenso ist er einverstanden mit der Lage des Süd-Bahnhofes und der ihn befriedigenden Verbindung mit dem vergrößerten Flughafen. Unmittelbar nördlich des Süd-Bahnhofes an der großen Achse denkt der Führer sich einen gewaltigen Triumphbogen für das unbesiegte Heer des Weltkrieges. An dem bisherigen Königsplatz sollen gegenüber und seitlich des Reichstages, also auf der West- und Südseite des Platzes das Reichswehrministerium, das Luftfahrt- und das Marine-Ministerium Platz finden. Siegessäule soll etwas weiter nach Norden verrückt werden, als nördlichen Abschluß des Platzes regt der Führer 2 Gedenkhallen des Luft- und des Seekampfes an. An dem neu durchgebrochenen Straßenzuge vom Skagerrak-Platz nach Süden herunter wünscht er die zentralen Reichsbehörden und die für den Zwischenstab der Partei erforderlichen monumentalen Gebäude untergebracht. Bezüglich der Ost-West-Verbindung äußert er Zweifel, ob ein Durchbruch durch die Ministergärten eine richtige Lösung abgibt. Er äußert dabei die Absicht, während sonst die zentralen Behörden aus der Wilhelmstraße herausgenommen werden sollen, die Reichskanzlei in der Wilhelmstraße zu belassen; aus diesem Grunde hat der Führer gewisse Bedenken gegen die von der Stadt geplante Durchbruchstraße, da sie zu einer Beeinträchtigung des Gebäudes der Reichskanzlei und des dahinterliegenden Gartens führen würde. Der Oberbürgermeister weist darauf hin, daß gerade mit Rücksicht auf die Ausführungen des Führers für seine Residenz der nördlich von der Straße gelegene große ungeteilte Gebäudekomplex in Betracht kommen würde, also das gegenwärtige Palais des Reichspräsidenten, das frühere Reichsministerium des Innern und das Auswärtige Amt. Daraufhin soll die Frage erneut untersucht werden.

Nach dieser ersten Gruppe – Verwaltungsgebäude – legt der Führer seine Ansichten über eine zweite wichtige Gruppe von Gebäuden dar, die musealen Zweckten dienen sollen. Die Museumsinsel mit den östlich und westlich anliegenden Ufern von Spree und Kupfergraben soll lediglich für Museumszwecke reserviert bleiben. Erforderlich sei der Bau eines Germanischen Museums, eines Kunstgewerbemuseums; die kunstgewerblichen Sammlungen müssen aus dem Stadtschloss herausgenommen werden, die Sammlungen aus dem alten Kunstgewerbemuseum in der Prinz Albrecht-Straße in die Neubauten der Museumsinsel überführt werden, ebenso ist ein Neubau für die Aegyptische Abteilung und für die Asiatische Kunst notwendig.

Zu einer dritten Gruppe von Gebäuden übergehend, fordert der Führer den Neubau eines Winterstadions sowie die Errichtung einer ganz großen Versammlungshalle von 250 000 Personen Fassungsvermögen.

Als vierte wichtige Gruppe benennt der Führer die Bauten der Universität und der Wissenschaft, wo man sich noch nicht ganz klar sei, ob die Gebäude und Institute im Innern der Stadt richtig liegen oder der Gedanke der Hinausverlegung vorzuziehen sei. Diese Frage eile nicht und ist im Augenblick zurückzustellen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion genehmigt der Führer die Pläne betr. Molkenmarkt, Freilegung des Stadthauses von Ludwig Hoffmann, des Chorteiles von St. Nikolai und die Absichten des Neubaues eines weiteren städtischen Verwaltungsgebäudes einschl. Stadtbibliothek und Archiv. Er spricht sich unverhohlen gegen Hochhäuser aus und gesteht gerne ein, daß er drei Bauausführungen des früheren Regimes unumwunden anerkennen will: Umbau der Staatsoper, Freilegung des Franz-Joseph-Platzes und Unterbringung des Kriegerehrenmales in der Schinkelwache.

In der weiteren Diskussion, die nochmals zu dem Durchbruch durch die Ministergärten zurückkehrt, regt der Führer die Verlängerung der Leipziger Straße nach Westen an. Oberbürgermeister sagt Bearbeitung der Frage zu. Auch wird der Gedanke der Untertunnelung der Ministergärten erörtert.

Ferner wünscht der Führer eine Umänderung der Anlagen auf dem Lustgarten. Das völlig verfehlt in der Mittelachse des Alten Museums aufgestellte Denkmal Friedrich Wilhelm III. muß verschwinden. Der Vorschlag des Stadtbaurates, daß dieses Denkmal vorteilhaft in der Ecke des Lustgartens am Apothekenflügel genau in der Achse der Linden wohl ganz gut stände -ein solches Projekt sei bereits ausgearbeitet-, erscheint dem Führer sympathisch.

Auf eine Äußerung des Staatskommissars, betr. Sanierung der Altstadt, sagt der Führer seine tatkräftige Hilfe zu. Auf kurzen Vortrag des Generaldirektors der Reichsbahn-Gesellschaft über die Lage des Südbahnhofes, die Fortsetzung der Ferngleise im Tunnel nach Norden bis zum Bahnhof Stadtkreuz – Lehrter Bahnhof – und weiter nach Gesundbrunnen erklärt der Führer mit dieser Absicht einverstanden.

Quelle: Niederschrift der Stadt Berlin (Abschrift) über eine Besprechung mit Hitler am 29. März 1934 zur Gestaltung der Berliner Achsen, BA R 43 II/1181a, abgedruckt in Jost Dülffer, Jochen Thies, and Josef Henke, Hitlers Städte: Baupolitik im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Köln-Wien: Böhlau, 1978, S. 97–100.

Hitler und die Stadtplanung in Berlin: Niederschrift über die Besprechung in der Reichskanzlei (29. März 1934), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5139> [07.11.2024].