Quelle
Trends in der deutschen öffentlichen Meinung
Befragte: Die Zahl der Befragten variierte zwischen 365 in der ersten Erhebung und 4000, die im Januar 1948 befragt wurden; die Gesamtzahl der in der Amerikanischen Zone und in West-Berlin befragten Personen betrug 16 Millionen.
Untersuchungszeitraum: zwischen Oktober 1945 und 5. Januar 1948; in diesem Zeitraum wurden mehr als fünfzig Erhebungen im großen Stil durchgeführt (43 Seiten).
Dieser Bericht fasst anschaulich die wichtigsten Trends in der deutschen öffentlichen Meinung in den von den Amerikanern besetzten Gebieten zusammen und deckt sieben Hauptfragen ab: Neuorientierung, Politik, Medien, die Besatzung, Wirtschaftsfragen, Ernährung und Vertriebene.
Neuorientierung. In den 1947 durchgeführten Erhebungen hielten 52 Prozent den Nationalsozialismus für eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt wurde; das bedeutete einen Anstieg um fünf Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr davor, aber nur um zwei Punkte gegenüber 1945. Gezwungen, zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus zu wählen, zog eine Vielzahl 1945 ersteres System vor, 1946 lehnten die meisten Menschen beide ab, und 1947 war zwar die „weder-noch“-Kategorie weiterhin groß, doch entschieden sich mehr Menschen für den Nationalsozialismus und fast keiner für den Kommunismus. Zwei Jahre nach Kriegsende setzte sich der abnehmende Trend bei der Zahl der Deutschen, die bereit waren, Verantwortung für die Schuld ihres Landes am Ausbruch des Krieges zu übernehmen, fort. Etwa vier von fünf AMZON-Deutschen waren der Meinung, einige Rassen würden sich besser zum Herrschen eignen als andere.
Während vor Januar 1948 mehr als die Hälfte der Öffentlichkeit das Recht der Kommunisten akzeptierte, ihre Meinung über das Radio zu verbreiten, taten dies nach diesem Datum nur knapp mehr als ein Drittel. Von Anfang an sagten große Mehrheiten der AMZON-Deutschen, dass sie, wenn sie wählen müssten, eine Regierung, die ihnen Arbeitsplätze sicherte, einer Regierung vorziehen würden, die ihre persönliche Freiheit förderte.
Politik. Die Zahl der Deutschen, die angab, über Politik informiert zu sein, ging nach 1947 weiter zurück, und stabile 75 Prozent würden es ungern sehen, wenn ihre Söhne in die Politik gingen. In allen Erhebungen gab ein Drittel der Befragten an, über Politik nachzudenken, während der Rest die Politik „anderen“ überlassen wollte. Anfang 1947 hielt ein Maximum von 72 Prozent politische Versammlungen für sinnvoll, Ende des Jahres waren es nur noch 45 Prozent; Anfang 1948 waren es wieder mehr, aber nur 58 Prozent. Das Vertrauen in die Motive deutscher Amtsträger ging eindeutig zurück; gleichzeitig wuchs die Enttäuschung über deren Leistungen.
Im gesamten AMZON-Raum wurde die CDU/CSU nur noch von der Hälfte der Menschen unterstützt, die ihr im Herbst 1945 das Vertrauen geschenkt hatten. Dafür legte die LDP/DVP an Beliebtheit zu, insbesondere in Württemberg-Baden. Gleichzeitig verdreifachte sich die Zahl der Menschen, die keine der Parteien mochten.
Medien. Der Anteil der regelmäßigen Zeitungsleser ging zwischen Anfang 1946 und Frühjahr 1947 zurück und pendelte sich bei etwa der Hälfte der AMZON-Bevölkerung ein; in West-Berlin gaben sich ungefähr drei Viertel als regelmäßige Leser aus. Im Januar 1948 hörten 56 Prozent der AMZON-Bevölkerung regelmäßig oder gelegentlich Radio; mehr als vier von zehn behaupteten durchgängig, nie Radio zu hören. Im Januar 1948 meinten nur 47 Prozent, bessere Berichterstattung zu erhalten als während des Krieges; die „keine-Meinung“-Antworten erhöhten sich drastisch von 22 Prozent im Januar 1947 auf 49 Prozent im Januar 1948. In den ersten Monaten des Jahres 1946 hielten 50 Prozent der AMZON-Öffentlichkeit die Berichterstattung in den Zeitungen für vollständiger als die Berichterstattung im Radio; im Januar 1948 glichen sich die beiden an.
