Kurzbeschreibung

Dieser Artikel in der westdeutschen Wochenzeitschrift Der Spiegel nahm die zweijährige Pattsituation vorweg, zu der sich der Koreakrieg im Juli 1951 entwickeln sollte. Von Juli desselben Jahres bis Juli 1953 wurden die Kämpfe fortgesetzt (obwohl fast kein Gebiet die Hände wechselte), während beide Seiten verhandelten. Beide Koreas waren gewillt, den Krieg bis zu seinem blutigen Ende fortzusetzen, doch die Unterstützer beider Seiten (China, die UdSSR, die Vereinigten Staaten und die Vereinten Nationen) waren es nicht. Die vorangegangenen zwölfmonatigen Kämpfe und die „Schlacht um Verluste“, zu welcher der Krieg geworden war, überzeugten alle beteiligten Unterstützerstaaten davon, dass ein vollständiger Sieg in Korea nicht mehr in ihrem nationalen Interesse lag. Die materiellen Kosten und die Zahl der Toten hatten ein Ausmaß erreicht, das sie für untragbar hielten, und sie befürchteten, dass der Krieg zu einem umfassenderen, globalen Konflikt eskalieren könnte. Sie machten beiden Koreas klar, dass ihre weitere militärische, wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung von deren Bereitschaft abhing, Waffenstillstandsgespräche zu führen und den Krieg zu beenden.

Korea-Krieg: Schlacht um Verluste (11. April 1951)

Quelle

Während die Streitkräfte der Vereinten Nationen in Korea zum dritten Male über den 38. Breitengrad rollen, wissen weder die verantwortlichen Generale noch die Politiker, wie der Krieg weitergehen oder wie er beendet werden soll. Die UN-Diplomaten sprechen zögernd von neuen Verständigungsversuchen mit Mao Tsetung: Und MacArthur wagte wieder einmal eine Voraussage. Wenn man ihm volle Handlungsfreiheit gewährte, „könnten die Vereinten Nationen die chinesischen Kommunisten leicht genug vernichten“. In diesem Fall würde auch die Sowjetunion keine Intervention wagen.

„Zum ersten Male in meiner militärischen Laufbahn befinde ich mich in einem Krieg ohne bestimmtes Ziel“, beklagte sich General MacArthur bei dem britischen Generalleutnant H. G. Martin, dem Militärkorrespondenten des Londoner „Daily Telegraph“.

Er bezog sich auf die warnenden Aeußerungen der (in erster Linie britischen) Politiker über eine neuerliche Ueberschreitung der Demarkationslinie und erklärte, das wahre Ziel eines Truppenkommandeurs im Krieg sei die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte. In Korea sei das nicht der Fall, weil die UN-Streitkräfte von einem Netz „künstlicher Bedingungen“ (so dem Verbot der Bombardierung mandschurischer Nachschubbasen) umgeben würden. Für den Sieg als Mittel zum Frieden gebe es keinen Ersatz. Das Netz besteht weiter, denn in Lake Success hofft man unentwegt auf das Zustandekommen eines Waffenstillstandes. Das Ziel der einstigen „Polizeiaktion“, so meint man, die Abwehr der nordkoreanischen Aggression nämlich, sei jetzt wieder einmal erreicht.

„Der psychologisch günstige Moment ist gekommen, um vom Frieden in Korea zu sprechen“, erklärte der US-Chefdelegierte bei der UNO, Warren Austin.

Remis. Damit meinte er die eindeutige Remis-Position, in der die Kampfhandlungen stecken bleiben. Keiner der Gegner besitzt mehr einen entscheidenden strategischen Vorteil.

Im Tokioter Hauptquartier nennt man diesen aussichtslosen Zustand „fluktuierende Stagnation“. Das heißt:

— Der Krieg kann nicht entschieden werden, auch wenn einer der beiden Gegner seine Streitkräfte wesentlich verstärkt (wie das die Kommunisten jetzt im mittleren Nordkorea tun, wo nach den letzten Schätzungen einschließlich der operativen Reserven 900 000 Mann zusammengezogen werden). Die massierten kommunistischen Angriffswellen haben sich an der Feuerkraft der material-überlegenen Amerikaner totgelaufen.

— Eine neue rote General-Offensive (wie sie von Tokio aus für Anfang Mai vorausgesagt wird) könnte die UN-Truppen höchstens bis auf die Höhe von Taigu zurücktreiben. Die UN-Truppen würden der vordringenden Infanterie der Kommunisten im Laufe ihrer Absetzbewegung durch mobile Gegenstöße, Feuerüberfälle und Fallschirmjägereinsätze im Rücken des Feindes schwere Verluste zufügen.

Wesentlichstes Plus für die UN: Ihre absolute Luftherrschaft. US-Kampfflieger würden die sich verlängernden Nachschublinien der Roten in rollenden Tiefangriffen zerhacken, genau wie sie das in den letzten drei Monaten getan haben.

MacArthur selbst könnte seine Offensive im besten Falle bis an den Flaschenhals Koreas (die schmalste Stelle der Halbinsel) vorführen, solange er nicht die Erlaubnis bekommt, das mandschurische Nachschub-„Heiligtum“ der Chinesen anzugreifen.

Weil er sie nicht bekommt, muß er sich auf bewegliche Operationen zwischen der MacArthur-Linie im Norden (wo er im vorigen Jahre haltmachen wollte, ehe er sich zu dem fatalen Vorstoß an den Jalu entschloß) und Taigu im Süden einrichten, deren einziger Sinn der Versuch einer Abnutzung der gegnerischen Streitkräfte wäre. Schlacht also um der Verluste willen.

Allerdings würden sie jeden Monat auch 6000 bis 7000 Amerikaner einschließen (abgesehen von den südkoreanischen Opfern, die sich bisher angeblich auf 230 000 – gegen 60 000 der Amerikaner – belaufen).

Langsam fühlen die US-Panzerspitzen inzwischen weiter nach Norden vor. So befehlen es die „Sicherheitserfordernisse der UN-Streitkräfte“, die Verteidigungsminister Marshall als Grund für die Ueberschreitung des 38. Breitengrades angegeben hat.

Sam Rayburn, der Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, machte Schlagzeilen mit seiner ominösen Behauptung, an der mandschurischen Grenze würden „nichtchinesische Truppen“ konzentriert. Die Sowjets fühlten sich getroffen. Nachrichtenagentur TASS funkte ein wütendes, offizielles Dementi. Aber auch der US-Heeresnachrichtendienst konnte Rayburns Meldung nicht bestätigen. Er habe Amerikas Oeffentlichkeit aus ihrer Apathie dem Korea-Krieg gegenüber aufrütteln wollen, vermutet man in Washington.

Mittlerweile hat Nasrollah Entezam, Vorsitzender des UN-Vermittlungskomitees, eine vorsichtige Anfrage an Peking gerichtet: Ob er mit der Annahme recht habe, daß Pekings bisherige Nichtbeantwortung früherer UN-Waffenstillstandsangebote darauf zurückzuführen sei, daß die chinesische Regierung mehr Zeit für deren Erwägung brauche? Bisher bekam er auch hierauf keine Antwort.

Quelle: „Korea-Krieg: Schlacht um Verluste“, Der Spiegel, 11. April 1951, S. 11. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-29193647.html