Kurzbeschreibung

Nach 1933 musste das NS-Regime aufgrund der großen katholischen Minderheit in Deutschland gewisse Zugeständnisse an die Autorität der römisch-katholischen Kirche machen. Die Unterzeichnung des Konkordats zwischen Hitlers Regierung und Papst Pius XII. im Jahr 1936 ermöglichte es der katholischen Kirche beispielsweise, ihre Autonomie in Bezug auf das Bildungswesen in den katholischen Schulen beizubehalten und gleichzeitig die Zentrumspartei formell aufzulösen. Die Spannungen zwischen dem Staat und der römisch-katholischen Kirche blieben jedoch auch in den folgenden Jahren bestehen. In diesem Dokument, einem Stimmungsbericht der SS über die Münchner Bevölkerung, werden einige der Spannungen in den Beziehungen deutlich. Die SS ist besorgt über eine katholische Messe, die Kaplan Eberlein am 27. Dezember 1936 hielt. Der katholische Prälat hatte gegen die fortgesetzte Zensur der Presseerzeugnisse der katholischen Kirche gewettert. Obwohl Eberlein bereit war, sich gegen die Eingriffe des Regimes in die Presse auszusprechen, enthüllte seine Kritik den Antisemitismus, der in der katholischen Kirche immer noch weit verbreitet war. Zu seinem Missfallen stellte die nationalsozialistisch geprägte Presse Jesus regelmäßig als Juden dar.

Bericht der SS über eine katholische Predigt (30. Dezember 1936)

Quelle

30. Dezember 1936
Bericht zur Predigt von Kaplan Eberlein

Kaplan Kurt Eberlein von Oberammergau, geb. am 9.8.[19]08 zu München, hielt am 27.12.[19]36 in der Pfarrkirche in Oberammergau eine Predigt, in der er wieder sehr ausfällig war. [] Eberlein sprach über den Kampf der Religion in der Welt und in Deutschland und übte Kritik an der Einschränkung der katholischen Pressefreiheit. Hierzu schrie er mit seinem lautesten Organ an die Kirchenbesucher: „Die Hirtenbriefe sind der strengsten Zensur unterworfen und Christus darf man in der anderen Presse als krummnasigen und blattfüßigen [sic!] Juden bezeichnen“.

Quelle: Otto Dov Kulka und Eberhard Jäckel, Hrsg. Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933–1945 (Schriften der Bundesarchivs 62). Düsseldorf, 2004, S. 213; abgedruckt in Bernd Sösemann (in Zusammenarbeit mit Marius Lange), Propaganda: Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur: eine Dokumentation und Edition von Gesetzen, Führerbefehlen und sonstigen Anordnungen sowie propagandistischen Bild- und Textüberlieferungen im kommunikationshistorischen Kontext und in der Wahrnehmung des Publikums, Band 1. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 447.

Bericht der SS über eine katholische Predigt (30. Dezember 1936), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5128> [24.04.2024].