Kurzbeschreibung

Last of the Conquerors war William Gardner Smiths Debütroman, der auf seinen Erfahrungen als Soldat in der US-Militärverwaltung in Berlin zwischen 1947 und 1948 basierte. Der Roman war in vielerlei Hinsicht eine Widerlegung der amerikanischen Rhetorik, dass die Vereinigten Staaten als Vorbild für den Rest der Welt dienen sollten, insbesondere für Nachkriegsstaaten wie Deutschland, die sich um den Wiederaufbau bemühten. Der Roman stellt Nachkriegsdeutschland als weniger rassistisch als die Vereinigten Staaten dar und weist auf die Ironie hin, dass die USA sich selbst als Vorbild für den Rest der Welt darstellen, während sie im eigenen Land ein brutales und rassistisches Jim-Crow-System aufrechterhielten. Dieses Buch war nicht das erste und sicher auch nicht das letzte, das auf diese Ironie hinwies; tatsächlich stützte sich die sowjetische Propaganda während des Kalten Krieges stark darauf, auf die rassistische Vergangenheit Amerikas hinzuweisen, und wurde dabei oft von amerikanischen Künstlern unterstützt, die behaupteten, dass sie auf ihren Reisen durch sowjetische Länder besser behandelt worden seien als zu Hause. Dieser Artikel in der westdeutschen Tageszeitung Nürnberger Nachrichten konzentriert sich jedoch mehr darauf, was das Buch über Deutschland aussagt, und tröstet sich mit der Tatsache, dass Smith die Deutschen als Menschen und nicht als Monster dargestellte. Während die Deutschen mit den Folgen des Krieges zu kämpfen hatten sowie damit, was es bedeutete, Teil einer Nation zu sein, die eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit begangen hatte, fanden sie Trost in der Feststellung, dass nicht jeder in Deutschland ein Nazi gewesen war und dass sogar ausländische Beobachter wie Smith etwas Gutes in der deutschen Gesellschaft finden konnten.

„Ein Negersoldat erlebt Deutschland“ (28. Mai 1949)

Quelle

Ein Negersoldat erlebt Deutschland

Von unserem New Yorker Korrespondenten

Über die „Negerfrage“ in Amerika ist seit „Onkel Toms Hütte“ in den USA nicht wenig geschrieben worden. Jetzt ist ein ganz neuartiges Buch über den amerikanischen Neger veröffentlicht worden, in dem es nach vielen Konflikten merkwürdigerweise eine Hoffnung gibt – Deutschland! „Last of the conquerors“ ist die Geschichte eines amerikanischen Negersoldaten, der in Deutschland bei der Besatzung dient und in dem Lande der Nazis zum erstenmal – wie Tausende seiner Schicksalsgenossen – erlebt, daß man ihn als gleicher unter gleichen behandelt. William Gardner Smith schrieb dieses Buch, als er noch nicht 20 Jahre alt war, auf einem Truppenschiff, das von Deutschland nach Amerika heimkehrte. Ein erregendes Buch, aber kein im engeren Sinne politisches Buch. Sein Wert liegt dennoch keineswegs im Literarischen. Unerträglich sentimentale Liebesszenen und „philosophische“ Allgemeinplätze unterbrechen immer wieder knapp und eindrucksvoll aus der Realität nachgezeichnete Schilderungen.

Was das Buch als Ganzes zu einem bedeutsamen psycho-politischen Dokument macht, ist die Unbestechlichkeit, die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit, mit der hier – wenn auch stets nur im Rahmen der eigenen bedrängenden Anliegen – propagandistische Generalisierungen am realen Leben gemessen und auf ihre Doppelsichtigkeit zurückgeführt werden. So scharf dabei gelegentlich Kritik geübt wird – an der Sonderbehandlung der Neger in der US-Armee, an der sozialen Sonderstellung der Farbigen im Alltag daheim – Bitterkeit ist stets konterkariert von Gegenbei­spielen. Die Schwarzen werden keineswegs „weiß gewaschen“, die Weißen keinesfalls „schwarz in schwarz“ geschildert.

Was den schwarzen Soldaten/Sergeanten seelisch dort in Berlin und in jener kleinen Stadt nahe dem großen Neger-Campus umwirft, ist, daß deutsche Familien ihn gar nicht als „Problem“ sehen. Sie akzeptieren ihn. Sie stellen keine Fragen, sie nennen ihn „Herr“ (nie war ihm vorher begegnet, daß ein Weißer ihn mit „Mister“ anredete), sie behandeln ihn als Freund. So ist denn kennzeichnender Weise die aus dieser Erfahrung abgeleitete Erkenntnis keine „Anti-Weiße“. Der Verfasser, der im übrigen nie einen einzigen Nazi oder Antinazi zu Gesicht bekommt, sondern nur dem durchschnittlichen gesichtslosen unpolitischen Typ in Deutschland begegnet, wägt nur ab, daß das Leben unter „freundlichen“ Menschen angenehmer ist als unter ablehnend eingestellten. Die Deutschen, die er trifft, sind freundlich. Daraus ergeben sich, von keiner Rationalität getrübte, Gefühlsantworten.

Als Motto gewissermaßen steht am Anfang des Buches ein kurzer Absatz aus dem „Pittsburgh Courier“ (an dem der Verfasser heute beruflich arbeitet):

„Das Truppenschiff MARINE ROBIN bewegte sich langsam in den Hafen und die Neger-Soldaten, auf dem Vorderdeck zusammengedrängt, konnten deutlich die Lichter von New York City sehen. Es war Nacht. Links warf die Freiheitsstatue ihr „Willkommen daheim“ den Männern entgegen, die an jenem Tag, vor so langer Zeit, ihr abschiednehmend zugewinkt hatten, als sie zum erstenmal über den „großen Teich“ gefahren waren. Aber die Männer, zusammengedrängt auf dem Schiff, winkten nicht zurück.

„Naja“, sagte ein braunhäutiger Soldat mit einem leisen Seufzer, „wir sind zu Hause“. Er sagte es zu niemand im besonderen. Es war nur die Feststellung eines Tatbestandes.

Keiner sagte etwas. Irgendwie, als ich dort zwischen den Männern stand, hatte ich plötzlich das Gefühl von Düsterkeit.

„Eines Tages“, sagte ein Soldat leise, an diesem Tage seiner Heimkehr, „eines Tages werde ich nach Deutschland zurückgehen“ —

Nun bedeutet selbstverständlich diese Formulierung keineswegs, daß etwa eine Auswanderungswelle amerikanischer Neger nach Deutschland einsetzen wird. Die Heimkehrer werden – schlecht oder recht – sich wieder in der einen oder anderen Form in das Leben ihres Heimatlandes einordnen.

Bleiben wird ein Gefühl des Erstauntseins – was auch den Leser nicht verläßt – darüber, daß um ihre Minderheitenrechte kämpfende Stiefkinder des Siegers nach einem Kriege, der mit im wesentlichen gegen die nazistische Rassenirrlehre geführt wurde, einen Traum der Gleichberechtigung verbinden mit dem Land, dem Demokratie zu bringen, sie ausgesandt wurden. Der kleine unbekannte Deutsche wurde als Mensch erlebt. Das ist trostreich. Besonders für diejenigen, die mehr als einmal darauf hinwiesen, daß es nicht nur Nazis in Deutschland gab.

Quelle: „Ein Negersoldat erlebt Deutschland: Von unserem New Yorker Korrespondenten“, Nürnberger Nachrichten, 28. Mai 1949