Die Besatzung. Das Vertrauen in die Bemühungen der Alliierten um den Wiederaufbau Deutschlands sank von 43 Prozent im September 1946 auf nur drei von zehn im Januar 1948. Das Vertrauen in die amerikanischen Wiederaufbauanstrengungen, das zwischen 1945 und 1947 von 70 auf 44 Prozent zurückgegangen war, stieg im Januar 1948 auf 55 Prozent, möglicherweise wegen des Marshallplans. Nur ein Drittel hatte je erwartet, dass die vier Mächte beim Wiederaufbau Deutschlands kooperieren würden; in den ersten Monaten des Jahres 1948 glaubten tatsächlich weniger als einer von zehn daran.
Zwischen Januar 1946 und Januar 1948 stieg der Pessimismus hinsichtlich eines vereinten Deutschlands als Ergebnis der Besatzung stark an, von 71 Prozent, die von der Kooperationsbereitschaft der Alliierten überzeugt waren auf 80 Prozent, die nicht daran glaubten.
Eine stetig wachsende Zahl von Deutschen erwartete, dass die Vereinigten Staaten in den kommenden zehn Jahren das einflussreichste Land der Welt sein würden und dass ihr Einfluss dem Frieden dienen würde. Fast alle, die die Sowjetunion nannten, sahen als Ergebnis Krieg. Die Mehrheitsmeinung festigte sich, dass die Amerikaner Deutschland so bald wie möglich wiederaufbauen sollten, damit es nicht zur Beute des Kommunismus werde.
Wirtschaftsfragen. 67 Prozent der AMZON-Bevölkerung betrachteten ihr Familieneinkommen im Januar 1946 als hoch genug, um die notwendigen Ausgaben zu decken; zwei Jahre später waren es nur noch 57 Prozent. Große Mehrheiten in West-Berlin gaben an, ihre Lebenshaltungskosten nicht decken zu können. Bei der Einschätzung der Preisentwicklung gab es keinen erkennbaren Meinungstrend. Schwankend war auch die Meinung zu den Zukunftsaussichten in der Amerikanischen Besatzungszone. Insgesamt meinten zwischen Januar 1946 und Juni 1947 ebenso viele Menschen, dass die Reichsmark an Wert verlieren wie dass sie stabil bleiben würde.
Immer mehr AMZON-Bewohner kamen zu dem Schluss, dass es einen lokalen Schwarzmarkt gebe und dass dies ein ernst zu nehmendes Problem sei. Im Februar 1946 glaubten 51 Prozent nicht an die Existenz eines Schwarzmarkts, doch im Januar 1978 konnten 71 Prozent einen solchen nicht erkennen; ähnlich hielten früher nur 15 Prozent dies für ein ernst zu nehmendes Problem, während zum späteren Zeitpunkt 47 Prozent dieser Meinung waren. Gleichzeitig verringerte sich das Vertrauen in die offiziellen Bemühungen um eine Beseitigung des Schwarzmarkts erheblich, obwohl der Trend Anfang 1948 anzusteigen schien.
Ernährung. Eine wachsende Zahl von Menschen nannte die Versorgung mit Lebensmitteln ihre Hauptsorge, womit in der Amerikanischen Zone ein Anstieg von nur 17 Prozent im Jahre 1945 auf 53 Prozent im Jahre 1948 verzeichnet wurde. Die nächste Sorge galt der Kleidung und den Schuhen, auch hier stieg die Zahl der Nennungen. Die Mehrheit der Bevölkerung in der Amerikanischen Zone war immer noch mit der fairen Umsetzung der Rationierung zufrieden, obwohl die Zahl jener, die so dachten, von einem Höchststand von 93 Prozent Ende 1945 auf 64 Prozent im Januar 1948 zurückgegangen war. Mehrheiten, oft erhebliche, sagten, sie würden nicht ausreichend essen, um ihre Arbeit gut zu verrichten; in West-Berlin waren es acht von zehn.
Vertriebene. Im Januar 1948 hielten 93 Prozent der Deutschen die Vertreibungen für nicht gerechtfertigt. Sowohl die Vertriebenen als auch die Einheimischen waren fast einhellig der Meinung, die Vertriebenen würden gern in ihre Heimat zurückkehren. Wie im Jahr zuvor meinte fast die Hälfte der AMZON-Bevölkerung, die Vertriebenen würden sich mit den Einheimischen gut verstehen, ungefähr vier von zehn glaubten nicht daran; in dieser Frage waren die Hessen optimistischer, die Bewohner Württemberg-Badens waren am pessimistischsten. Die Vertriebenen selbst waren im Januar 1948 mit ihrer Aufnahme in Deutschland weniger zufrieden als im Herbst 1946.
Quelle: A. J. und R. L. Merritt, Public Opinion in Occupied Germany, The OMGUS Surveys. Urbana, IL, 1970, S. 210–13.