Kurzbeschreibung

Traditionell gehörten die meisten Deutschen einer Kirche in ihrer Gemeinde an, und ein Teil ihrer jährlichen Steuerabgaben wurde an diese religiöse Einrichtung gezahlt. Wenn jemand beschloss, aus der Kirche auszutreten, musste eine offizielle Erklärung an die Regierung geschickt werden, damit die Steuern angepasst werden konnten. Beim nächsten Gottesdienst wurde dann der Name des ausscheidenden Mitglieds öffentlich vor der Gemeinde vorgelesen. Der hier wiedergegebene Erlass verbietet es, die Namen der ausscheidenden Gemeindemitglieder von der Kanzel zu verlesen. Da die Nationalsozialisten die Kirche als Konkurrentin der staatlichen Autorität über den Einzelnen ansahen, hofften sie, den Einfluss der christlichen Kirchen auf die einzelnen deutschen Städte und Gemeinden zu lockern. Dieses Dokument ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die NS-Behörden versuchten, dieses Ziel schrittweise zu erreichen. Nach dem Erlass dieser Verordnung brauchten die Deutschen nicht mehr zu befürchten, dass der Austritt aus ihrer örtlichen Gemeinde zu einer sozialen Schande führen würde. Das Regime hoffte natürlich, dass dies dazu beitragen würde, weitere Personen dem Einfluss der Kirchen zu entreißen.

Erlaß über Kirchaustritte (18. Februar 1937)

Quelle

(1) Auf Grund der VO des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. 1 S. 83) wird im Einvernehmen mit dem RuPrMfdkirchlA [Reichs- und Preußisches Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten] jede öffentliche Bekanntgabe der Namen von Personen, die aus der Kirche ausgetreten sind, verboten. Insbesondere ist es danach untersagt, die Namen solcher Personen von der Kanzel herab zu verlesen.

(2) Zuwiderhandlungen werden nach der VO vom 28. Februar 1933 mit Gefängnis nicht unter einem Monat oder mit Geldstrafe von 150 bis zu 15.000 RM bestraft.

Frick

Quelle: Die Gesetzgebung des Kabinetts Hitler. Die Gesetze in Reich und Preußen seit dem 30. Januar 1933 in systematischer Ordnung mit Sachverzeichnis, XXIL, S. 676; abgedruckt in Bernd Sösemann (in Zusammenarbeit mit Marius Lange), Propaganda: Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur: eine Dokumentation und Edition von Gesetzen, Führerbefehlen und sonstigen Anordnungen sowie propagandistischen Bild- und Textüberlieferungen im kommunikationshistorischen Kontext und in der Wahrnehmung des Publikums, Band 1. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 459.