Kurzbeschreibung

Während der NS-Diktatur spaltete sich die deutsche evangelische Kirche in eine Bewegung der „Deutschen Christen“, die eine systemkonforme Version des Christentums propagierten, und die „Bekennende Kirche“, die sich zur Neutralität bekannte, Gott die Treue schwor und deutlich machte, dass sie sich nicht an einen irdischen Führer binden wollte. Insgesamt verhielt sich die evangelische Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus bestenfalls neutral, schlimmstenfalls machte sie sich mitschuldig. Die Haltung der Kirche während des NS-Regimes war der Anlass für diese Nachkriegserklärung zur Judenfrage, in der die Kirchenführer ihre Reue über ihr „Unterlassen und Schweigen“ zum Ausdruck brachten und sich vom Antisemitismus distanzierten. Seitdem haben sich Kirchenführer verschiedener Konfessionen immer wieder für ihr Schweigen während des Krieges entschuldigt und geschworen, Antisemitismus und andere Diskriminierungen in Zukunft zu bekämpfen.

Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Wort zur Judenfrage“ (27. April 1950)

Quelle

Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme. (Röm. 11,32)

1. Wir glauben an den Herrn und Heiland, der als Mensch aus dem Volk Israel stammt.

2. Wir bekennen uns zu der Kirche, die aus Judenchristen und Heidenchristen zu einem Leib zusammengefügt ist und deren Friede Jesus Christus ist.

3. Wir glauben, dass Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk Israel auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist.

4. Wir sprechen es aus, dass wir durch Unterlassen und Schweigen vor dem Gott der Barmherzigkeit mitschuldig geworden sind an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist.

5. Wir warnen alle Christen, das, was über uns Deutsche als Gericht Gottes gekommen ist, aufrechnen zu wollen gegen das, was wir an den Juden getan haben; denn im Gericht sucht Gottes Gnade den Bußfertigen.

6. Wir bitten alle Christen, sich von jedem Antisemitismus loszusagen und ihm, wo er sich neu regt, mit Ernst zu widerstehen und den Juden und Judenchristen in brüderlichem Geist zu begegnen.

7. Wir bitten die christlichen Gemeinden, jüdische Friedhöfe innerhalb ihres Bereiches, sofern sie unbetreut sind, in ihren Schutz zu nehmen.

8. Wir bitten den Gott der Barmherzigkeit, dass er den Tag der Vollendung heraufführe, an dem wir mit dem geretteten Israel den Sieg Jesu Christi rühmen werden.

Quelle: Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, 27. April 1950, „Wort zur Judenfrage“, in Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland 1950. Gütersloh, 1951, S. 5f.