Quelle
Dame mit Klecks
Aus Berlin mitgebracht
Marlene Dietrich und Billy Wilder präsentierten den New Yorkern, was sie aus Berlin mitgebracht hatten. Vor über einem Jahr hatten sie den inzwischen reichlich ruinös gewordenen Schauplatz ihres früheren Wirkens besucht.
Sie hatten nicht nur Wiedersehen gefeiert, Marlene mit ihrer Mutter, Billy mit dem Ullsteinhaus und dem Torso des Romanischen Cafés, seines einstigen Stammlokals. Sie hatten auch ein Stück für den Film „A Foreign Affair“ (eine auswärtige Angelegenheit) gedreht. Der lief jetzt in New York an.
Vom Flugzeug und aus der Straßenperspektive wird das ruinös verwitterte Berlin gezeigt. Es ist die Kulisse für ein witziges Spiel aus der Zeit, als Fraternisierung noch verpönt war.
Marlene Dietrich tritt als eine geborene Maria Magdalena von Losch und auch als eine von Schlütow auf. Mit drei Songs, notorischem sex appeal und Klecks in der Vergangenheit. Ehemals die Freundin eines gewaltigen Nazisten, fraternisiert sie jetzt als Chanteuse in einem Nachtclub munter mit einem amerikanischen Offizier (dem sympathisch schlaksigen John Lund).
Aus der Luft kommt eine Washingtoner Kongreßabordnung, welche die Moral der Besatzungstruppen begutachten soll. Die frische Jean Arthur, Abgeordnete von Jowa, der landreichen Provinz, gibt sich mit der knappen Antwort des Stabschefs, es werde nicht fraternisiert, nicht zufrieden. Sie prüft es selbst.
Sie trifft auf John Lund, und er gaukelt ihr forma eine Liebeskomödie vor, um die geborene von Losch vor Unannehmlichkeiten zu bewahren. Bis die Abgeordnete aus der falschen Liebe erwacht und alles gut ausgeht, hat sich das Publikum halb totgelacht und der Autor und Regisseur Billy Wilder einige witzige Weisheiten untergebracht.
Nach dem trunksüchtigen „Verlorenen Wochenende“ ist Billy Wilder der zweite große Wurf in Hollywood gelungen. New York jedenfalls, Kritik und Publikum, war sich einig: Marlene Dietrich und Billy Wilder haben etwas Hübsches aus Berlin mitgebracht.
Quelle: „Dame mit Klecks“, Der Spiegel, 17. Juli 1948, S. 24-25. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44417790.html