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Quelle: © Der Spiegel
Inspiriert und ermuntert durch Entstalinisierung und Tauwetter nach dem XX. Parteitag der KPDSU im Februar 1956, sahen etliche marxistische Intellektuelle in der DDR den richtigen Zeitpunkt gekommen, eine offene Reformdiskussion anzustoßen. Im November 1956 verfasste Wolfgang Harich, Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Philosophie, Philosophie-Dozent an der Berliner Humboldt-Universität und Cheflektor des Aufbau-Verlages, eine „Plattform für einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“ und verschickte diese an Mitglieder des Politbüros und des Zentralkomitees der SED. Zwar bekannte sich Harich in seinem Papier ausdrücklich zum „demokratischen Zentralismus“ und zur sozialistischen Eigentumsstruktur, forderte aber eine grundlegende Demokratisierung von Staat und SED – nicht zuletzt durch freie Wahlen –, um einen menschlichen und tatsächlich demokratischen Sozialismus zu ermöglichen. Da das SED-Regime gegen solche Gedankengänge und gegenüber den Intellektuellen insgesamt ein Exempel statuieren wollte, wurden im November 1956 Harich sowie dessen Bekannte und Kollegen, mit denen er z.T. über seine Plattform diskutiert hatte, verhaftet. Nun als „staatsfeindliche Gruppe Harich“ diffamiert, wurden Harich und die anderen Verhafteten, u.a. Werner Janka, der Leiter des Aufbau-Verlages, und die Schriftsteller Gustav Just und Erich Loest, im März und Juli 1957 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Gegen Harich wurde eine Strafe von zehn Jahren Zuchthaus verhängt; nach einer Amnestie wurde er im Dezember 1964 vorzeitig entlassen. Dieses Spiegel-Titelblatt von 1956 greift die Verhaftung Harichs als Zeichen der politischen Unterdrückung im SED-Regime auf.
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